Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensbesteuerung von Rentenanpassungen. kein strukturelles Vollzugsdefizit bei der Rentenbesteuerung. Anwendungsbereich der Kleinbetragsverordnung (KBV)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Regelmäßige Rentenanpassungen führen nicht zu einer Erhöhung des steuerfreien Teils der Rente (§ 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a) Doppelbuchst. aa) S. 7 EStG), so dass spätere reguläre Rentenerhöhungen uneingeschränkt der Besteuerung unterworfen werden.

2. Der steuerfreie Teil der Rente ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil; der steuerfreie Teil ist kein Prozentsatz.

3. Es besteht hinsichtlich der Rentenbesteuerung aufgrund der Regelung des § 22a EStG kein strukturelles Vollzugsdefizit, dass zur Verfassungswidrigkeit der Besteuerung führt.

4. Die KBV findet auch Anwendung auf eine mit der Klage angefochtene Erstveranlagung.

 

Normenkette

EStG 2007 § 22 Nr. 1 S. 3 a) aa) S. 4, S. 3 a) aa) S. 7, § 22a; KBV § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 06.03.2013; Aktenzeichen X B 113/11)

BFH (Beschluss vom 06.03.2013; Aktenzeichen X B 113/11)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die im Jahr 1934 geborene Klägerin ist Rentnerin. Sie bezieht seit 1. April 1994 Altersrente von der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund (RV). Daneben bezieht sie Versorgungsbezüge und erzielt Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Die von der RV bezogene Rente betrug zunächst 2.912,29 DM (Rentenbescheid vom 31. Januar 1994) und wurde in der Folgezeit mehrfach erhöht.

In ihren Einkommensteuererklärungen der Jahre 2005 und 2006 erklärte die Klägerin jeweils auf der Anlage R, von RV eine Rente in Höhe von 20.514 EUR bezogen zu haben. Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) sah in den Einkommensteuerbescheiden der Jahre 2005 und 2006 davon einen Betrag von 10.257 EUR als steuerfrei an; 10.257 EUR behandelte das FA als steuerpflichtig. In den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 12. September 2006 heißt es auszugsweise: „Die Besteuerung der Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen … hat sich geändert. Der steuerpflichtige Teil dieser Leistungen beträgt im Jahr 2005 einheitlich 50%.” Im Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 23. August 2007 heißt es in den Erläuterungen u.a.: „Ab 2005 unterliegen Leibrenten und andere Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen … zu 50% der Besteuerung. … Der steuerfreie Teil der Rente wird festgeschrieben und im Rahmen der Rentenbesteuerung der Folgejahre als Festbetrag vom Jahres(brutto)rentenbetrag abgezogen.”

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 (Streitjahr) vom 10. Juli 2008 gab die Klägerin auf der Anlage R an, von der RV eine Rente in Höhe von 20.569 EUR bezogen zu haben, weil zum 1. Juli 2007 die Rente der Klägerin von der RV um monatlich 9,16 EUR erhöht worden war (Summe der Erhöhungen für Juli bis Dezember: 54,96 EUR). Die Zeile 6 der Anlage R (Rentenanpassungsbetrag) blieb unausgefüllt.

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 25. August 2008 sah das FA (weiterhin) nur einen Teilbetrag von 10.257 EUR als steuerfrei an, während es den Restbetrag (10.312 EUR) der Einkommensteuer unterwarf. Im Ergebnis erhöhte sich damit der steuerpflichtige Teil der Rente um die Rentenerhöhung im Jahr 2007 in Höhe von 55 EUR. Das FA setzte deshalb die Einkommensteuer für das Jahr 2007 auf 708 EUR fest.

Mit dem Einspruch brachte der Klägervertreter namens der Klägerin vor, das FA habe nicht beachtet, dass es sich um ein einheitliches Rentenstammrecht handele, das grundsätzlich auf der Basis 2005 zu versteuern sei, weil die Rente vor 2005 begonnen habe. Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führten regelmäßige Anpassungen des Jahresbetrages der Rente nicht zu einer Neuberechnung und blieben bei der Neuberechnung außer Betracht.

Das FA wies den Einspruch nach Anhörung (§ 91 der Abgabenordnung –AO–) als unbegründet zurück. Es vertrat in der Einspruchsentscheidung vom 5. November 2008 die Auffassung, für die Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente sei bei Renten, die vor 2005 begonnen hätten, der Jahresbetrag für das Jahr 2005 maßgebend, der zu 50% steuerfrei sei. Der so ermittelte steuerfreie Teil der Rente gelte grundsätzlich für die gesamte Laufzeit der Rente. Rentenerhöhungen, die auf einer regelmäßigen Anpassung beruhten, würden vollständig besteuert. Nur bei nicht regelmäßigen Anpassungen finde eine Neuberechnung (auf der Basis des bisher maßgebenden Prozentsatzes) statt.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin vortragen lässt, beim FA sei es zu einer offenkundigen „Fehlinterpretation” von Tz. 127 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 30. Januar 2008 (BStBl I 2008, 390 ff.) gekommen. Für die Interpretation des FA sei kein Raum. Aus dem BMF-Schreiben und dem...

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