Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Überprüfung der Prüfungsentscheidung im Rahmen der Steuerberaterprüfung. Vernichtung der Prüfungsunterlagen (Aufzeichnungen und Vortragsskizze der Kandidatin). Befangenheit des Prüfers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Gericht kann Prüfungsentscheidungen im Rahmen der Steuerberaterprüfung im Wesentlichen nur daraufhin überprüfen, ob der Prüfungsausschuss allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verletzt hat, sich von sachfremden Erwägungen leiten ließ, von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist oder wesentliche Verfahrensbestimmungen außer Acht gelassen hat.

2. Der Umstand, dass die von einem Kandidaten während der mündlichen Prüfung gefertigten Aufzeichnungen und die Vortragsskizze nicht vorgelegt wurden bzw. nicht mehr vorgelegt werden konnten, begründet keinen Verfahrensverstoß. Ob diese Unterlagen dem Prüfling vorenthalten oder vernichtet werden durften, konnte im Streitfall offen bleiben.

3. Die nach dem Ende der Prüfung gefallene Äußerung eines Prüfers gegenüber einer Kandidatin, die die Prüfung nicht bestanden hat, diese könne als Volljuristin ohnehin Hilfe in Steuersachen leisten, rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit dieses Prüfers oder auch der gesamten Kommission.

 

Normenkette

StBerGDV §§ 26-27, 29

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.04.2011; Aktenzeichen VII R 5/10)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Leistungen der Klägerin in der mündlichen Steuerberaterprüfung rechtmäßig bewertet worden sind.

Antragsgemäß wurde die Klägerin zur Steuerberaterprüfung 2006 (2. Wiederholung) zugelassen. Wegen einer persönlichen Beeinträchtigung bei einer Aufsichtsarbeit wurde ihr die Möglichkeit gegeben, diese Aufsichtsarbeit nochmals im Rahmen der Steuerberaterprüfung 2007 zu wiederholen. Die Ergebnisse der beiden anderen Aufsichtsarbeiten aus dem Termin 2006 blieben bestehen.

In den drei schriftlichen Prüfungsarbeiten erzielte die Klägerin die Noten 4,5, 4,5 und 4,5. In der am 12. Februar 2008 durchgeführten mündlichen Prüfung erhielt sie für den Kurzvortrag die Note 3,5 und für die 6 Prüfungsabschnitte die Noten 4,5 (A, Berufsrecht/Internationales Steuerrecht), 4,0 (B, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung), 4,0 (C, GmbH-Recht, HGB), 4,5 (D, Einkommensteuer), 4,5 (E, Betriebswirtschaftslehre/Volkswirtschaftslehre, Einkommensteuer), 4,5 (F, Volkswirtschaftslehre, Abgabenordnung, Einkommensteuer).

Da sich hieraus eine Gesamtnote von 4,35 ergab, wurde der Klägerin eröffnet, dass sie die Prüfung nicht bestanden habe. Ausweislich der als Kopie zu den Gerichtsakten genommenen „Niederschrift über die mündliche Prüfung für Steuerberater 2007 am 12.2.2008, Zi-Nr. 37” hat der Vorsitzende des Prüfungsausschusses den nicht erfolgreichen Bewerberinnen – also auch der Klägerin – die Note im einzelnen erläutert und begründet. Eine Rechtsbehelfsbelehrung wurde ausgehändigt.

Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin,

unter Aufhebung der Prüfungsentscheidung vom 12. Februar 2008 die Beklagte zu verpflichten, die mündliche Prüfungsleistung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten, hilfsweise, die vorgenannte Prüfungsentscheidung aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin zur Ableistung einer erneuten mündlichen Prüfung zu laden.

Zur Begründung der Klage trug die Klägerin im Überdenkungsverfahren vor, zum einen lägen eine sachlich unzutreffende Bewertung ihrer Prüfungsleistungen und zum anderen erhebliche Verstöße gegen wesentliche und anerkannte Prüfungsgrundsätze sowie gravierende Verletzungen rechtsstaatlicher Prinzipien vor, die sowohl zu einer fehlerhaften Benotung als auch zur Rechtswidrigkeit der Prüfung insgesamt führten. In ihrem ausführlichen Schreiben vom 11. März 2008, auf das verwiesen wird, wendet sich die Klägerin zunächst gegen die Begründung ihres Nichtbestehens durch die Prüfungskommission, die Voreingenommenheit der Prüfungskommission ihr gegenüber belege. Außerdem sei aus den gesamten Einzelbewertungen ersichtlich, dass bei den Bewertungen der einzelnen Prüfungsabschnitte eine Verkennung des Umfangs des vorgegebenen Beurteilungsrahmens (Notenskala) vorliege, so dass ein Ermessensfehlgebrauch gegeben sei, der die Rechtswidrigkeit der Benotung zur Folge habe. Hinsichtlich der Art und Weise des Prüfungsverfahrens und der Prüfungsatmosphäre führt die Klägerin aus, dass sämtliche Kandidatinnen mit einer ihr bisher unbekannten Abneigung sowie einer Überheblichkeit der Prüfer behandelt worden seien, die sie als „Versager” dargestellt hätten und dies auch ausdrücklich während der Prüfung angemerkt hätten. Der Vorsitzende der Prüfungskommission habe sich nicht zu einem Einschreiten veranlasst gesehen, obwohl er für einen ordnungsgemäßen Prüfungsablauf verantwortlich sei. Die Prüfer hätten den Eindruck erweckt, dass sie um jede falsche Antwort der Kandidatinnen bemüht gewesen seien. Sie – die Klägerin – habe immer zuerst antworten müssen und deshalb nie die Möglichkeit ...

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