Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Branntweinlager zur Herstellung von branntweinhaltigen Pralinen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Herstellung von branntweinhaltigen Pralinen kann ein Branntweinlager nicht bewilligt werden.

2. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet nicht, die Herstellung von branntweinhaltigen Pralinen wie die im Branntweinlager zulässige, ggf. zu nicht branntweinabgabenpflichtigem Schwund führende Verarbeitung von Branntwein zu branntweinhaltigen Erzeugnissen zu behandeln.

 

Orientierungssatz

Branntweinhaltige Pralinen sind nach ihrer Beschaffenheit alkoholhaltige Süßwaren (Unterposition 1806 9011 KN), kein Branntwein (Position 2208 KN), auch wenn in ihnen dieser Stoff ―neben den sonstigen Bestandteilen― enthalten ist.

 

Normenkette

BranntwMonG § 91; BranntwVwO § 58 Abs. 1, § 40 Abs. 1-2, § 41 Abs. 2, § 68 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; KN Pos 1806 UPos 9011; KN Pos 2208

 

Tatbestand

I. Das beklagte und revisionsbeklagte Hauptzollamt (HZA) lehnte den Antrag der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ab, ihr ein Branntweinverschlußlager zur Herstellung von mit Branntwein und branntweinhaltigen Kirschen gefüllten Pralinen zu bewilligen. Die nach erfolglos gebliebener Beschwerde erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, da eine Lagerbehandlung in Form der Herstellung von branntweinhaltigen Pralinen nicht zulässig sei (§§ 58, 40 der Branntweinverwertungsordnung ―VwO―), sei die Bewilligung schon aus diesem Grunde mit Recht versagt worden. Wenn nur die Verarbeitung von Branntwein zu branntweinhaltigen Erzeugnissen als Lagerbehandlung gestattet sei (§ 58 Abs.1 VwO), so verstoße das nicht gegen den Gleichheitssatz. Die Beschränkung sei nicht willkürlich. Bei der Herstellung von branntweinhaltigen Pralinen handele es sich nicht um Branntweinherstellung. Aus der Rechtsnatur der Branntweinsteuer als Verbrauchsteuer folge nicht, daß der Verbrauch bei der Herstellung zolltariflich anderer Waren nicht besteuert werden dürfe. Im übrigen werde der Preis für den bezogenen Alkohol, auch soweit Schwund eintrete, auf den Abnehmer abgewälzt. Zwischen Spirituosen und alkoholhaltigen Pralinen bestehe kein unmittelbarer Wettbewerb.

Mit der Revision rügt die Klägerin unter Bezugnahme auf ein von ihr eingeholtes, schon dem FG vorgelegtes Rechtsgutachten von Prof. Dr. L, das FG habe § 58 Abs.1, § 40 Abs.1 VwO nicht verfassungskonform ausgelegt und damit das Gleichbehandlungsgebot verletzt. Bei der Herstellung der Pralinen träten in den einzelnen Fertigungsstufen Alkoholverluste von jährlich insgesamt … Mio Steuerwert auf, die versteuert werden müßten, obwohl diese Alkoholmenge nicht in den Wirtschaftsverkehr gelange. Das solle durch die Einrichtung eines Branntweinlagers verhindert werden. Die maßgebenden Rechtsvorschriften, ggf. unter Einbeziehung der Billigkeitsklausel, zwängen, verfassungsgerecht verstanden, zur Berücksichtigung dieses Schwundes, und begründeten damit den Anspruch auf Bewilligung des Lagers. Dies folge aus den Grundsätzen der Sach- und Steuergerechtigkeit im Hinblick auf die privilegierende Berücksichtigung des Schwundes besonders bei der Verarbeitung zu Trinkbranntwein. Aus der Sicht der Schwundmengenproblematik seien beide Vorgänge, jene Herstellung und die von branntweinhaltigen Pralinen, von der Be- und Verarbeitung von Branntwein geprägt und daher unter diesem spezifischen Gesichtspunkt gleich.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin keinen Anspruch auf die Bewilligung eines Branntweinlagers zur Herstellung branntweinhaltiger Pralinen hat.

