Eine Vergütungsabrede ist sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und weitere Umstände hinzutreten, welche die Sittenwidrigkeit begründen, insbesondere etwa eine verwerfliche Gesinnung oder die Ausbeutung der schwierigen Lage oder Unerfahrenheit für das eigene unangemessene Gewinnstreben. Ist eine vereinbarte Vergütung derart hoch, dass sie sittenwidrig, insbesondere wucherisch (§ 138 Abs. 2 BGB) ist, ist die Vereinbarung insgesamt nichtig.

Überschreiten der gesetzlichen Gebühren keine ausreichende Vergleichsgrundlage

Die Partei, die sich auf die Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung beruft, trägt regelmäßig die Darlegungs- und Beweislast. Bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht allerdings eine Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung. Liegt die Diskrepanz unterhalb der für das besonders grobe Missverhältnis festgelegten Grenze, liegt nur ein auffälliges Missverhältnis vor, das keine Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung begründet.

Die gesetzlichen Gebühren allein sind vielfach keine ausreichende Vergleichsgrundlage für ein den Schluss auf eine Sittenwidrigkeit ermöglichendes Missverhältnis, weil sie nicht in allen Fällen die marktangemessene, adäquate Vergütung für die aufgrund eines konkreten Mandats geschuldete Leistung (eines Rechtsanwalts) abbilden sollen, sondern auf einer anderen Grundlage festgesetzt werden. Deshalb genügt für sich genommen auch das mehrfache Überschreiten der gesetzlichen Gebühren nicht, um den Schluss auf ein auffälliges oder gar besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung i. S. d. § 138 BGB ziehen zu können. Anders ist dies nur, wenn aufgrund der Höhe der gesetzlichen Gebühren im Allgemeinen davon ausgegangen werden muss, dass sie auch den erforderlichen Aufwand angemessen vergüten.

Nicht sittenwidriges, aber unangemessenes Honorar

Das von einem Rechtsanwalt vereinbarte Honorar ist unangemessen hoch, wenn er sich ein Honorar versprechen lässt, das unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr einem sachgerechten Interessenausgleich entspricht. Das wird vermutet, wenn das Honorar (in einer zivilrechtlichen Streitigkeit) die gesetzlichen Gebühren um mehr als das 5-fache übersteigt. Diese Vermutung führt dazu, dass der Rechtsanwalt darlegen und beweisen muss, dass und in welchem Umfang das vereinbarte Honorar für das konkrete Mandat doch angemessen ist.

 
Hinweis

Voraussetzungen für eine sittenwidrige und eine unangemessen hohe Vergütung nicht gleichzusetzen

Die Voraussetzungen für eine i. S. d. § 138 BGBsittenwidrig überhöhte Vergütung und eine unangemessen hohe Vergütung sind nicht gleichzusetzen. Vielmehr bestehen sowohl in den Rechtsfolgen als auch in den tatsächlichen Voraussetzungen Unterschiede.

Ist die vereinbarte Vergütung sittenwidrig, so ist die Honorarabrede nichtig; es besteht nur ein Anspruch auf die gesetzlichen Gebühren. Ist das vereinbarte Honorar dagegen unangemessen hoch, ist es nach § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG auf den angemessenen Betrag herabzusetzen.

Während die Frage, ob ein grobes Missverhältnis zwischen Vergütung und Leistung besteht, im Rahmen der Sittenwidrigkeit nach den objektiv marktangemessenen Preisen zu bestimmen ist, sind für die angemessene Höhe des Honorars nach § 3a Abs. 2 RVG die Maßstäbe des Markts nicht der ausschlaggebende Bezugspunkt.

In tatsächlicher Hinsicht richtet sich die Frage, ob eine vereinbarte Vergütung sittenwidrig ist, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Zu einem Missverhältnis zwischen dem objektiven Wert der wechselseitigen Leistungen, für das die Überschreitung der gesetzlichen Gebühren für sich allein grundsätzlich nicht ausreicht, müssen danach weitere, die Sittenwidrigkeit begründende Umstände hinzutreten. Hingegen ist für § 3a Abs. 2 RVG auf den Zeitpunkt der Beendigung des Mandats abzustellen. Beträgt das vereinbarte Honorar mehr als das 5-fache der gesetzlichen Gebühren, folgt daraus eine Vermutung für die Unangemessenheit des Honorars, die der Rechtsanwalt widerlegen kann. Dies erfordert – wie auch § 14 Abs. 1 RVG zeigt – eine Würdigung, die neben dem für das konkrete Mandat erforderlichen Aufwand weitere Umstände berücksichtigt. Eine Honorarvereinbarung kann danach zwar das Sittengesetz nicht verletzen, gleichwohl aber zu einem unangemessen hohen Honorar führen (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 10.11.2016, IX ZR 119/14, AnwBl 2017, S. 208, m. w. N.).

Diese Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit bzw. (Un-)Angemessenheit einer anwaltlichen Vergütung und deren Herabsetzung ist auf das Berufsrecht der Steuerberater nach ganz h. M. übertragbar (vgl. Wacker, Geschäftsführer der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe, DStR 2017, S. 519, m. w. N.).

Autor: Dipl.-Finw. Werner Becker, Namborn

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