Rz. 10

Das Abgeltungsprinzip gilt nach dem Gesetzeswortlaut des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG dann nicht, wenn die steuerabzugspflichtigen Einkünfte in einem inl. gewerblichen oder einem inl. land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb anfallen. Unterhält eine beschränkt stpfl. Körperschaft eine inl. Betriebsstätte, zu deren Betriebsvermögen Anteils- oder Forderungsrechte mit steuerabzugspflichtigen Einkünften unter funktionalen Gesichtspunkten zuzuordnen sind, zählen diese Einkünfte zum Betriebsstättengewinn und sind in die Veranlagung einzubeziehen. Entsprechendes gilt, wenn steuerabzugspflichtige Einkünfte in einem stpfl. Betrieb gewerblicher Art einer inl. juristischen Person des öffentlichen Rechts anfallen.

 

Rz. 11

Damit die Ausnahme greift, muss eine Betriebsstätte nach nationalem Recht i. S. d. § 12 AO vorliegen, die Bestellung eines inl. ständigen Vertreters genügt hingegen nicht. Dieser begründet zwar nach Art. 5 Abs. 5, 6 OECD-MA für den Geschäftsherrn eine Betriebsstätte, nicht aber nach inl. Recht einen Betrieb bzw. eine Betriebsstätte. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG ist nach nationalem Recht auszulegen. DBA-Recht findet insoweit keine Anwendung, weil es sich um eine Frage des innerstaatlichen Verfahrensrechts (keine Veranlagung) handelt. Sofern eine gewerblich geprägte Personengesellschaft im Inland betrieben wird, ist die innerstaatliche Fiktion gewerblicher Einkünfte indessen ausreichend, um die Abgeltungswirkung zu suspendieren.[1]

Mit anderen Worten unterliegen Einkünfte, die über eine gewerblich geprägte Personengesellschaft erzielt werden, der Ausnahme des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG, sodass diese Einkünfte grundsätzlich in ein Veranlagungsverfahren aufzunehmen sind.[2]

 

Rz. 12

Liegt bei Bestehen eines DBA zwar nach § 12 AO eine Betriebsstätte vor, nicht aber gem. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA, weil es sich um Hilfs- oder Nebentätigkeiten handelt, ist Abs. 1 Nr. 2 zwar dem Grunde nach anwendbar. Die Vorschrift geht aber ins Leere, da Deutschland mangels einer inl. Betriebsstätte i. S. d. DBA kein Besteuerungsrecht zusteht und es folglich auch nicht zu einer Veranlagung kommen kann, sich die Frage des Ausschlusses der Abgeltungswirkung mithin nicht stellt. Die erhobene Abzugsteuer wird in diesem Fall definitiv.

 

Rz. 12a

Dasselbe gilt auch dann, sofern die Einkünfte zwar im formellen Zusammenhang mit einer inländischen Betriebsstätte erzielt werden, materiell aufgrund der Geltung des Veranlassungsprinzips aber einer ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind.[3]

In einem derartigen Fall (z. B. Erzielung von Dividendeneinkünften im Gesamthandsvermögen einer gewerblich geprägten Personengesellschaft eines ausländischen Gesellschafters, der in dem ausländischen Sitzstaat eine unternehmerische Tätigkeit entfaltet, der die Gewinnausschüttungen unter Beachtung des Veranlassungsprinzips zuzurechnen sind) greift die Ausnahmeregelung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG mangels Anfallens der Einkünfte in einem inländischen gewerblichen Betrieb nicht. Derartige Einkünfte sind dann aufgrund der funktionalen Zuordnung zur ausländischen Betriebsstätte im ausländischen Staat angefallen. Etwaig erhobene Quellensteuern sind dann definitiv.

 

Rz. 12b

Werden Einkünfte über eine gewerblich geprägte Personengesellschaft erzielt und sind dieser auch nach dem Veranlassungsprinzip zuzuordnen, besteht aber gleichzeitig ein DBA mit dem Staat, in dem der betroffene Gesellschafter ansässig ist, liegen abkommensrechtlich keine Unternehmensgewinne vor.[4]

In diesem Fall ist zu prüfen, ob Deutschland ein (ggf. beschränktes) Besteuerungsrecht nach dem dann jeweils einschlägigen DBA-Artikel zusteht oder nicht. Beispielsweise besteht bei Dividendeneinkünften typischerweise ein beschränktes Besteuerungsrecht, das eine Obergrenze der Besteuerung der Höhe nach bestimmt.[5] Dessen ungeachtet dürften betroffene Steuerpflichtige dennoch ein Veranlagungsverfahren beantragen und die Erstattung der (gem. DBA rechtmäßig) einbehaltenen (reduzierten) Quellensteuer einfordern, da die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Ausübung des Besteuerungsrechts ungeachtet der Zuordnung des Besteuerungsrechts anzuwenden ist. Entscheidend ist insoweit, dass die Geschäftsleitung in Deutschland befindlich ist, damit ein inländischer Betrieb vorliegt, und dass die Einkünfte funktional dem inländischen Betrieb zuzurechnen sind.

 

Rz. 12c

Da der BFH für Zwecke der Anwendung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG auf einen inländischen Gewerbebetrieb nach nationalen Maßstäben abstellt, gilt die Suspendierung der Abgeltungswirkung unter den weiteren genannten Voraussetzungen nicht lediglich für gewerblich geprägte Personengesellschaften, sondern für sämtliche Personengesellschaften, die gewerbliche Einkünfte erzielen. Hierunter fallen namentlich auch solche Gesellschaften, die aufgrund einer Gewerblichkeitsfiktion einen Gewerbebetrieb darstellen, z. B. im Rahmen einer Betriebsaufspaltung, bei gewerblicher Infektion oder auch für atypisch stille Gesellschaften.[6]

 

Rz. 13

Damit die Einkünfte der inl. Betriebsstätte bz...

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