1. Den Feststellungen der Vorinstanz ist zu entnehmen, daß die Klägerin nur zu diesem Zweck sich ein Branntweinverschlußlager (§ 91 des Gesetzes über das Branntweinmonopol ―BranntwMonG―, § 40 Abs.2, § 41 Abs.2 VwO) bewilligen lassen will. Er rechtfertigt die Bewilligung indessen nicht. Insoweit fehlt ein anzuerkennendes Lagerbedürfnis, damit eine allgemeine Voraussetzung für die Bewilligung zollamtlich überwachter Lager. Diese Voraussetzung ergibt sich für Zollager, denen das Branntweinlager nachgebildet ist, aus § 43 Abs.1 des Zollgesetzes (ZG). Dem danach erforderlichen "allgemeinen" Bedürfnis für Zollniederlagen entspricht ein auf den Lagerinhaber bezogenes Bedürfnis der Einrichtung privater (Zoll-)Lager (vgl. § 44 Abs.1 ZG).

2. Gegenstand der Lagerung in Branntweinlagern ist Branntwein i.S. von § 40 Abs.1 VwO (dazu FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2.März 1990 3 K 1531/89 Z, Entscheidungen der Finanzgerichte 1990, 618). Als Lagerbehandlung von Branntwein kommt nach § 58 Abs.1 VwO, der einzigen einschlägigen Vorschrift (vgl. zu einer früheren Fassung Bundesfinanzhof ―BFH―, Urteil vom 19.Dezember 1952 V z 71/52 U, BFHE 57, 133, 135, BStBl III 1953, 54), außer dem Reinigen, Umfüllen und der Herrichtung zum Verkauf nur die Verarbeitung zu bestimmten branntweinhaltigen Erzeugnissen (§ 40 Abs.1 VwO) in Betracht. Nicht dazu rechnet die Herstellung branntweinhaltiger Waren, die keine Getränke sind, z.B. die von Pralinen (Peters, Das Verbrauchsteuerrecht, 1989, Tz.686; ebenso die ―die Gerichte nicht bindende― Dienstanweisung in Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung ―VSF― V 2350 Abs.40); diese Herstellung dürfte selbst in einem bewilligten Branntweinlager nicht erfolgen. Hiervon geht ersichtlich auch die Klägerin aus.

3. Die Revision meint aber, bei verfassungskonformer Handhabung ergebe sich eine grundsätzliche Berücksichtigungspflicht des Schwundes auch bei der Herstellung branntweinhaltiger Pralinen und, daraus abgeleitet, ein korrespondierender Anspruch auf Bewilligung des Lagers. Dies entspreche dem Wesen der Verbrauchsteuer und der verfassungsrechtlich gebotenen Systemgerechtigkeit. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

a) Zwar kann davon ausgegangen werden, daß eine Systemwidrigkeit, d.h. die Verletzung der "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit", einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz ―Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes― indiziert (z.B. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 15.Mai 1984 1 BvR 464/81 usw., BVerfGE 67, 70, 84 f.; Senat, Urteile vom 26.Juni 1984 VII R 60/83, BFHE 141, 369, 380 f., und VII R 79/83, BFH/NV 1985, 113, 117, m.w.N.). Darin, daß der Schwund bei der Produktion der Klägerin unter den derzeitigen Bedingungen nicht steuermindernd berücksichtigt wird, kann jedoch ein Verstoß gegen die verbrauchsteuerrechtliche "Sachgesetzlichkeit" oder ein Verfehlen der Mindestanforderungen an die Sachgerechtheit (zu diesem für die Erfassung der steuerlichen Leistungsfähigkeit entwickelten Maßstab BVerfG, Beschluß vom 22.März 1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, 368) nicht gefunden werden. Es besteht kein allgemeiner Grundsatz des Verbrauchsteuerrechts, der die "Heranführung der Besteuerung an den Verbraucher" durch Zulassung von Steuerlagern ―Voraussetzung für die steuermindernde Berücksichtigung des Schwundes― geböte. Mit Recht verweist das HZA darauf, daß generell ein Lagersystem mit unversteuerter Lagerung außerhalb von Herstellungsbetrieben nicht besteht (vgl. auch Peters, a.a.O., Tz.675). Eine Ausnahme bildet, abgesehen vom Branntweinlager, nur das Mineralölsteuerlager. Für darin lagernde Waren wird Schwund, soweit er überhaupt auftritt, zwar grundsätzlich als ein zum Erlöschen der bedingten Steuer führender "Untergang" anerkannt (§ 36 Abs.6 Nr.1 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes; dazu Schädel/Langer/Gotterbarm, Mineralölsteuer/Mineralölzoll, 5.Aufl., MinöStG § 9 Rz.68, § 8 Rz.63). Aus dieser nur die Mineralölsteuer betreffenden Sonderregelung, die nur eine untergeordnete Rolle spielt (Schädel/Langer/Gotterbarm, a.a.O., § 8 Rz.239), läßt sich aber ein allgemeines Prinzip nicht ableiten. Dies ist umsoweniger möglich, als für das Zollager ―Vorbild des Branntweinlagers (vgl. Hoppe/Heinricht, Kommentar zum Gesetz über das Branntweinmonopol, 1960, VwO § 58 Anm.2)― ausdrücklich gilt, daß Schwund nicht als Untergang anzusehen ist (§ 5 Abs.2 Satz 2, 2.Halbs. ZG, insoweit in Verbindung mit den zollagerrechtlichen Vorschriften, auch über den maßgebenden Zeitpunkt der Einlagerung).

