Leitsatz (amtlich)

Ein Vertrag, durch den der Veräußerer A das mit einem Wohnungsrecht für B belastete Grundstück diesem unentgeltlich zuwendet, unterliegt der Grunderwerbsteuer. Er ist gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nur insoweit von dieser Besteuerung ausgenommen, als der Erwerber B auf Kosten des A bereichert ist. Das auf dem Grundstück lastende und von B übernommene Wohnungsrecht gehört zur Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne, von deren Wert die Steuer berechnet wird.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 2, § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2; BGB § 1093

 

Tatbestand

Die Klägerin und ihr Ehemann hatten am 2. Oktober 1972 Vereinbarungen getroffen über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach Scheidung ihrer Ehe. Am 20. November 1972 wurde die Ehe geschieden. Rund ein Jahr nach der Scheidung überließ der frühere Ehemann durch Vertrag vom 20. Dezember 1973 der Klägerin "unentgeltlich" sein 906 qm großes, mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Die früheren Eheleute erklärten die Auflassung und beantragten die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch. Das Grundstück war belastet mit einem dinglichen Wohnungsrecht für die Klägerin sowie mit vier Grundschulden und einer Hypothek. Die Klägerin übernahm "in dinglicher Haftung" die Grundstücksbelastungen, nicht jedoch die den Grundpfandrechten zugrunde liegenden Darlehensschulden. Der frühere Ehemann verpflichtete sich in dem Überlassungsvertrag ferner, die für die Instandhaltung des Einfamilienhauses anfallenden Kosten bis zu 5 000 DM jährlich der Klägerin zu ersetzen, solange diese Eigentümerin des Grundstücks sein würde; er übernahm außerdem im Innenverhältnis die durch die Überlassung des Grundstücks anfallenden Steuern. Demgegenüber gestattete die Klägerin ihrem früheren Ehemann "in jederzeit wiederruflicher Weise, unentgeltlich im Vertragsanwesen ein Zimmer zu bewohnen".

Der Beklagte (FA) setzte für die Überlassung des Grundstücks durch Bescheid vom 5. September 1974 die Grunderwerbsteuer auf 13 440 DM fest; den Einspruch wies er zurück. Um eine steuerfreie Grundstücksschenkung handele es sich im vorliegenden Falle nicht, weil die Klägerin eine Gegenleistung insofern erbracht habe, als sie das im Grundbuch für sie eingetragene Wohnungsrecht übernommen habe. Dessen Wert bestimme sich nach dem Lebensalter der Klägerin (30 Jahre), somit nach dem 16fachen des Wertes der einjährigen Nutzung. Der Wert der einjährigen Nutzung sei von den Vertragsteilen in ihrer Vereinbarung vom 2. Oktober 1972 mit 12 000 DM veranschlagt worden, infolgedessen errechne sich der Wert des Wohnungsrechts auf 16 x 12 000 DM = 192 000 DM. Dies sei der für die Berechnung der Grunderwerbsteuer maßgebende Wert der Gegenleistung. Dieser Wert ändere sich nicht dadurch, daß die Klägerin ihrem früheren Ehemanne gestattet habe, ein Zimmer im Einfamilienhaus unentgeltlich zu bewohnen; denn diesem Wert stehe eine gleichgroße Wertminderung des Wohnungsrechts der Klägerin gegenüber.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Der Überlassungsvertrag sei nicht als Grundstücksschenkung unter Lebenden gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen, da die Klägerin das Grundstück nicht unentgeltlich, sondern in Verbindung mit einer Gegenleistung erworben habe. Die Gegenleistung habe darin bestanden, daß die Klägerin das Wohnungsrecht übernommen und dadurch ihren früheren Ehemann von der Verpflichtung, sie in dem Einfamilienhaus wohnen zu lassen, befreit habe. Soweit sie darüber hinaus ihrem früheren Ehemann widerruflich gestattet habe, ein Zimmer in dem Einfamilienhaus unentgeltlich zu bewohnen, könne das allenfalls den Wert der Gegenleistung und damit die Steuer erhöhen, aber nicht mindern. Für die Berechnung des Wertes des Wohnungsrechtes sei der Zeitpunkt des Überlassungsvertrages, also der 20. Dezember 1973, maßgebend gewesen; zu diesem Zeitpunkt habe das Wohnungsrecht seinen vollen Wert gehabt. Es könne demzufolge dahingestellt bleiben, ob später (im Zeitpunkt der Grundstücksübereignung) der Wert des Wohnungsrechtes infolge Personengleichheit zwischen Wohnungsberechtigtem und Grundstückseigentümer auf 0 DM geschrumpft sei.

