Besteuerung der Mütterrente
Die bisherigen Regelungen sahen vor, dass Müttern und Vätern für die Kindererziehungszeiten nur ein Jahr angerechnet wird. Seit 1.7.2014 wird ihnen ein zusätzliches Jahr (1 Entgeltpunkt pro Kind) anerkannt, sodass sich die Rente für jedes vor 1992 geborene Kind um brutto 28,61 EUR (im Westen) bzw. 26,39 EUR (im Osten) erhöht hat. Somit handelt es sich nicht um eine eigenständige Rente sondern um einen Teil der Leibrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Für die Frage der Besteuerung hatte das Finanzministerium Schleswig-Holstein mit Erlass v. 10.11.2014 (VI 307 - S 2255 – 152, HaufeIndex 7480476) klargestellt, dass die Rentenerhöhung keine regelmäßige Rentenanpassung darstellt, sondern es sich hierbei um eine außerordentliche Neufestsetzung des Jahresbetrags der Rente handelt. Der steuerfreie Teil der Rente ist daher neu zu berechnen. Hintergrund ist, dass im Rahmen der nachgelagerten Besteuerung ein Rentenfreibetrag festgeschrieben wird, der sich aus der Differenz zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente ergibt. Die Festschreibung gilt allerdings erst ab dem Jahr, das auf das Jahr des ersten Rentenbezugs folgt. Regelmäßige Rentenanpassungen des Jahresbetrags der Rente führen nicht zu einer Neuberechnung des "persönlichen Rentenfreibetrags" (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG). Rentenerhöhungen erhöhen mithin den Besteuerungsanteil.
Beispiel für Rentenfreibetrag
A ist seit 2004 Rentnerin. Ihre Rente in 2005 beträgt monatlich 888,42 EUR (34 Entgeltpunkte x Rentenwert 26,13 EUR in 2005).
Bei Rentenbeginn vor dem 1.1.2006 beträgt der Besteuerungsanteil 50 % (danach bis 2040 Schrittweise Erhöhung um 2 bzw. ab 2020 um 1 %). Der festzuschreibende Freibetrag ab 2005 berechnet sich daher wie folgt:
888,42 EUR x 12 | 10.661,04 EUR |
x 50 % | 5.330,52 EUR |
Weiterführung Beispiel für eine normale regelmäßige Rentenanpassung
Der Rentenwert zum 1.1.2014 beträgt 28,14 EUR und zum 1.7.2014 28,61 EUR, sodass A von Januar bis Juni 2014 956,76 EUR und von Juli bis Dezember 2014 972,74 EUR Rente erhält.
Der Anpassungsbetrag errechnet sich wie folgt:
956,76 x 6 + 972,74 x 6 | 11.577,00 |
./. Freibetrag 5.330,52 | ./. 6.246,48 |
6.246,48 ./. 5.330,52 | 915,96 |
oder | |
11.577,00 (Einnahmen 2014) ./. 10.661,04 (Einnahmen 2005) | 915,96 |
Praxis-Tipp
Hat A aber jetzt noch ein vor 1992 geborenes Kind, wird die Rente zum 1.7.2014 durch die zusätzliche Berücksichtigung eines Entgeltpunktes um weitere 28,61 EUR erhöht. Da es sich hierbei nicht um eine regelmäßige Anpassung handelt, ist der steuerfreie Teil der Rente nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 6 EStG neu zu berechnen. Aufgrund der Aussage des Finanzministeriums Schleswig-Holsteins, dass der bisherige steuerfreie Teil der Rente um den steuerfreien Teil der Mütterrente zu erhöhen ist, gingen viele Senioren davon aus, dass die Rentenerhöhung mit dem festen Besteuerungsanteil (hier 50 %) angesetzt wird. Dementsprechend hätte sich hier der Freibetrag 2014 von 5.330,52 EUR um 85,83 EUR (28,61 EUR x 6 x 50 %) auf 5.416,35 EUR erhöht.
