Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für eine nochmalige Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts wegen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. a) Im gerichtlichen Aussetzungsverfahren kann nach § 69 Abs. 6 S. 2 FGO jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. "Umstände" in diesem Sinne können Tatsachen und Beweismittel sein, die nach Ablehnung der AdV entstanden oder bekannt geworden sind. Dasselbe gilt, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage inzwischen höchstrichterlich (anders) entschieden worden oder inzwischen ein die entscheidungserhebliche Rechtsfrage betreffender Vorlagebeschluss ergangen ist.

b) Die Entscheidung im AdV-Verfahren ergeht aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten und den präsenten Beweismitteln ergibt

  • Die Einstellung eines Steuerstrafverfahrens ist kein neues Beweismittel, sondern das Ergebnis einer Beweis- und rechtlichen Würdigung.
  • Ein Zeuge ist kein präsentes Beweismittel.

2. Eine nochmalige Entscheidung über eine Aussetzung der Vollziehung von Amts wegen nach § 69 Abs. 6 S. 1 FGO ist nur bei einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten möglich.

 

Normenkette

FGO §§ 68, 69 Abs. 6 Sätze 1-2

 

Tatbestand

I.

Streitig ist in der Hauptsache die Kürzung des Vorsteuerabzugs aufgrund der Ergebnisse einer Fahndungsprüfung.

Die Antragstellerin ist eine GmbH, die im Kraftfahrzeughandel tätig war. Wollte ein im EU-Ausland ansässiger Unternehmer ein Fahrzeug von einem deutschen Unternehmer erwerben, der deutsche Unternehmer aber nicht innergemeinschaftlich liefern, bot sich die Antragstellerin gegen eine Provision als Zwischenhändlerin an und traf mit den Beteiligten Vereinbarungen, die dazu führen sollten, dass eine steuerpflichtige Lieferung des inländischen Verkäufers an die Antragstellerin und eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung von der Antragstellerin an den ausländischen Erwerber vorlagen. Die Verkäufer behielten sich das Eigentum an den Fahrzeugen bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises vor. Die Antragstellerin schloss noch vor der Zahlung des Kaufpreises und der Abholung der Fahrzeuge beim Verkäufer Kaufverträge mit den Erwerbern, in denen sie erklärte, dass die Fahrzeuge in ihrem Eigentum stünden, und beauftragte danach regelmäßig die Erwerber, die Fahrzeuge bei dem Verkäufer abzuholen und den Kaufpreis in bar zu bezahlen. In ihrer Umsatzsteuererklärung 2014 berücksichtigte sie - neben anderen, im einstweiligen Rechtsschutz nicht mehr streitigen Vorsteuerbeträgen - xxx.xxx € Vorsteuer aus Eingangsrechnungen über die Lieferung von zwanzig Fahrzeugen, für die Ausgangsrechnungen über steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an drei Firmen in Ungarn (A Kft, 1), der Slowakei (B., 2) und Tschechien (C., 3) vorliegen, die alle vom gleichen Geschäftsführer (Herrn D) vertreten wurden. Neben den Belegen für eine Lieferkette unter Beteiligung der Antragstellerin gibt es für diese Fahrzeuge auch Belege über eine andere, davon unabhängige Lieferkette, die überwiegend beim Hersteller beginnt und etwas früher als die Lieferkette unter Beteiligung der Antragstellerin ebenfalls zu einer der drei genannten Firmen führt. Die Umsatzsteuererklärung 2014 wirkte nach Zustimmung des Antragsgegners (des Finanzamts) als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung. Die Antragstellerin stellte ihren Geschäftsbetrieb vor mehreren Jahren ein und verfügt derzeit über kein nennenswertes Vermögen.

Am 27.10.2017 erließ das Finanzamt für die Antragstellerin aufgrund einer Fahndungsprüfung einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2014, in dem es den zuvor gewährten Vorsteuerabzug kürzte, da die Antragstellerin lediglich Vermittlerin gewesen sei und keine Lieferungen empfangen und ausgeführt habe. Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Am 19.12.2017 beantragte die Antragstellerin bei dem erkennenden Gericht erstmals die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des aufgrund der Fahndungsprüfung geänderten Umsatzsteuerbescheids für 2014. Diesen Antrag begründete sie unter anderem mit Schriftsatz vom 22.01.2018, in dem sie mitteilte, dass ihr der Ermittlungsbericht der Steuerfahndung vorliege, und zu dem Bericht Stellung nahm. Mit Beschluss vom 12.04.2018 2 V 1572/17 gewährte der Senat die begehrte AdV in Höhe eines Teilbetrags und lehnte sie im Übrigen - in Höhe eines Teilbetrags von xxx.xxx € - ab, da er bei summarischer Betrachtung keine ernstlichen Zweifel hatte, dass den vorgenannten zwanzig Eingangsrechnungen kein tatsächlicher Leistungsaustausch zugrunde lag. Ein ebenfalls aufgrund der Fahndungsprüfung eingeleitetes Steuerstrafverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin wurde in der Folge eingestellt. Einen erneuten Antrag auf AdV in Höhe des vom Senat nicht ausgesetzten Teilbetrags lehnte das Finanzamt ab. Die Antragstellerin b...

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