Entscheidungsstichwort (Thema)

Unpfändbare Gegenstände im Insolvenzverfahren, kein Pfändungsschutz für Einkommensteuererstattung

 

Leitsatz (amtlich)

Steuererstattungsansprüche sind kein Arbeitseinkommen des Schuldners mit der Folge, dass diese uneingeschränkt in die Insolvenzmasse fallen, da auch die Pfändungsschutzbestimmungen der §§ 850 ff. ZPO i.V.m. § 36 Abs. 1 InsO keine Anwendung finden. Auch Steuerbescheide, die ausschließlich Einkünfte des Schuldners aus nichtselbständiger Arbeit zum Gegenstand haben, sind nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens bis zum Beginn der Wohlverhaltensperiode dem Treuhänder gegenüber in dessen Eigenschaft bekannt zugeben.

 

Normenkette

AO § 37 Abs. 1, § 122 Abs. 1, § 218 Abs. 2 S. 2, § 226 Abs. 1; ZPO § 850 Abs. 2-4, § 850c; InsO § 36 Abs. 1, § 90 Abs. 1, § 292 Abs. 1, § 313 Abs. 1

 

Tatbestand

Über das Vermögen des Herrn B wurde am 18. Juni 2003 vom Amtsgericht M das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet (Az.: 7 IK .../03). Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Eine Aufhebung des Insolvenzverfahrens ist bislang noch nicht erfolgt.

Die Klägerin ist die Treuhänderin als Vermögensverwalterin nach § 34 Abs. 3 der Abgabenordnung -AO- im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn B. Dieser war gem. § 25 des Einkommensteuergesetzes -EStG- für das Kalenderjahr 2004 zur Einkommensteuer veranlagt worden. In seiner am 29. August 2005 beim Finanzamt K eingereichten Einkommensteuererklärung 2004 hatte Herr B lediglich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärt. Der Jahresbruttolohn hatte demnach 14.946 € betragen. Davon hatte der Arbeitgeber Lohnsteuern in Höhe von 748,22, Solidaritätszuschlag von 9.59 € und Kirchenlohnsteuer von 67,27 € einbehalten. Der Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag war in der Lohnbescheinigung mit 3.138,35 € angegeben worden. Zur Zustellvertreterin hatte Herr B die Klägerin benannt. Die Veranlagung hatte bei der Einkommensteuer 2004 zu einem Guthaben in Höhe von 38,00 €, bei der Kirchensteuer (rk) zu einem Guthaben in Höhe von 3,28 € und beim Solidaritätszuschlag zu einem Guthaben in Höhe von 9,59 € geführt. Der Einkommensteuerbescheid vom 18. November 2005 war der Klägerin als Zustellvertreterin bekannt gegeben worden.

Mit dem Guthaben rechnete der Beklagte eine offene Steuerforderung zur Einkommensteuer 1989 auf. Diese hatte eine Insolvenzforderung dargestellt, die von der Klägerin am 10. September 2003 zur Tabelle festgestellt worden war. Der Beklagte behandelte die Erstattungsforderung aus der Einkommensteuerveranlagung 2004 als insolvenzfreies Vermögen; er begründete das damit, dass der ursächlich in Zusammenhang stehende Arbeitslohn wegen seiner geringen Höhe in voller Höhe unpfändbar und damit nicht in die Insolvenzmasse gefallen sei. Der für Pfändungszwecke zu ermittelnde Nettoarbeitslohn errechnete sich auf jährlich 10.982 € (Bruttolohn 14.946 € vermindert um die einbehaltenen Abzugsbeträge von 825,08 € und den Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung von 3.138,35 €). Da das Arbeitsverhältnis im gesamten Kalenderjahr 2004 bestanden hatte, errechnete der Beklagte hieraus einen durchschnittlichen Monatsnettolohn von 915 € (1/12 von 10.982 €). Nach der für 2004 geltenden Rechtslage der §§ 850 c ff der Zivilprozessordnung -ZPO- waren Lohnanteile bis 939,99 € bei nicht vorhandenen Unterhaltspflichten pfändungsfrei.

Die Klägerin wandte sich gegen die Aufrechnung unter Hinweis auf das laufende Insolvenzverfahren. Darauf hin erließ der Beklagte am 8. März 2006 den streitbefangenen Abrechnungsbescheid.

Hiergegen legte die Klägerin mit der Begründung Einspruch ein, dass der Erstattungsanspruch als Insolvenzforderung an die Insolvenzmasse auszuzahlen sei. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 12. Januar 2006 - IB ZB 239/04, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht -ZInsO- 2006, 139, gehöre der Anspruch auf Erstattung der Einkommensteuerzahlungen zur Insolvenzmasse, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor oder während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei. Des Weiteren verwies die Klägerin darauf, dass der Anspruch auf Erstattung überzahlter Lohnsteuer zwar seinen materiellen Ursprung insofern in dem Arbeitslohn habe, als zum Arbeitslohn auch die Lohnsteuer gehöre, die der Arbeitgeber gem. § 38 EStG einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen habe. Bei einer Rückerstattung überzahlter Lohnsteuer verliere der Erstattungsanspruch allerdings nicht seinen öffentlich - rechtlichen Charakter. Er würde nicht wieder zu Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer aus seiner Arbeits- bzw. Dienstleistung zustehe. Zudem seien auch die Aufrechnungsverbote des § 96 der Insolvenzordnung -InsO- zu beachten. Der Beklagte habe hiernach unzulässigerweise vor Insolvenzeröffnung begründete Steuerforderungen mit danach begründeten Erstattungen verrechnet.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 24. Oktober 2006als unbegründet zurück und verwies darin, dass er zu Recht die Frage der Zulässigkeit ...

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