Rz. 22

Die Höhe der Vorauszahlungen soll nach der Grundregel des § 37 Abs. 1 S. 1 EStG der ESt entsprechen, die der Stpfl. im laufenden Vz voraussichtlich schulden wird. Das würde bedeuten, die Besteuerungsgrundlagen für das laufende Jahr zu schätzen. Da eine solche Schätzung jedoch mit erheblichen Unsicherheitsfaktoren belastet ist, bedient sich das Gesetz einer anderen Lösung. Nach § 37 Abs. 3 S. 2 EStG bemessen sich die Vorauszahlungen grundsätzlich nach der ESt, die sich nach Abzug der Steuerabzugsbeträge bei der letzten Veranlagung ergeben hat.[1] Soweit das Einkommen und die übrigen Besteuerungsgrundlagen keinen größeren Schwankungen unterliegen, stimmt die festgesetzte Steuer in etwa auch mit der Steuer des Vorauszahlungszeitraums überein. Nach § 37 Abs. 3 S. 4ff. EStG werden bestimmte Abzüge, die bei der Veranlagung die Bemessungsgrundlage mindern, für Vorauszahlungszwecke nicht abgesetzt. Die Steuerschuld für die Vorauszahlungen ist daher aus diesem Grund regelmäßig höher, als die sich bei der Veranlagung ergebende Steuerschuld.

 

Rz. 22a

Die letzte Veranlagung ist nicht in jedem Fall die Veranlagung für den dem Vorauszahlungsjahr vorangegangenen Vz, sondern die letzte tatsächlich durchgeführte Veranlagung.[2] Es kann sich daher auch um eine Veranlagung für einen weiter zurückliegenden Vz handeln. Andererseits ist, entsprechend dem Zweck der Vorschrift, aus der Vergangenheit Folgerungen für die Zukunft zu ziehen, nicht in jedem Fall die letzte durchgeführte Veranlagung, sondern die letzte Veranlagung für den jüngsten Vz heranzuziehen.

 
Praxis-Beispiel

Grundlage für die Bemessung der Vorauszahlungen

Veranlagt sind die Vz 05 bis 07. Danach wird die Veranlagung für das Jahr 06 geändert. Grundlage für die Bemessung der Vorauszahlungen für den Vz 09 ist nicht die Änderungsveranlagung für 06, sondern die davor erfolgte Veranlagung für 07, weil sie den zeitnäheren Vz betrifft.

 

Rz. 23

Die gesetzliche Regelung enthält somit als Ausgangspunkt die Typisierung, dass die zeitnächste Veranlagung eines zurückliegenden Vz i. d. R. die sicherste Basis für eine Schätzung der ESt des laufenden Vz bildet. In der Praxis dürfte diese Typisierung allerdings nur selten den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werden. Betriebliche Einkünfte schwanken regelmäßig sehr stark, andere Einkünfte, insbesondere Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, haben in der Vergangenheit eine steigende Tendenz gezeigt. Auch die Geldentwertung hat zumindest in der Vergangenheit zur Steigerung der Nominaleinkünfte geführt. Trotzdem ist das Anknüpfen an die letzte Veranlagung in Anbetracht der Schwierigkeiten einer Schätzung im jeweiligen Einzelfall als angemessen anzusehen.

 

Rz. 23a

Werden Vorauszahlungen festgesetzt, ist der Ausgangspunkt für die Bemessung gem. § 37 Abs. 3 S. 2 EStG insoweit zwingend festgelegt, als das FA das Ergebnis der letzten Veranlagung als Ausgangspunkt nehmen muss, ihm insoweit also kein Ermessensspielraum zusteht. Andererseits können im Zeitpunkt der Festsetzung der Vorauszahlungen vorhandene Erkenntnisse über die Entwicklung des Einkommens im laufenden Vz zur Korrektur dieses Ausgangswerts herangezogen werden. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetz, wohl aber aus dem Sinn des Gesetzes und folgt aus dem Wortlaut "grundsätzlich". Wenn diese besseren Kenntnisse zu Erhöhungen oder Herabsetzungen bereits festgesetzter Vorauszahlungen führen können, dann müssen sie auch bei der erstmaligen Festsetzung der Vorauszahlungen verwertet werden dürfen. So wird etwa bei einer Insolvenz des Stpfl. regelmäßig keine Festsetzung von Vorauszahlungen mehr in Betracht kommen.[3] Hierfür sind die Regeln über die Anpassung der Vorauszahlungen anzuwenden (Rz. 57ff.); die erstmalige Festsetzung hat dann den Charakter einer "vorgezogenen Anpassung". Im Zweifel ist jedoch davon auszugehen, dass im laufenden Jahr dieselben Verhältnisse vorliegen wie in dem der letzten Veranlagung. Will die Finanzbehörde die Vorauszahlungen höher festsetzen, trägt sie die Darlegungslast, sollen sie niedriger festgesetzt werden, trägt der Stpfl. die Darlegungslast für die Änderung der Verhältnisse.[4]

 

Rz. 24

Sind die Vorauszahlungen nach § 37 Abs. 3 S. 2 EStG (erstmalig) festgesetzt worden und ergeht dann ein "zeitnäherer" Bescheid über einen vorangegangenen Vz, sind die Vorauszahlungen aufgrund dieses zeitnäheren Bescheids neu festzusetzen, soweit die Kleinbetragsgrenzen des § 37 Abs. 5 S. 2 EStG überschritten sind (Rz. 21). Es handelt sich hierbei nicht um eine Anpassung der Vorauszahlungen nach § 37 Abs. 3 S. 3 EStG, da nicht die voraussichtliche ESt des laufenden Vz, sondern die festgesetzte ESt des letzten veranlagten Vz die Grundlage der Bemessung bildet.[5] Bedeutung hat diese Frage, weil die Anpassung nach § 37 Abs. 3 S. 3 EStG im Ermessen der Verwaltung steht, die Bemessung nach § 37 Abs. 3 S. 2 EStG jedoch nicht.

 

Rz. 25

Wird die Steuerpflicht erst im Lauf eines Vz begründet, kann nicht auf die Verhältnisse eines Vorjahres zurückgegriffen werden...

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