Die Branntweinsteuer selbst gehört allerdings zu den Verbrauchsteuern, bei denen es möglich ist, durch die Lagerung in Branntweinlagern ―früher nur Branntweineigenlager (Verschlußlager), jetzt auch offene Lager― die Versteuerung an den Absatz heranzuführen und damit Lager- und Bearbeitungsschwund von der Besteuerung freizustellen; § 91 Abs.1 BranntwMonG, § 68 Abs.1 VwO (grundsätzlich nur im Rahmen der ―gering bemessenen― Richtwerte, § 68 Abs.2 VwO). Sollen Behandlungen erfolgen, so gilt dies aber nur im Rahmen von § 58 VwO, der die zulässigen Lagertätigkeiten abschließend umschreibt. Dabei stellen, wie der Senat zu einer früheren Fassung dieser Vorschrift entschieden hat (Urteil vom 13.Mai 1959 VII 35/57 U, BFHE 69, 59, 65, BStBl III 1959, 284), die zugelassenen Be- und Verarbeitungen das Äußerste dar, was noch mit dem Begriff einer Branntweinlagerung vereinbar ist. Zu diesen Behandlungen gehörte und gehört u.a. die Verarbeitung von Branntwein zu Trinkbranntweinen (vgl. ―zu § 58 VwO a.F.― Hoppe/Heinricht, a.a.O.), nicht dagegen die Herstellung branntweinhaltiger Pralinen.

Es gibt auch keinen sonstigen, aus dem Wesen der Verbrauchsteuer abzuleitenden allgemeinen Grundsatz, auf den die Revision sich zu stützen vermöchte. Dem Erfordernis der Abwälzbarkeit der Steuer auf den Verbraucher wird bereits genügt, wenn die ―allgemeine― Möglichkeit besteht, die Belastung in den Preisen für das hergestellte Produkt weiterzugeben (BFHE 141, 369, 375, m.N.; Dänzer-Vanotti, Betriebs-Berater 1989, 754 f.). Unerheblich ist, ob dies auf dem Markt tatsächlich durchgesetzt werden kann.

b) Erfolg könnte die Revision nur haben, wenn es aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten wäre, die von ihr beabsichtigte Produktion den zulässigen Lagerbehandlungen, hier: der Verarbeitung von Branntwein zu bestimmten branntweinhaltigen Erzeugnissen (vor allem Trinkbranntwein), gleichzustellen. Das ist nicht der Fall. Das FG hat zutreffend erkannt, daß die Produktion der Klägerin mit den als Lagerbehandlungen zugelassenen Vorgängen nicht vergleichbar ist.

Was jeweils wesentlich gleich und was als so verschieden anzusehen ist, daß die Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt, hat regelmäßig der Gesetzgeber selbst zu entscheiden; seine sehr weite Gestaltungsfreiheit ist praktisch nur durch das Willkürverbot begrenzt (z.B. Senat, Urteil vom 17.Dezember 1981 VII R 15/79, BFHE 135, 102, 104, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). Bei Anlegung dieses Maßstabs erscheint es zumindest nicht willkürlich ―nicht sachlich unvertretbar oder auch nur nicht plausibel―, daß (u.a.) die Verarbeitung von Branntwein zu Trinkbranntwein als Lagerbehandlung zugelassen ist, nicht dagegen die Verwendung von Branntwein zur Herstellung branntweinhaltiger Pralinen. Zwischen beiden Erzeugnissen ―Trinkbranntwein und branntweinhaltigen Pralinen― bestehen Unterschiede, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.