Als aber die ersten Steuerbescheide eingingen, waren viele Rentner überrascht, dass ein größerer Teil der Mütterrente in die Besteuerung einbezogen wurde. Die Abweichung wurde jetzt vom BMF in einer Mitteilung v. 23.7.2015 erläutert. Es ist so zu rechnen, als wäre die Mütterrente bereits im Jahr des Rentenbeginns gezahlt worden. Der steuerfreie Anteil bezieht sich demnach nicht auf die ab dem Jahr 2014 ausgezahlte Mütterrente, sondern wird auf das Jahr des Rentenbeginns zurückgerechnet. Folglich richtet sich der Besteuerungsanteil zwar nach wie vor nach dem Jahr des Rentenbeginns (hier 2005), der Mütterrentenzuschlag enthält aber auch regelmäßige Anpassungen der Vorjahre.
Bei A ergibt sich für 2014 somit folgender Freibetrag:
bisher | 5.330,52 | |
Mütterrente berechnet von Rentenwert 2005 26,13 x 6 = | 156,78 | |
* 50 % = | 78,39 | + 78,39 |
5.408,91 |
Hinweis: In 2015 erhöht sich der Freibetrag für die ersten 6 Monate noch einmal um 78,39 EUR, weil sich der steuerfreie Anteil einer Rente immer auf einen Jahresbetrag bezieht.
Der Anpassungsbetrag errechnet sich wie folgt:
1.1. – 30.6.2014 | 956,76 x 6 | 5.740,56 |
1.7. – 31.12.2014 | 1.001,35 (972,74 + Mütterrente 28,61) x 6 | 6.008,10 |
Gesamt | 11.748,66 | |
./. Freibetrag | 5.408,91 | |
Überschuss | 6.339,75 | |
Anpassungsbetrag | 6.339,75 ./. 5.408,91 | 930,84 |
oder | ||
Anpassungsbetrag | 11.748,66 (Einnahmen 2014) ./. 10.661,04 (Einnahmen 2005) ./. 156,78 (fiktive Mütterrente 2005) | 930,84 |
Aktualisierung: BFH teilt Berechnungsmethode
Der BFH hat in seinem Urteil v 14.12.2022, X R 24/20, erläutert, dass die Erhöhung der Rentenleistungen infolge der Einführung der "Mütterrente" zum 1.7.2014 dem Grunde nach eine Anpassung des steuerfreien Teils der Leibrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auslöst. Der steuerfreie Teil der Rente sei nur in dem Umfang anzupassen (d.h. zu erhöhen), als die veränderte Höhe des Jahresbetrags der Rente nicht auf zwischenzeitlichen (seit Beginn der Rente angewachsenen) regelmäßigen Rentenanpassungen beruht.
Es greife zu kurz, wollte man allein aufgrund der veränderten Höhe des Jahresbetrags die nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 6 EStG vorgegebene Verhältnisrechnung zur Anpassung des steuerfreien Anteils der Rente vornehmen. Denn insoweit bliebe unberücksichtigt, dass regelmäßige Rentenanpassungen nach Satz 7 der Vorschrift nicht nur eine Neuberechnung des steuerfreien Teils ausschließen (Alternative 1), sondern auch "bei" einer Neuberechnung "außer Betracht" bleiben (Alternative 2).
Der Gesetzgeber gehe somit davon aus, dass es Fallgestaltungen gibt, in denen eine Neuberechnung des steuerfreien Rentenanteils erforderlich ist, die Rentenleistungen aber zugleich regelmäßige Anpassungen enthalten. Eine solche Fallgestaltung liege hier vor. Die auf § 307d Abs. 1 SGB VI beruhende Erhöhung des Jahresbetrags (Mütterrente) inkludiere regelmäßige Rentenanpassungen. Dies folge daraus, dass die ab dem 1.07.2014 wirkende Erhöhung der Rentenleistungen durch den Zuschlag von zwei persönlichen Rentenentgeltpunkten nicht als Rentenneubeginn, sondern als Werterhöhung einer bereits früher begonnenen Rente anzusehen ist. Die beiden zugeschlagenen Rentenentgeltpunkte wurden mit dem zum 1.7.2014 aktualisierten (d.h. angepassten) Rentenwert je Monat bewertet.
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Ich habe bei einem FA Einspruch eingelegt und werden wohl leider auch das FG anrufen müssen.