Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbrauchsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Der Begriff "Auszüge" im § 58 Abs. 2 VwO umfaßt nicht im Wege der Destillation hergestellte Essenzen. Die Genehmigung der Aufstellung von Destilliergeräten zur Herstellung solcher Essenzen im Branntweineigenlager kann daher auf Grund der genannten Bestimmung nicht verlangt werden.

 

Normenkette

BrMonG § 47; BrMonG § 91; VwO § 58

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hatte am 16. Februar 1953 beim Hauptzollamt den Antrag gestellt, ihr die Aufstellung von Destilliergeräten zur Herstellung von Essenzen in ihrem Branntweineigenlager zu gestatten. Der Antrag wurde vom Hauptzollamt mit Verfügung vom 24. Februar 1953 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde an die Oberfinanzdirektion blieb ebenso erfolglos wie die daraufhin nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) beim Finanzgericht eingelegte Berufung.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des geltenden Rechts. Zur Begründung der Rb. läßt die Bfin. im wesentlichen folgendes vortragen:

Die Vorentscheidungen seien bei der Anwendung des einschlägigen § 58 Abs. 2 der Branntweinverwertungsordnung (Anlage 2 der Grundbestimmungen zum Gesetz über das Branntweinmonopol vom 8. April 1922), im folgenden abgekürzt VwO, zu Unrecht davon ausgegangen, diese Bestimmung gestatte dem Hauptzollamt nur, die Herstellung von Frucht- und Drogenauszügen und die Verwendung des auf dem Branntweineigenlager befindlichen Branntweins hierzu im sogenannten "kalten Verfahren" zuzulassen, während sie die Genehmigung der Herstellung dieser Auszüge im Wege der Destillation, also im sogenannten "heißen Verfahren" innerhalb des Lagers nicht abdecke. Weder der Wortlaut dieser Bestimmung noch der Zweck des Branntweineigenlagers, die Besteuerung des Branntweins möglichst bis zur Abgabe an den Verbraucher hinauszuschieben, rechtfertige eine so enge Auslegung dieser Bestimmung. Die Auffassung der Vorinstanzen stehe auch im Widerspruch zu der im Schrifttum zu dieser Frage vertretenen Meinung sowie zu dem in den Akten befindlichen Gutachten hervorragender Kenner der Materie. Ferner ergebe sich die Unrichtigkeit der in den Vorentscheidungen vertretenen Auffassung auch aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs V z 71/52 U vom 19. Dezember 1952 (BStBl 1953 III S. 54, BZBl 1953 S. 100, Slg. Bd. 57 S. 133).

Der Begriff "Auszüge" umfasse im Branntweingewerbe nicht nur die auf "kaltem Wege", sondern auch die im Wege der Destillation mit Aromastoffen angereicherten Flüssigkeiten. In diesem Sinne müsse daher auch der Begriff "Herstellung von Auszügen" im § 58 Abs. 2 VwO verstanden werden; er schließe daher die Destillation ein. Daraus folge, daß dann auch die Aufstellung von Destilliergeräten im Branntweineigenlager zugelassen werden könne bzw. müsse, wenn nicht im einzelnen Falle besondere Umstände - etwa außergewöhnliche Schwierigkeiten bei der überwachung - dies für die Verwaltungsbehörden unzumutbar erscheinen ließen. Dies sei bei der Bfin. jedoch nicht der Fall, da bei ihr ohnedies fast täglich ein überwachungsbeamter anwesend sei.

Wenn schließlich darauf abgestellt werde, daß die Zulassung der Destillation im Lager die Durchführung der Lagerüberwachung gefährde, weil dann jede Fehlmenge im Lager als Destillationsschwund erklärt werden könne, und daß auch aus diesem Grunde der § 58 Abs. 2 VwO nicht in dem von der Bfin. begehrten Sinne ausgelegt werden könne, so sei dem entgegenzuhalten, daß jeder Destillateur im eigensten Interesse den Schwund so niedrig wie möglich zu halten bestrebt sei. Auch sei nicht einzusehen, warum der Fiskus nicht gehalten sein sollte, für den bei der Destillation zwangsweise entstehenden Schwund auf die Steuer dadurch zu verzichten, daß er die Destillation im Lager zulasse.

