Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Beurlaubung vom Studium als Unterbrechung der Ausbildung. Kindergeld – Prozeßkostenhilfe –

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Kindergeld entfällt nicht wegen Unterbrechung der Berufsausbildung, wenn das Kind sich vom Studium beurlauben lässt, um während der Urlaubssemester ein nach der Prüfungsordnung vorgeschriebenes Praktikum zu absolvieren, gegen Vergütung eine Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft an einer Universität auszuüben und an den für seinen Studiengang notwendigen Prüfungen teilzunehmen. Alle diese Tätigkeiten sind Bestandteile der Berufsausbildung.

 

Normenkette

EStG 1997 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 63 Abs. 1 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.10.2004; Aktenzeichen VIII R 77/02)

BFH (Urteil vom 05.10.2004; Aktenzeichen VIII R 77/02)

BFH (Beschluss vom 09.12.2003; Aktenzeichen VIII S 2/03 (PKH))

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 28. September 2000 sowie die Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2000 werden geändert und das Kindergeld für den Sohn Nenad für die Monate April 1998 bis September 1998 auf 1.320 DM = 674,91 EUR, für April 1999 bis September 1999 auf 1.500 DM = 766,94 EUR festgesetzt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist für den Kläger hinsichtlich der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar; die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Anspruch auf Kindergeld wegen Unterbrechung der Berufsausbildung entfallen ist.

Der am 14. März 1973 geborene Sohn des Klägers studierte seit 1994 an der Universität das mit dem Diplom abschließende Fach Bauingenieurwesen. Während des Sommersemesters 1998, des Wintersemesters 1998/1999 sowie des Sommersemesters 1999 war der Sohn vom Studium beurlaubt. Im Wintersemester 1998/1999 war der Grund für die Beurlaubung die Ableistung eines von der Prüfungsordnung vorgesehenen Praktikums. In der Zeit vom 12. Oktober 1998 bis 20. November 1998 war als Praktikant eingestellt. Vom 1. November 1998 bis 31. März 1999 sowie vom 1. Juni 1999 bis 31. Juli 1999 war der Sohn als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Materialprüfung der Universität gegen eine Vergütung teilzeitbeschäftigt. Außerdem nahm er am 28. August 1999 erfolglos an Prüfungen in den Fächern Technische Mechanik III und IV teil. Die Prüfung im Fach Werkstoffe I am 9. September 1998 bestand er ebenfalls nicht. Die Prüfungen in den Fächern Fertigungstechnik am 18. August 1998, Raumordnung und Umweltplanung am 10. Februar 1999 sowie Vermessungskunde am 22. Februar 1999 bestand hingegen. Im Wintersemester 1999 setzte er sein Studium an der Universität fort.

Die Familienkasse des beklagten Arbeitsamts hob die Festsetzung des Kindergelds gegenüber dem Kläger für den Sohn durch Bescheid vom 18. Oktober 1999 für die Zeit von April 1998 bis Dezember 1998 sowie Januar 1999 bis Mai 1999 und künftig ab Juni 1999 gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auf und forderte Kindergeld i.H.v. insgesamt 3.010 DM zurück. Ab Oktober 1999 wurde dem Kläger wieder Kindergeld bezahlt. In einer Anhörung hatte der Kläger zuvor angegeben, wegen unzureichender finanzieller Mittel habe sein Sohn ein Urlaubssemester beantragt, um erwerbstätig sein zu können. Er bereite sich jedoch auf Prüfungen vor und werde diese auch ablegen. Außerdem werde er ein empfohlenes Praktikum ableisten. Trotz der Beurlaubung sei sein Sohn nie exmatrikuliert und praktisch nur mit dem Studium beschäftigt gewesen.

Zur Begründung des am 18. November 1999 eingelegten Einspruchs legte der Kläger eine Bescheinigung der Universität vom 6. Dezember 1999 vor, in welcher eine nach § 90 des baden-württembergischen Universitätsgesetzes zulässige Beurlaubung des Sohns vom Sommersemester 1998 bis zum Sommersemester 1999 bestätigt und darauf hingewiesen wird, dass der Studierende trotz Beurlaubung seinen studierenden Status beibehält, also nicht exmatrikuliert ist. Er sei berechtigt, während eines Urlaubssemesters die bibliothekarischen Einrichtungen der Universität zu besuchen und Prüfungen abzulegen. Von dieser Berechtigung habe der Sohn des Klägers nachweislich Gebrauch gemacht. Daher handle es sich nicht um eine Unterbrechung der Ausbildung. Durch Entscheidung vom 27. Januar 2000 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück, da die Beurlaubung zu einer Unterbrechung des Hochschulbesuchs und damit den Berufsausbildung geführt habe.

Zur Begründung der am 21. Februar 2000 erhobenen Klage lässt der Kläger im Wesentlichen folgendes vortragen: Der Sohn habe sich zunächst wegen finanzieller Bedürftigkeit beurlauben lassen. Nachdem die ihm zugesagte Beschäftigung nicht zustande gekommen sei, habe er sich entschlossen, seine Ausbildung fortzusetzen. Die von der Universität genehmigte Beurlaubung habe jedoch nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Ein Student könne auch während de...

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