Rz. 2

[Autor/Stand] Die Vorschrift ergänzt § 74 StGB, der im allgemeinen Strafrecht die Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern und Teilnehmern regelt. Der Zweck des § 394 AO ist die Vereinfachung des Einziehungsverfahrens[2]. Hauptanwendungsbereich der Vorschrift sind Fälle, in denen sich der auf frischer Tat betroffene Schmuggler unter Zurücklassung des Schmuggelguts dem Zugriff der Strafverfolgungsorgane entzieht[3]. Zur Vermeidung eines selbständigen Einziehungsverfahrens geht nach Ablauf eines Jahres das Eigentum an den beschlagnahmten bzw. sichergestellten Sachen kraft Gesetzes auf den Staat über, soweit der Eigentümer unbekannt ist und bleibt. Darüber hinaus hat die Vorschrift jedoch auch Bedeutung für alle anderen Steuerstraftaten, bei denen der Einziehung unterliegende Sachen zurückgelassen werden und der Täter auf frischer Tat betroffen werden kann. Im Bußgeldverfahren wegen einer Zollordnungswidrigkeit gilt sie indes nach § 410 Abs. 1 AO nicht. § 394 AO ist sowohl im selbständigen Verfahren der FinB als auch im staatsanwaltschaftlichen Verfahren anwendbar.

 

Rz. 3

[Autor/Stand] Die Bedeutung der angestrebten Verfahrensvereinfachung ergibt sich aus dem Vergleich der Vorschrift mit den allgemeinen Vorschriften des StGB und der StPO, welche die Einziehung und den Ablauf des auf diese Maßnahmen gerichteten Verfahrens betreffen. Nach diesen Vorschriften bestehen grds. zwei Einziehungsmöglichkeiten:

Ist der Täter bekannt und wird er wegen einer Tat verfolgt, wird im Zuge des gegen ihn geführten Strafverfahrens bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen der §§ 74 ff. StGB oder des § 375 Abs. 2 AO die Einziehung angeordnet (s. § 375 Rz. 32 ff.). In diesem sog. subjektiven Verfahren gelten die § 421 ff. StPO (s. § 375 Rz. 103 ff.). Dritte, deren Rechte durch die Einziehung betroffen sind, sind zu beteiligen. Dies können auch andere Beteiligte der Tat sein, sofern deren Verfahren abgetrennt wurden[5]. Der Übergang des Eigentums auf den Staat als Rechtsfolge der Einziehung tritt gem. § 75 Abs. 1 StGB erst mit Rechtskraft der in dem Verfahren ergehenden gerichtlichen Entscheidung ein.

Im sog. objektiven Verfahren kann nach § 76a StGB selbständig auf Einziehung erkannt werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter gem. § 76a Abs. 1 und 2 StGB aus tatsächlichem oder rechtlichen Grund nicht verfolgt oder verurteilt werden kann (s. § 401 Rz. 30 ff.). § 435 StPO regelt die Voraussetzungen des selbständigen Einziehungsverfahrens, auf das die §§ 201204, 207, 210 und 211 sowie die §§ 424430 und § 433 StPO entsprechende Anwendung finden. Die Sonderregelung des § 401 AO sieht insofern ein eigenständiges Antragsrecht der FinB bei Gericht vor. Auf die Erl. zu § 401 AO wird verwiesen (s. § 401 Rz. 25 ff., 37 ff.). Über den Antrag entscheidet das Gericht, das im Fall der Strafverfolgung einer bestimmten Person zuständig wäre. Für die Entscheidung über die selbständige Einziehung ist örtlich zuständig auch das Gericht, in dessen Bezirk der Gegenstand sichergestellt worden ist (§ 436 Abs. 1 StPO).

In beiden Verfahren tritt der Übergang des Eigentums als Rechtsfolge der Einziehung erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung ein.

Bei § 394 AO kann die FinB den Eigentumsübergang selbst herbeiführen.

 

Rz. 4

[Autor/Stand] Ob darüber hinaus – wie in der Praxis üblich – eine sog. außergerichtliche Einziehung durch eine "freiwillige" Verzichtserklärung auf das Eigentum erfolgen kann, ist umstritten. Zwar bestimmt Nr. 180 Abs. 4 Satz 1 RiStBV, dass, soweit keine Beteiligten vorhanden sind, diese auf ihre Rechte bzw. auf die Durchführung des selbständigen Verfahrens verzichtet haben oder ihre Befragung sonst nicht in Betracht kommt, der Gegenstand "in der Regel formlos aus dem Verkehr entfernt werden" kann. Der Staatsanwalt soll – nach dem Wortlaut der Vorschrift – auch in diesen Fällen das selbständige Verfahren einleiten, "wenn die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung wegen der tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten oder sonstigen Bedeutung der Sache zweckmäßig ist." Die Anerkennung einer derartigen formlosen, im Gesetz nicht vorgesehenen Einziehung ist jedoch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen abzulehnen[7].

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.08.2019
[2] Allgemeine Ansicht, vgl. Joecks in JJR8, § 394 AO Rz. 1; Hellmann in HHSp., § 394 AO Rz. 8; Klaproth in Schwarz/Pahlke, § 394 AO Rz. 1.
[3] Vgl. BT-Drucks. V/1981, 199; BT-Drucks. V/1812, 33.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.08.2019
[5] Vgl. Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt62, § 431 StPO Rz. 1.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.08.2019
[7] So zutreffend Thode, NStZ 2000, 62 (67); einschränkend hingegen Hellmann in HHSp., § 394 AO Rz. 13 f.; sowie Hellmann, ZfZ 2000, 2 (4 f.) für den Fall eines nach vorheriger Belehrung erklärten Verzichts des Eigentümers auf den Gegenstand; vgl. dazu auch BGH v. 16.7.1965 – 6 StE 1/65, BGHSt 20, 253 (256 f.).

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