Dies sei von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die bevorstehende wirtschaftliche Entwicklung im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), bei der sich die deutsche Branntweinwirtschaft durch den Wegfall der Zölle einer verschärften Konkurrenz vor allem der französischen Spirituosenerzeugung gegenübersehe, die gerade bezüglich des im vorliegenden Falle streitigen Umstandes unter günstigeren Bedingungen arbeite.

Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Streitig ist die Frage, ob das Hauptzollamt auf Grund von § 58 Abs. 2 VwO berechtigt ist, die Aufstellung von Destilliergeräten in einem Branntweineigenlager zum Zwecke der Herstellung von "Auszügen" im Wege der Destillation mit Hilfe des im Lager vorhandenen Branntweins und damit diese Herstellung selbst zu gestatten. Nach der angeführten Bestimmung kann das Hauptzollamt auch bewilligen, daß der in das Lager aufgenommene Branntwein ganz oder teilweise durch Vermischung mit Fruchtsäften, Wein, Zuckerlösungen, Abkochungen und Auszügen von Früchten, Fruchtschalen, Tee, Holz und anderen anregenden Stoffen weiterverarbeitet oder zur Herstellung von Auszügen aus jenen Stoffen verwendet wird. Da diese Bestimmung unstreitig das Weiterverarbeiten des auf dem Lager befindlichen Branntweins durch Vermischen mit Auszügen aus den dort genannten Stoffen sowie die Verwendung des Branntweins zur Herstellung von Auszügen aus diesen Stoffen auf Grund einer vom Hauptzollamt zu erteilenden Genehmigung zuläßt, geht es also im vorliegenden Streitfall um die Frage, was im Sinne des Abs. 2 des § 58 VwO unter "Auszügen" zu verstehen ist. Während die Bfin. unter Berufung auf einen Teil des Schrifttums und von ihr überreichte Gutachten die Ansicht vertritt, unter "Auszügen" im Sinne der genannten Vorschrift seien alle im Aroma angereicherten Flüssigkeiten zu verstehen, einerlei auf welche Weise die Anreicherung mit Geschmacks- und Geruchsstoffen zustande gekommen sei, ob auf sogenanntem kalten Wege durch Mazeration oder Kaltextraktion, ob durch Digestion oder Heißextraktion, ob durch Perkolation und schließlich ob auch durch Destillation, steht die Verwaltung und - deren Ansicht bestätigend - die Vorinstanz auf dem Standpunkt, die durch Destillation mit Aromastoffen angereicherten Flüssigkeiten fielen nicht unter den Begriff "Auszüge" im Sinne des § 58 Abs. 2 VwO. Sie berufen sich dabei auf den Wortlaut der Bestimmung und ihre unterschiedliche Fassung insbesondere gegenüber Abs. 4 des gleichen Paragraphen, auf Sinn und Zweck der Lagervorschriften und die gleichgeartete Regelung für die Branntweinreinigung in § 58 Abs. 1 VwO.

Nach eingehender Prüfung aller für und gegen die sich widersprechenden beiderseitigen Auffassungen vorgetragenen Gründe ist der Senat zu der überzeugung gelangt, daß die von der Verwaltung vertretene und durch das Urteil der Vorinstanz bestätigte Auffassung die zutreffende ist.

In der Rechtsbeschwerdebegründung behauptet die Bfin., im Branntweingewerbe unterscheide man bei der Aufgliederung des Oberbegriffes "Essenzen" zur Darlegung der Gewinnungsweise im allgemeinen nur "Mazerate" und "Destillate"; außerdem werde auch der Begriff "Extrakte" gebraucht. Mit dem Begriff "Auszüge" wisse der Praktiker weniger anzufangen. Jedenfalls umfasse der Begriff "Auszüge" sowohl Mazerate als auch Destillate.

