Leitsatz (amtlich)

Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelöst, kann sie nicht fortgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über ein das satzungsgemäße Stammkapital übersteigendes Vermögen verfügt und die Insolvenzgründe beseitigt wurden.

 

Normenkette

GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 12.04.2021; Aktenzeichen 20 W 285/20)

AG Darmstadt (Entscheidung vom 18.11.2020; Aktenzeichen HRB 33881)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. April 2021 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Antragstellerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Darmstadt eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital in Höhe von ursprünglich 50.000 DM. Mit Beschluss vom Februar 2007 wurde ihr Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse zurückgewiesen. Im April 2007 wurde die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse und die Auflösung der Antragstellerin von Amts wegen in das Handelsregister eingetragen.

Rz. 2

Mit Gesellschafterbeschluss vom 29. Mai 2020 wurden die Fortsetzung der Gesellschaft, die Verlegung ihres Sitzes und die Änderungen des Unternehmensgegenstands beschlossen. Der mit Beschluss vom selben Tag zum Geschäftsführer bestellte Liquidator und Alleingesellschafter der Antragstellerin meldete am 29. Mai 2020 die Fortsetzung der Gesellschaft, die Sitzverlegung und die Neufassung des Unternehmensgegenstands sowie seine Bestellung zum Geschäftsführer zur Eintragung im Handelsregister an. Gegenüber dem Handelsregister versicherte er u.a., dass mit der Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter noch nicht begonnen worden sei, die Verbindlichkeiten der Gesellschaft das Gesellschaftsvermögen nicht überstiegen und keine wirtschaftliche Neugründung vorliege. Im Februar 2021 erklärte er den Rangrücktritt eines der Gesellschaft gewährten Darlehens in Höhe von 2.897.361,63 € und er überwies im April 2021 der Gesellschaft 25.000 € mit dem Verwendungszweck "Einzahlung Stammkapital".

Rz. 3

Das Amtsgericht hat den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Eintragungsantrag weiter.

II.

Rz. 4

Die statthafte und im Übrigen gemäß § 70 Abs. 1, § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Rz. 5

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Fortführung einer wegen rechtskräftiger Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse nach § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung aufgrund Gesellschafterbeschlusses nicht in Betracht komme. Das gelte auch, wenn ein Geschäftsführer die in § 8 Abs. 2 GmbHG vorgesehene Versicherung der Einzahlung auf die Gesellschaftsanteile abgegeben habe und ein Vermögen in Höhe des im Gesellschaftsstatut festgelegten Stammkapitals vorhanden oder zumindest die Beseitigung der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft erfolgt sei. Führe die Entscheidung über die Ablehnung der Eröffnung dieses Insolvenzverfahrens mangels Masse zur Auflösung der Gesellschaft nach § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG, bestehe keine fortsetzungsfähige Gesellschaft mehr.

Rz. 6

2. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts halten rechtlicher Nachprüfung stand. Die Antragstellerin konnte nach Rechtskraft des Beschlusses des Insolvenzgerichts, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, nicht durch Gesellschafterbeschluss fortgesetzt werden. Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelöst, kann sie nicht fortgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über ein das satzungsgemäße Stammkapital übersteigendes Vermögen verfügt und die Insolvenzgründe beseitigt wurden (vgl. KG, GmbHR 1993, 822; OLG Stuttgart, ZIP 1994, 1553, 1554; BayObLG, GmbHR 1994, 189, 190; 1995, 532; KG, GmbHR 1998, 1232, 1233; OLG Düsseldorf, ZIP 1993, 214, 215 [jew. zu § 1 Abs. 1 Satz 1 LöschG]; OLG Köln, GmbHR 2010, 710, 711; KG, ZIP 2017, 178 f.; OLG Frankfurt, GmbHR 2018, 808, 810; Arnold in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 60 Rn. 75; MünchKommGmbHG/Berner, 3. Aufl., § 60 Rn. 277; Scholz/Scheller, GmbHG, 12. Aufl., § 60 Rn. 117; Krafka, Registerrecht, 11. Aufl., Rn. 1156).

Rz. 7

a) Eine Fortsetzung ist gesetzlich in § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG nicht vorgesehen. Gesellschaften, die nicht einmal mehr die finanziellen Mittel zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens besitzen, sollen im öffentlichen Interesse nach dem Willen des Gesetzgebers möglichst rasch beendet werden. Der Bundesgerichtshof hat noch zum Konkursrecht ausgeführt, dass eine Kommanditgesellschaft auf Aktien und eine Aktiengesellschaft durch einfachen Fortsetzungsbeschluss und Zuführung neuer Mittel ohne die Kontrolle eines förmlichen Gründungsvertrags nicht in die Lage versetzt werden können, wieder am Geschäftsverkehr teilzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1979 - II ZR 257/78, BGHZ 75, 175, 180).

Rz. 8

Dieser Wille des Gesetzgebers hat sich mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung und der Einführung des § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG nicht geändert. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Gegensatz zu § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG keine Fortsetzungsmöglichkeit vorgesehen. Nach dieser Vorschrift wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Wird jedoch das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben, so können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. Dafür, dass eine Fortsetzung der Gesellschaft nur in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen möglich ist, spricht der Umstand, dass der Wortlaut der Norm im Zuge der Insolvenzrechtsreform des Jahres 1994 nicht erweitert worden ist (BGH, Beschluss vom 28. April 2015 - II ZB 13/14, ZIP 2015, 1533 Rn. 10).

