Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung von Schätzungsbescheiden

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Umstand, dass das FA die Schätzungsbescheide nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen hat, führt nicht zur Nichtigkeit der Bescheide. So auch FG Nürnberg v. 29.7.2008, 2 K 1697/07.

 

Normenkette

AO § 162 Abs. 1 S. 1, § 355 Abs. 1 S. 1, § 358 S. 2, § 125 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) die Aufhebung ergangener Schätzungsbescheide für die Umsatzsteuer der Jahre 2005 und 2006 zu Recht abgelehnt hat.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Großhandel mit technischen Kunststoffen. Nachdem sie für die Streitjahre keine Steuererklärungen abgegeben hatte, setzte das FA die Umsatzsteuer für 2005 mit Bescheid vom 12. März 2007 auf 3.800 EUR und die Umsatzsteuer für 2006 mit Bescheid vom 4. April 2008 auf 14.200 EUR sowie einen Verspätungszuschlag von 500 EUR im Schätzungswege fest. Die Bescheide gingen als einfacher Brief zur Post und standen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Steuerbescheide sind mittlerweile bestandskräftig.

Am 21. November 2008 reichte die Klägerin die Umsatzsteuererklärung 2005 und am 11. Dezember 2008 die Umsatzsteuererklärung 2006 ein. Das FA wertete die Abgabe der Steuererklärungen als Antrag auf Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO), den es am 24. November 2008 ablehnte.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2009 beantragte die Klägerin beim FA, die Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre festzustellen, da sie ohne Vorbehalt der Nachprüfung ergangen seien und jeden Schätzungsrahmen sprengten. Dieser Antrag wurde vom FA mit Schreiben vom 4. März 2009 abgelehnt.

Die gegen die Ablehnungsschreiben vom 24. November 2008 und 4. März 2009 eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 6. August 2009 wies sie das FA als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass sie im Zeitraum 2004 bis Mitte 2007 steuerlich nicht vertreten gewesen und ihre finanzielle Lage sehr angespannt gewesen sei. Unter anderem habe ihr Gesellschafter immer wieder private Mittel, die er durch Privatdarlehen finanziert habe, in die Gesellschaft eingelegt.

Entgegen der üblichen Verwaltungsauffassung habe das FA die Schätzungen ohne den Vorbehalt der Nachprüfung durchgeführt. Das FA habe auch nicht beachtet, dass die Klägerin in den Streitjahren jeweils zutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen fristgerecht eingereicht habe. Es könne nicht hingenommen werden, dass das FA jeweils einen Sicherheitszuschlag von 14 % angesetzt habe. Darüber hinaus habe das FA die Vorsteuerbeträge nur in Höhe von jährlich 5.000 EUR geschätzt, obwohl in den Voranmeldungen für das Jahr 2005 ein Betrag von 7.700 EUR und im Jahr 2006 ein Betrag von 10.333 EUR geltend gemacht worden seien. Insgesamt habe das FA den zulässigen Schätzungsrahmen weit überzogen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 6. August 2009 die Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide vom 12. März 2007 sowie vom 4. April 2008 festzustellen und entsprechend der eingereichten Steuererklärungen die Umsatzsteuer 2005 und 2006 festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung und weist ergänzend darauf hin, dass auch eine etwaige formelle Fehlerhaftigkeit nicht zur Nichtigkeit der Schätzungsveranlagung führe. Sofern es entgegen innerdienstlicher Verwaltungsanweisungen die Bescheide ohne Vorbehalt der Nachprüfung erlassen habe, begründet dies keinen schwerwiegenden Mangel. Darüber hinaus habe das FA keine Willkür- oder Strafschätzung vorgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die Änderung der Umsatzsteuerveranlagung zu Recht abgelehnt. Da die Schätzungsbescheide nicht nichtig sind, sind sie bestandskräftig geworden.

Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln kann. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Erklärungspflichten nicht oder nicht fristgerecht nachkommt. Ein auf der Grundlage geschätzter Besteuerungsmerkmale ergehender Bescheid kann von dem Steuerpflichtigen grundsätzlich nur binnen Monatsfrist nach seiner Bekanntgabe angefochten werden. Anderenfalls erwächst er – wie in den Streitjahren – in Bestandskraft (§§ 355 Abs. 1 Satz 1, 358 Satz 2 AO).

Eine Änderung der Steuerbescheide zugunsten der Klägerin gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO ist ausgeschlossen, weil sie am nachträglichen Bekanntwerden der Besteuerungsgrundlagen ein grobe...

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