Demgegenüber enthalten die "Begriffsbestimmungen für Spirituosen" mit Erläuterungen von Rechtsanwalt Dr. H. Mosler (endgültige Fassung vom Mai 1957) in Art. 4: Essenzen folgende Aufgliederung:

"1. Soweit nach diesen Begriffsbestimmungen zulässig, werden zur gewerblichen Herstellung von Spirituosen nur folgende Essenzen verwendet:

Destillate, die ausschließlich durch Destillation von Früchten, Fruchtteilen oder anderen Pflanzenteilen, Gewürzen, Drogen oder Säften mit Alkohol (äthylalkohol) gewonnen worden sind.

Extrakte (Auszüge), die durch Ausziehen von Früchten, Fruchtteilen oder anderen Pflanzenteilen (Kräuter, Drogen) und anderen natürlichen Stoffen mit Alkohol (äthylalkohol) hergestellt worden sind."

Im Vorwort zu diesen Begriffsbestimmungen heißt es: "Die vorliegende Neufassung der Begriffsbestimmungen für Spirituosen wurde in jahrelanger Zusammenarbeit aller interessierten Kreise - der Industrie, des Handels und der die Gesamtinteressen wahrenden Behörden geschaffen.

Die Begriffsbestimmungen für Spirituosen sind eine Zusammenstellung der für die Auslegung des § 4 des Lebensmittelgesetzes maßgeblichen Normen. Darüber hinaus ist in ihnen der Handelsbrauch der Spirituosenwirtschaft festgehalten, soweit er sich auf Herstellung, Kennzeichnung und Ausstattung bezieht.

Die Begriffsbestimmungen dienen dem Schutz des Verbrauchers und stellen das Mindestmaß dessen dar, was dieser nach Treu und Glauben von den ihm angebotenen Spirituosen erwarten darf. - Diese allgemeine Verkehrsauffassung ist für die Gerichte eine wesentliche Grundlage bei der Entscheidung darüber, ob Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz bzw. gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vorliegen - so, wie dies seit Jahrzehnten auch bei der bisherigen Fassung der Begriffsbestimmungen der Fall war. ..."

Die oben wiedergegebenen Begriffsbestimmungen für Destillate und Extrakte (Auszüge) sind, wie der Senat festgestellt hat, durch den gesamten Inhalt der "Begriffsbestimmungen" unverändert und uneingeschränkt aufrechterhalten.

Demnach erweist sich die Behauptung der Bfin., der Begriff "Auszüge" sei im Branntweingewerbe ungebräuchlich und habe keinen bestimmten Inhalt, als unzutreffend. Was die Bfin. zu dieser Frage in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, vermag nicht zu überzeugen. Der Senat trägt jedenfalls keine Bedenken, die in den Begriffsbestimmungen zum Ausdruck kommenden Auffassungen und Definitionen als die im Branntweingewerbe herrschende Verkehrsauffassung anzusehen. Geht man aber von diesen Begriffsbestimmungen aus, so ergibt sich eindeutig, daß "Destillate" etwas anderes sind als "Extrakte" = "Auszüge".

Es ist weiter festzustellen, daß die in den vorgenannten "Begriffsbestimmungen" gemachten Unterschiede zwischen "Destillaten" und "Auszügen" auch dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen. Danach bedeutet "extrahieren" soviel wie "Auszug machen", "auslaugen" oder "ausziehen", während "destillieren" "trennen durch Umsieden" heißt. Es ist schlechterdings nicht einzusehen, warum gerade der Verordnungsgeber diese Begriffe im Rahmen des § 58 VwO in einem anderen, von dem allgemeinen, auch in der Branntweinwirtschaft gebrauchten Begriffsinhalt abweichenden Sinne hätte verwendet haben sollen. Dies kann um so weniger angenommen werden, weil der Verordnungsgeber, worauf von seiten der Verwaltung und auch von der Vorinstanz mit Recht hingewiesen wird, im Abs. 4 des § 58 VwO die Begriffe "Auszüge" und "Destillate" von Früchten und dergleichen ausdrücklich nebeneinander gebraucht. Der Bundesfinanzhof hat bereits in dem Urteil V z 187/57 S vom 26. Juni 1958 (BStBl 1958 III S. 347, BZBl 1958 S. 626, Slg. Bd. 67 S. 197) ausgeführt, es sei schlechterdings ausgeschlossen, daß in einem einheitlichen Gesetz gleichlautende Begriffe in verschiedener Bedeutung verwendet werden, ohne daß dies besonders zum Ausdruck gebracht ist. Außerdem spricht der Verordnungsgeber im letzten Satz von § 58 Abs. 2 VwO von "ausgelaugten (!) Früchten usw.". Auch hieraus ergibt sich, daß der § 58 Abs. 2 VwO nur das "Ausziehen" = "Auslaugen", nicht aber das "Destillieren" zugelassen wissen will.