Rz. 9

An einer Erweiterung der gesetzlich genannten Fortsetzungsmöglichkeiten besteht kein Bedürfnis. Lassen die Beteiligten eine gesetzlich eingeräumte Möglichkeit der Fortsetzung ungenutzt, ist kein Grund ersichtlich, eine nicht im Gesetz vorgesehene Möglichkeit zur Fortführung der Gesellschaft durch einen schlichten Fortsetzungsbeschluss zu eröffnen. Gegen eine Fortsetzung spricht auch, dass dann keine gesetzliche Prüfung stattfindet, ob die Insolvenzreife überwunden ist (BGH, Beschluss vom 28. April 2015 - II ZB 13/14, ZIP 2015, 1533 Rn. 15).

Rz. 10

Damit hat der Bundesgerichtshof zugleich ausgesprochen, dass eine Fortsetzung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, das aber später nach § 207 Abs. 1 InsO eingestellt worden ist, weil die Insolvenzmasse nicht ausreichte, um die Kosten zu decken, nicht möglich ist. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG sieht in diesem Fall eine Fortsetzung der Gesellschaft gerade nicht vor. Es macht aber keinen Unterschied, ob erst im Laufe des Insolvenzverfahrens die Unzulänglichkeit der Masse zur Deckung der Kosten zu Tage tritt oder bereits dieser Umstand zur Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat.

Rz. 11

§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG dient dem Gläubigerschutz (vgl. RegE EGInsO, BT-Drucks. 12/3803, S. 82) und bezweckt, eine Gesellschaft, die nicht einmal über ein Vermögen verfügt, das zur Deckung der Kosten eines Insolvenzverfahrens ausreicht, sofort von der weiteren Teilnahme am Rechtsverkehr auszuschließen (Caspar in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 147; Arnold in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 60 GmbHG Rn. 75; Goette/Goette, Die GmbH, 3. Aufl., § 10 Rn. 38).

Rz. 12

b) Aus diesen Gründen kommt es im Gegensatz zur Auffassung der Rechtsbeschwerde, die in der Literatur teilweise geteilt wird (Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 60 Rn. 53 ff.; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 60 Rn. 33; Haas in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 60 Rn. 96; Beckmann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 5. Aufl., § 60 Rn. 71), nicht darauf an, ob alle Auflösungsgründe für die Gesellschaft beseitigt und deren Insolvenz durch Zuführung neuer Mittel nachhaltig überwunden wurde. Die Zuführung neuer Mittel für die Antragstellerin und die Rangrücktrittserklärung ihres Alleingesellschafters haben die Möglichkeit der Fortführung durch Gesellschafterbeschluss nicht begründet.

Rz. 13

Belange der Gesellschafter rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Gesellschafter einer GmbH haben die Möglichkeit, durch rechtzeitige Zuführung von Mitteln zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens den Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zu eröffnen und die dort vorgesehene gesetzliche Möglichkeit der Fortsetzung der Gesellschaft zu nutzen. Wenn sie diese Möglichkeit nicht ergreifen, ist kein Grund ersichtlich, eine nicht im Gesetz vorgesehene Möglichkeit zur Fortsetzung der Gesellschaft durch einen schlichten Fortsetzungsbeschluss zu eröffnen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2015 - II ZB 13/14, ZIP 2015, 1533 Rn. 15). Diese Möglichkeit bestand auch für den Alleingesellschafter der Antragstellerin.

Rz. 14

Diese Gründe sprechen auch gegen eine Fortsetzungsmöglichkeit, selbst wenn die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Neugründung eingehalten sind (dafür Casper in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 147; BeckOKGmbHG/Lorscheider, Stand: 1. Februar 2021, § 60 Rn. 23; Goette/Goette, Die GmbH, 3. Aufl., § 10 Rn. 38). Eine Fortsetzung der Antragstellerin kommt unter diesem Gesichtspunkt allerdings schon deshalb nicht in Betracht, weil nach den eigenen Angaben in der Anmeldung die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Neugründung nicht vorlagen.

Drescher     

Wöstmann     

Bernau

von Selle     

C. Fischer     

 

Fundstellen

Haufe-Index 15124382

BB 2022, 833

BB 2022, 912

DB 2022, 934

DStR 2022, 1013

DStR 2022, 12

NJW 2022, 9

NJW-RR 2022, 837

EWiR 2022, 293

FGPrax 2022, 113

NZG 2022, 748

WM 2022, 719

WuB 2022, 243

ZIP 2022, 4

ZIP 2022, 839

DNotZ 2022, 714

DZWir 2022, 376

JZ 2022, 299

MDR 2022, 711

NZI 2022, 532

NZI 2022, 7

Rpfleger 2022, 2

Rpfleger 2022, 407

ZInsO 2022, 845

GWR 2022, 162

GmbHR 2022, 591

InsbürO 2022, 289

KSI 2022, 192

NJW-Spezial 2022, 367

NotBZ 2022, 295

ZNotP 2022, 303

AnwaltSpiegel 2023, 14

FMP 2022, 93

GmbH-Stpr. 2023, 124

ZRI 2022, 366

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge