Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe für Klage, die vorwiegend der Sicherung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters dient

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch wenn der Insolvenzverwalter mit seinem Vergütungsanspruch selbst der rangbeste Gläubiger nach Verbrauch der baren Masse ist, ist es ihm nicht zuzumuten, u.U. die Kosten des Rechtsstreits für Prozesse, die er im Interesse der Masse führt, selbst aufzubringen. Die Pflicht des Verwalters, Rückgewähransprüche aus § 143 InsO gerichtlich geltend zu machen, wenn die Prozessführung erfolgversprechend ist, entfällt auch nicht, wenn wegen Masseunzulänglichkeit das Ziel der Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht mehr erreicht werden kann.

 

Normenkette

InsO § 143; ZPO § 116

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Beschluss vom 09.09.2002)

 

Tenor

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren gewährt und Rechtsanwalt Dr. B. beigeordnet.

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 1. Zivilsenats des OLG Köln v. 9.9.2002 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt als Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Rückgewähr einer anfechtbaren Leistung. Das LG hat ihm Prozesskostenhilfe mit der Begründung verweigert, er habe nicht hinreichend vorgetragen, die wirtschaftlich beteiligten Insolvenzgläubiger zur Aufbringung der Kosten veranlasst zu haben. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das OLG zurückgewiesen. Zwar habe er überzeugend dargelegt, dass von ihm nicht verlangt werden könne, Insolvenz- oder Massegläubiger zur Vorschusszahlung aufzufordern. Da die Masse aber unzulänglich sei, solle der beabsichtigte Rechtsstreit ausschließlich dazu dienen, die Verfahrenskosten im Rahmen der Rangklasse des § 54 InsO und insbesondere die Verwaltervergütung zu realisieren. In einem solchen Falle, in dem die Rechtsverfolgung des Verwalters allein eigenen wirtschaftlichen Interessen diene, könne eine Prozessführung auf Kosten der Staatskasse aber nicht über § 116 ZPO gerechtfertigt werden. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil die Frage, ob und inwieweit einem Insolvenzverwalter für eine Klage, die vorwiegend der Sicherung seines Vergütungsanspruchs diene, Prozesskostenhilfe zu bewilligen sei, in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nicht einheitlich beantwortet werde.

II.

Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Der Senat hat bereits in seiner Entsch. v. 15.1.1998 (BGH v. 15.1.1998 - IX ZB 122/97, MDR 1998, 438 = ZIP 1998, 297) die Frage, ob der Verwalter an Prozessen, die er im Interesse der Masse führt, "wirtschaftlich beteiligt" und ob es ihm zuzumuten ist, unter Umständen die Kosten eines Rechtsstreites selbst aufzubringen, ausdrücklich auch für den Fall verneint, dass der Verwalter mit seinem Vergütungsanspruch selbst der Rangbeste Gläubiger nach Verbrauch der baren Masse ist. Zur Begründung hat der Senat darauf verwiesen, dass der Verwalter die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe der Abwicklung eines geordneten Gesamtvollstreckungsverfahrens wahrnimmt und jede seinen Gebührenanspruch einschränkende Norm an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen ist (BGH v. 15.1.1998 - IX ZB 122/97, MDR 1998, 438 = ZIP 1998, 297 [298]; vgl. ferner v. 5.12.1991 - IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233 [238 f.] = MDR 1992, 253). Um eine solche Einschränkung handelte es sich auch dann, wenn § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO so zu verstehen wäre, dass der Verwalter die Masse betreffende Prozesse auf eigenes Kostenrisiko zu führen hätte.

2. An dieser Auffassung, die in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein Zustimmung gefunden hat (vgl. OLG Düsseldorf NZI 1999, 455 [456]; OLG Jena v. 26.2.2001 - 7 W 6/01, ZIP 2001, 579 [580]; OLG Köln v. 8.8.2000 - 18 W 23/00, OLGReport Köln 2000, 450 = NZI 2000, 540 [541]; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 116 Rz. 10; Kreft in HK-InsO, 2. Aufl., § 129 Rz. 100; Ott in MünchKomm/InsO, § 80 Rz. 89; Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 116 Rz. 16; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO, § 80 Rz. 61; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 80 Rz. 80; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 116 Rz. 10a), hält der Senat fest. Der Insolvenzverwalter nimmt mit der Anfechtung von Rechtshandlungen nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO eine ihm mit seinem Amt übertragene Aufgabe wahr (vgl. § 129 Abs. 1 InsO). Selbst wenn der aus einer Anfechtung zu erzielende Erlös wegen der vorweg zu befriedigenden (§ 53 InsO) Verfahrenskosten und der sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht zu einer Verteilung an die Insolvenzgläubiger führt, besteht das Amt des Insolvenzverwalters mit den daraus folgenden Pflichten fort, solange die Kosten des Verfahrens gedeckt sind (vgl. § 208 Abs. 3 InsO). Erst wenn sich herausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, ist das Verfahren einzustellen (§ 207 Abs. 1 InsO). Die Pflicht des Verwalters, Rückgewähransprüche aus § 143 InsO gerichtlich geltend zu machen, wenn die Prozessführung erfolgversprechend ist (vgl. Brandes in MünchKomm/InsO, §§ 60, 61 Rz. 13), entfällt auch nicht, wenn wegen Masseunzulänglichkeit das nach § 1 InsO im Vordergrund des Verfahrens stehende Ziel der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) nicht mehr erreicht werden kann. Wie der Senat gleichfalls bereits entschieden hat, ist die Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Anfechtung grundsätzlich ohne Bedeutung (BGH, Urt. v. 19.7.2001 - IX ZR 36/99, BGHReport 2001, 991 = MDR 2002, 172 = WM 2001, 1777 [1780]).

III.

Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 S. 1 ZPO), damit es nach Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage (§ 116 S. 2i. V. m. § 114 letzter Hs. ZPO) abschließend über das Prozesskostenhilfegesuch entscheiden kann. Dem Antragsteller ist gem. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO die beantragte Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu gewähren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1050029

DStR 2004, 47

BGHR 2003, 1440

NJW-RR 2004, 136

ZIP 2003, 2036

NZI 2004, 26

ZInsO 2003, 941

ZVI 2003, 556

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