Die Klägerin hat Revision eingelegt. Sie rügt die unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1, der §§ 10 und 11 GrEStG sowie der Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG. Das Grundstück sei ihr "unentgeltlich" überlassen, also geschenkt worden; infolgedessen sei der Vorgang gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Gegenstand der Schenkung sei das durch das Wohnungsrecht eingeschränkte Eigentum am Grundstück gewesen. Hierfür habe sie eine Gegenleistung nicht erbracht. Die Übernahme des Wohnungsrechts sei keine Gegenleistung. Zumindest sei der Wert des Wohnungsrechts zu kürzen um den Wert des ihrem früheren Ehemann eingeräumten Nutzungsrechts an einem Zimmer des Einfamilienhauses (18 240 DM), so daß der Wert des Wohnungsrechts nicht 192 000 DM, sondern nur 173 760 DM betrage.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und den ihm zugrunde liegenden Steuerbescheid aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid für rechtmäßig erachtet.

Der Überlassungsvertrag vom 20. Dezember 1973 unterlag der Grunderwerbsteuer, denn er begründete den Anspruch der Klägerin gegen ihren früheren Ehemann auf Übereignung des bezeichneten Grundstücks (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Zuwendung an die Klägerin schon deshalb nicht als eine (gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommene) Grundstücksschenkung unter Lebenden beurteilt werden kann, weil ihr als Gegenleistung etwa der Verzicht der Klägerin auf Unterhalt gegenüberstand (vgl. Beschluß des BFH vom 26. Januar 1971 II B 32/70, BFHE 101, 136, 138, BStBl II 1971, 184). Denn selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, ihr sei das Grundstück "geschenkt" worden, erweist sich das angefochtene Urteil des FG im Ergebnis als richtig. Gegenstand der Zuwendung war dann - wie die Klägerin richtig erkannt hat - das durch das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) eingeschränkte Eigentumsrecht am Grundstück, denn nur insoweit wurde die Klägerin durch die Zuwendung auf Kosten ihres früheren Ehemannes bereichert und nur insoweit war demzufolge der bezeichnete Erwerbsvorgang von der Grunderwerbsteuer befreit (§ 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG, § 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ErbStG 1959, § 516 BGB). Im übrigen jedoch, d. h. soweit der Grundstückswert für den Beschenkten keine Bereicherung darstellte und demzufolge Erbschaftsteuer nicht entstehen konnte, war die Schenkung des Grundstücks grunderwerbsteuerpflichtig. Denn der Zweck der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG (die doppelte Belastung eines Erwerbsvorgangs mit Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer zu vermeiden) erfordert ein Zurückweichen der Grunderwerbsteuer gegenüber der Erbschaftsteuer nur insoweit, als der Erwerbsvorgang der Erbschaftsteuer unterliegt.

Die Steuer war vom Wert der Gegenleistung zu berechnen (§ 10 Abs. 1 GrEStG). Was als Gegenleistung gilt, zu ihr gehört oder ihr hinzugerechnet werden muß, ist in § 11 GrEStG für eine Reihe von Fällen geregelt. Beispielswiese gelten als Gegenleistung bei einem Kauf auch "die vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen" (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), und es gehören zur Gegenleistung auch die Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen, ausgenommen die auf dem Grundstück ruhenden dauernden Lasten (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG). Die Aufzählung in § 11 GrEStG ist nicht erschöpfend. Was z. B. für den "Kauf" ausdrücklich vorgeschrieben ist, gilt sinngemäß auch für die Schenkung, da diese - ebenso wie der Kauf - ein Rechtsgeschäft ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG; Urteil des BFH vom 17. September 1975 II R 42/70, BFHE 117, 280, 282, BStBl II 1976, 126). Aus der Summe der in § 11 GrEStG beschriebenen Fälle folgt, daß zur Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne auch diejenigen Lasten zählen, die abzulösen wären, wenn das Grundstück sofort lastenfrei auf den Erwerber übergehen würde. Das gilt für ein Wohnungsrecht, das dem Erwerber schon bisher zustand, ebenso, wie etwa für eine Grundschuld, die für den Erwerber bereits bestand.

Die Ermittlung des Wertes des übernommenen Wohnungsrechts durch das FG läßt keinen Fehler zum Nachteil der Klägerin erkennen; insbesondere hat das FG zutreffend bemerkt, daß die von der Klägerin ihrem früheren Ehemanne widerruflich eingeräumte Befugnis, "unentgeltlich im Vertragsanwesen ein Zimmer zu bewohnen". den Wert der Gegenleistung und damit die Steuer allenfalls erhöhen, aber nicht mindern könne.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71912

BStBl II 1976, 577

BFHE 1977, 185

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