a) Verfassungsbindung und gerichtliche Kontrolle

 

Rz. 13

[Autor/Stand] Der Landesgesetzgeber ist bei der Abweichungsgesetzgebung (natürlich) auch an die Vorgaben der jeweiligen Landesverfassung gebunden. Deren Einhaltung kann aufgrund der einschlägigen Verfahrensarten des Landesrechts (Normenkontrolle, Verfassungsbeschwerde) von dem zuständigen Landesverfassungsgericht überprüft werden. Einzigartig in Deutschland ist dabei das Instrument der Popularklage in Bayern (Art. 98 Satz 4 BV)[2], wonach jedermann die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes durch Beschwerde beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) geltend machen kann (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Darauf gestützt ist bereits eine Popularklage gegen das BayGrStG anhängig. Die landesverfassungsrechtlichen Grundrechte überschneiden sich mit den Grundrechten des Grundgesetzes, an die auch der Landesgesetzgeber gebunden ist (vgl. Art. 1 Abs. 3 und Art. 142 GG; s. Rz. 12). Allerdings können die Vorgaben und die Kontrolldichte des allgemeines Gleichheitssatzes der Landesverfassung von Art. 3 Abs. 1 GG abweichen.[3] Insoweit ist der gleichheitsrechtliche Schutzgehalt nicht zwingend deckungsgleich.

b) Landesspezifische Vorgaben

 

Rz. 14

[Autor/Stand] Im Gegensatz zu den nur mittelbaren Vorgaben des Grundgesetzes (in Art. 105 f. GG, Art. 3 Abs. 1 GG) enthalten einzelne Landesverfassungen ausdrückliche Vorgaben für die Ausgestaltung des Steuersystems.[5] Exemplarisch sollen die Bindungen des Gesetzgebers nach Art. 123 BV aufgezeigt werden, weil diese Vorschrift bereits gegen die Grundsteuerreform in Bayern aktiviert wird[6] und sich auch andere Landesverfassungen und ihre Auslegung daran orientieren (so zu Art. 47 HV s. LGrStG Hessen Rz. 56 ff.). Art. 123 Abs. 1 BV enthält das objektive Prinzip der Steuergerechtigkeit[7] und statuiert mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip ein zentrales Postulat der Steuergerechtigkeit und das grundlegende Steuerverteilungsprinzip des sozialen Rechtsstaats.[8] Die Norm präzisiert den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip als bereichsspezifischer Ausprägung.[9] Nach der Rechtsprechung des Bayerischen VfGH bezieht sich die Verfassungsnorm des Art. 123 Abs. 1 BV aber "nur auf Personalsteuern, die es gestatten, persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen".[10] Die Anwendung des Art. 123 Abs. 1 BV ist dagegen bei Steuern ausgeschlossen, wenn sie ihrer Natur nach allein nach objektiven Merkmalen bemessen werden, wie z.B. Realsteuern.[11] Demnach ist der sachliche Anwendungsbereich des Leistungsfähigkeitsprinzips nach der Rechtsprechung des Bayerischen VfGH bei der Grundsteuer als Realsteuer nicht eröffnet.[12] Darum besteht keine landesverfassungsrechtliche Verbindlichkeit für den bayerischen Gesetzgeber, die Grundsteuer strikt am Leistungsfähigkeitsprinzip auszurichten. Auch nach der parallelen Vorgabe des Art. 47 HV besteht kein landesrechtlicher Verfassungsauftrag, die Grundsteuer am Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten (s. LGrStG Hessen Rz. 57 f.).

[Autor/Stand] Autor: Drüen, Stand: 01.11.2022
[2] Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern6, 2020, Art. 98 Satz 4 Rz. 1.
[3] Explizit für Bayern Schmidt am Busch in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaats Bayern6, 2020, Art. 118 Rz. 26 ff.; Lindner in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaats Bayern2, 2017, Art. 118 Rz. 49 ff., 53 ff., 60, 61 ff. m.w.N.
[Autor/Stand] Autor: Drüen, Stand: 01.11.2022
[5] Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaats Bayern2, 2017, Art. 123 Rz. 4.
[6] Dafür Schmidt, DStR 2020, 249 (256).
[7] Stettner in Nawiasky/Leusser/Schweiger, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 118 Rz. 21.
[8] Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaats Bayern2, 2017, Art. 123 Rz. 5 m.w.N.; Holzner, Verfassung des Freistaats Bayern, 2014, Art. 123 Rz. 3 m.w.N.
[9] Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaats Bayern2, 2017, Art. 123 Rz. 1; Holzner, Verfassung des Freistaats Bayern, 2014, Art. 123 Rz. 9.
[10] Bay. VfGH v. 4.4.1950 – Vf. 157-VII-49, Vf. 206-VII-49, VerfGHE BY 3, 15 (26); Bay. VfGH v. 6.3.1981 – Vf. 8-VII-79, VerfGHE BY 34, 31 (39).
[11] Holzner, Verfassung des Freistaats Bayern, 2014, Art. 123 Rz. 3, 6; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaats Bayern2, 2017, Art. 123 Rz. 5 m.w.N.; Zacher in Nawiasky/Leusser/Schweiger, Die Verfassung des Freistaates Bayern2, Art. 123 Rz. 2.
[12] Dies einräumend auch Schmidt, DStR 2020, 249 (256).

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