Das Branntweinlager dient der Lagerung von Branntwein; ist die Lagerung beendet, so tritt "Branntwein" in den freien Verkehr über (§ 91 Abs.1 BranntwMonG, §§ 64, 66 VwO). Trinkbranntweine (und die weiteren in § 40 Abs.1 VwO bezeichneten branntweinhaltigen Erzeugnisse) können ―noch (vgl. auch BFHE 69, 59, 65)― als "Branntwein" angesehen werden; das gilt insbesondere für Trinkbranntwein, der durch eine nur zur Vergrößerung des Volumens führende Vermischung gewonnen wird (Senat, Urteil vom 26.Juni 1990 VII R 5/88, BFHE 161, 225, 229). Der Branntwein ist hier, wie das HZA vorgetragen hat, das "zentrale Produktionselement". Anders ist das bei branntweinhaltigen Pralinen. Es erscheint bereits fraglich, ob nicht mit ihrer Herstellung schon von einem Verbrauch des Steuergegenstandes Branntwein als solchem auszugehen ist (vgl. Peters, a.a.O., Tz.46), dann von einer verbrauchsteuerlichen Belastung in der zulässigen Form einer "Produktionssteuer" (BFHE 141, 369, 372; Dänzer-Vanotti, a.a.O.). Jedenfalls sind branntweinhaltige Pralinen nach ihrer Beschaffenheit alkoholhaltige Süßwaren (zolltarifliche Unterposition 1806 9011), kein Branntwein usw. (Zolltarif- Position 2208), auch wenn in ihnen dieser Stoff ―neben den sonstigen Bestandteilen― enthalten ist. Ob der Verordnungsgeber hiernach überhaupt ―ermächtigungskonform― eine Regelung der von der Klägerin erstrebten Art hätte treffen dürfen, kann jedoch letztlich offenbleiben. Zumindest konnte er sich im Hinblick auf den Unterschied zwischen "Branntwein" und Erzeugnissen, die nicht (mehr) Branntwein sind, so wie geschehen entscheiden. Dies gilt auch mit Rücksicht darauf, daß im Zollager, dem Vorbild des Branntweinlagers, "Lagerbehandlungen" wie die Herstellung branntweinhaltiger Pralinen aus Branntwein nicht möglich sind. Die Verdünnung von alkoholischen "Getränken" mit Wasser zur Herabsetzung des Alkoholgehalts kann hingegen als zollagerrechtliche Behandlung zugelassen werden (Art.1 Nr.16 der Richtlinie 71/235/ des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21.Juni 1971, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 143/28; § 45 Abs.3 ZG, § 91 Abs.1 der Allgemeinen Zollordnung, VSF Z 1303 Abschn.II Nr.14). Daß § 91 BranntwMonG selbst verfassungsrechtlichen Bedenken begegne, macht die Revision nicht geltend. Solche Bedenken sind auch nicht ersichtlich.

c) Für eine analoge Anwendung von § 58 VwO ist kein Raum. Eine "planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes", Voraussetzung für eine solche Lückenfüllung (z.B. BFH, Urteil vom 21.Mai 1987 IV R 339/84, BFHE 150, 32, 35, BStBl II 1987, 625), liegt nach dem zuvor Ausgeführten nicht vor. Schon aus diesem Grunde ist es auch nicht möglich, dem Anliegen der Klägerin im Billigkeitswege (vgl. § 177 BranntwMonG) zu entsprechen. Außersteuerliche Gesichtspunkte wie wettbewerbsmäßige Auswirkungen einer bei unterschiedlichen Gegebenheiten unterschiedlichen Besteuerung vermögen ihren Anspruch nicht zu stützen (BFHE 141, 369, 383).

 

Fundstellen

Haufe-Index 63743

BFH/NV 1991, 42

BFHE 164, 148

BFHE 1992, 148

BB 1991, 1184 (L)

HFR 1991, 521 (LT)

StE 1991, 215 (K)

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