Entscheidungsstichwort (Thema)

vGA durch inkongruente Gewinnausschüttungen?

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Zivilrechtlich wirksame inkongruente Gewinnausschüttungen sind keine vGA und führen somit nicht zu Kapitaleinkünften.

2) Ein von der Satzung abweichender, punktuell einen Einzelfall regelnder Gewinnverteilungsbeschluss ist auch ohne Änderung der Satzung zivilrechtlich wirksam.

 

Normenkette

GmbHG § 53 Abs. 2, § 54; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.09.2022; Aktenzeichen VIII R 20/20)

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten der Ansatz von Einkünften aus Kapitalvermögen bei dem Kläger aufgrund sog. inkongruenter Gewinnausschüttungen.

Die Kläger wurden in den Streitjahren 2012 bis 2015 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war in diesen Jahren mit einer Beteiligung von 50 % Gesellschafter und Geschäftsführer der A GmbH. Die andere Gesellschafterin der A GmbH war die B GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer wiederum der Kläger war.

Über die Verwendung des Gewinns sollten die Gesellschafter der A GmbH durch Gesellschafterbeschluss entscheiden (§ 17 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags in der –lediglich hinsichtlich des § 9 geänderten– Fassung vom 30.11.2012). Für die Gewährung und die Entnahme von Vorschüssen auf die voraussichtlichen Jahresgewinnansprüche während eines laufenden Geschäftsjahres bedurfte es jeweils vorheriger –mit einfacher Mehrheit getroffener– Beschlüsse der Gesellschafter, die nur rechtsgültig sein sollten, sofern die Vorschüsse nicht zu einer Minderung des Stammkapitals führen konnten (§ 17 Abs. 3 Sätze 1 und 2 des Gesellschaftsvertrags). Wegen seines weiteren Inhalts wird auf den Gesellschaftsvertrag Bezug genommen.

In den Jahren 2012 bis 2015 beschloss die Gesellschafterversammlung diverse Vorabgewinnausschüttungen in insgesamt der folgenden Höhe:

2012:

1.400.000 €

2013:

1.450.000 €

2014:

2.550.000 €

2015:

3.400.000 €

Über die vorgenannten Beträge wurde nicht jedes Jahr einmalig, sondern durch mehrere Gesellschafterbeschlüsse entschieden. Diese hatten jeweils folgenden Wortlaut:

„Gesellschafterbeschluss der A GmbH

vom

[Datum]

Das Gesellschaftskapital hat sich unter Verzicht auf Form und Fristen am [Datum] in den Räumen des Steuerberaters … getroffen. Das Gesellschaftskapital war zu 100 % durch die B GmbH vertreten.

Einziger Tagesordnungspunkt war die Vorabausschüttung an die

B GmbH.

Der Gesellschafter hat beschlossen, dass eine Zahlung in Höhe von

[Betrag in €]

zum

[Datum]

geleistet wird.” Die Gesellschafterbeschlüsse tragen jeweils die Unterschrift des Klägers, der für die B GmbH unterzeichnete.

Die Vorabgewinnausschüttungen flossen entsprechend den Beschlüssen unmittelbar vollständig an die B GmbH.

Zunächst berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) diese Sachverhalte bei der Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2012 bis 2015 nicht. Ausgehend von ihrer Rechtsauffassung hatten die Kläger aufgrund der Vorabgewinnausschüttungen an die B GmbH für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2015 keine Kapitaleinkünfte des Klägers erklärt. Auch im Übrigen ergeben sich aus den Einkommensteuererklärungen der Kläger keine Hinweise auf derartige Kapitaleinkünfte.

Im Rahmen einer nachfolgenden Betriebsprüfung bei der A GmbH qualifizierte der Prüfer die alleinigen Ausschüttungen an die B GmbH als disquotale (inkongruente) Gewinnausschüttungen, die zu jeweils ½ dem Kläger und der B GmbH zuzurechnen seien. Gemäß dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 17.12.2013, BStBl I 2014, 63 ff., setze die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung zunächst einen handelsrechtlich wirksamen Ausschüttungsbeschluss voraus. Nach § 29 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) erfolge die Verteilung des von der A GmbH erzielten Gewinns nach dem Verhältnis der von ihnen gehaltenen Anteile. Abweichend hiervon sei eine disquotale Gewinnausschüttung nach Satz 2 dieser Vorschrift zulässig, wenn dies im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich zugelassen sei. Im Gesellschaftsvertrag seien in §§ 12, 17 nur Regelungen zur Gewinnverwendung, nicht aber zur Gewinnverteilung enthalten. Zwar könne eine disquotale Gewinnausschüttung auch dann anerkannt werden, wenn eine Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag enthalten sei, wonach alljährlich mit Zustimmung des beeinträchtigten Gesellschafters über eine von der satzungsgemäßen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden könne. Eine solche Änderung sei nach § 53 Abs. 2 GmbHG notariell zu beurkunden und nach § 54 Abs. 3 GmbHG in das Handelsregister einzutragen. Beides sei im vorliegenden Fall nicht erfolgt.

Die zivilrechtliche Wirksamkeit von Gewinnverteilungsbeschlüssen ohne entsprechende satzungsmäßige Absicherung, so der Prüfer weiter, werde unterschiedlich beurteilt. Nach überwiegender zivilrechtlicher Sicht sei von entscheidender Bedeutung, ob es sich um eine Satzungsdurchbrechung mit Dauerwirkung oder um eine punktuelle Satzungsdurchbrech...

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