Gesetzestext

 

Hat der Erbe vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Nachlaß Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse oder Auflagen erfüllt, so ist diese Rechtshandlung in gleicher Weise anfechtbar wie eine unentgeltliche Leistung des Erben.

Bisherige gesetzliche Regelungen

 

§ 222 KO [Anfechtbare Rechtshandlungen des Erben]

Hat der Erbe vor der Eröffnung des Verfahrens aus dem Nachlasse Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse oder Auflagen erfüllt, so ist die Leistung in gleicher Weise anfechtbar wie eine unentgeltliche Verfügung des Erben.

 

Rn 1

Hat der Erbe vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Lasten der Nachlassmasse Leistungen auf einen Pflichtteilsanspruch, ein Vermächtnis oder Auflagen erbracht, so wird diese Rechtshandlung für die Beurteilung der Anfechtbarkeit einer unentgeltlichen Leistung des Erben gleichgesetzt. § 322 erweitert damit den Anwendungsbereich des § 134, der eine unentgeltliche Leistung des Schuldners für anfechtbar erklärt, sofern sie im Zeitraum von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und kein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts darstellt.

 

Rn 2

Grundvoraussetzung für die Anfechtbarkeit ist eine objektive Benachteiligung der Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit,[1] die dann vorliegt, wenn sich die Insolvenzgläubiger hinsichtlich ihrer Befriedigungsmöglichkeiten aus der Insolvenzmasse ohne die fragliche Rechtshandlung günstiger stehen würden, wobei grundsätzlich sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Benachteiligung in Betracht kommt.[2]

 

Rn 3

Die Voraussetzung der objektiven Gläubigerbenachteiligung ist bei unentgeltlichen Leistungen regelmäßig ohne weiteres gegeben.

 

Rn 4

Hat der Erbe in Kenntnis oder schuldhafter Unkenntnis der Unzulänglichkeit des Nachlasses mit Nachlassmitteln geleistet, soll eine Gläubigerbenachteiligung dann nicht gegeben sein, wenn der Nachlassinsolvenzverwalter einen liquiden Schadensersatzanspruch gegen den Erben hat. Die Anfechtung soll insoweit nur dann greifen, wenn der Erbe zahlungsunfähig ist oder feststeht, dass er zur Leistung von Schadensersatz außerstande ist.[3]

 

Rn 5

Für das Nachlassinsolvenzverfahren werden Leistungen auf Pflichtteilsansprüche, Vermächtnisse oder Auflagen unentgeltlichen Leistungen gleichgestellt, da die genannten Ansprüche nachrangige Verbindlichkeiten gemäß § 327 darstellen, die noch nach den in § 39 bezeichneten Verbindlichkeiten zu erfüllen sind.

 

Rn 6

Im Rahmen des Nachlassinsolvenzverfahrens gelten die allgemeinen Anfechtungsregeln der §§ 129 ff. ebenfalls; soweit es auf Rechtshandlungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ankommt, ist für die Zeit vor dem Erbfall auf die Person des Verstorbenen, für die Zeit danach auf die Person des Erben abzustellen. Entsprechendes gilt für den Fall der Vorerbschaft und Nacherbschaft, je nach dem Zeitpunkt der relevanten Rechtshandlung ist auf die Person des Vorerben bzw. des Nacherben abzustellen.

 

Rn 7

Die genannten Ansprüche müssen aus dem Nachlass erfüllt sein. Dies ist ohne weiteres der Fall, wenn die Erfüllung oder die einer Erfüllungshandlung gleichzusetzende Rechtshandlung aus Mitteln bzw. zu Lasten des Nachlasses erfolgt ist. Aus dem Nachlass erfüllt ist aber auch dann, wenn der Erbe eigene Mittel verwendet hat, sofern er nach den Umständen annehmen dürfte, dass der Nachlass zur Berichtigung aller bestehenden Verbindlichkeiten ausreicht (§ 1979 BGB) und der Erbe noch nicht unbeschränkt haftet.

 

Rn 8

Im Falle der beschränkten Haftung steht dem Erben dann ein direkter Masseanspruch gemäß § 324 Abs. 1 Nr. 1 zu, so dass letztlich die Berichtigung der Pflichtteilsansprüche oder Vermächtnisse bzw. Auflagen zu Lasten der Nachlassmasse erfolgt ist (Aufrechnung, Leistung an Erfüllungs Statt).

 

Rn 9

Rechtshandlungen i.S.d. § 322 sind nur insoweit relevant, als sie im Zeitraum von vier Jahren vor Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens vorgenommen worden sind (§ 134).

[2] BGH, ZIP 1980, 250 (252) [BGH 20.02.1980 - VIII ZR 48/79]; BGH, ZIP 1989, 785 (786) [BGH 11.05.1989 - IX ZR 222/88].
[3] Kuhn/Uhlenbruck, KO § 229 Rn. 4.

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