Die Oberfinanzdirektion sowohl wie der Bundesminister der Finanzen haben mit Recht darauf hingewiesen, daß aus der Fassung von Abs. 4 des § 58 VwO gefolgert werden müsse, daß unter "Auszügen" im Sinne des ganzen § 58 nicht auch "Destillate" verstanden werden könnten. Wenn nämlich, so wie es die Bfin. behauptet, unter Auszügen auch Destillate zu verstehen wären, so bleibt es nach Auffassung des Senats unverständlich, warum dann "Auszüge und Destillate von Früchten und dergleichen" in Abs. 4 a. a. O. nebeneinander genannt sind. Es hätte genügt zu sagen: "Auszüge aus Früchten und dergleichen." Der Senat ist vielmehr der Auffassung, daß durch die besondere Erwähnung der Destillate gerade eine zusätzliche Möglichkeit der Verarbeitung von außerhalb des Lagers hergestellten Destillaten unter den besonderen Voraussetzungen dieser Bestimmung geschaffen werden sollte, weil die Herstellung solcher Destillate innerhalb des Lagers nach Abs. 2 a. a. O. nicht zulässig ist. Denn daß es sich bei den "Destillaten aus Früchten" nicht etwa um Obstbranntwein im Gegensatz zu "Auszügen aus Obst" - so wie die Bfin. den Begriff "Auszug" verstanden wissen will - handeln kann, geht klar daraus hervor, daß Branntwein aus Obststoffen ebenfalls gesondert in der gleichen Bestimmung aufgeführt ist.

Auch der zur Stützung ihrer Ansicht vorgetragene Hinweis der Bfin. auf das oben bereits erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Dezember 1952 geht fehl. Die Bfin. will aus dem Urteil folgern, daß der Bundesfinanzhof mit diesem Urteil die Herstellung von Destillaten mit Genehmigung des Hauptzollamts im Lager für zulässig erachtet habe. Dieser Schluß ist irrig. Das fragliche Urteil hat sich allein mit der Frage beschäftigt, ob das Hauptzollamt die Herstellung von Destillaten aus eingelagertem Branntwein außerhalb des Lagers in der Weise zuzulassen befugt sei, wie es geschehen war, nämlich unter der Fiktion, daß der Branntwein trotz seiner Verarbeitung außerhalb des Lagers dieses nicht verlassen habe. Daraus kann nichts für die hier im Streitfall zu entscheidende Frage hergeleitet werden.

Führen alle diese überlegungen nach Auffassung des Senats aber zwangsläufig zu der Feststellung, daß die Begriffe "Auszüge" und "Destillate" etwas Unterschiedliches bedeuten, nämlich daß der Begriff "Auszüge" in § 58 VwO nur solche Aromaanreicherungen umfaßt, die nicht im Wege der Destillation, das heißt des Umsudes, bewirkt werden, und daß der Verordnungsgeber diese Begriffe bei der Formulierung des § 58 a. a. O. einheitlich als unterschiedliche Begriffe verwendet hat, so würde eine andere Auslegung des Begriffes "Auszug" einer Auslegung gegen den Wortlaut der Bestimmung gleichkommen.

Eine solche Auslegung ist zwar möglich, aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteile IV 10/52 U vom 30. April 1952, BStBl 1952 III S. 164, Slg. Bd. 56 S. 420; I 113/52 U vom 10. Februar 1953, BStBl 1953 III S. 102, Slg. Bd. 57 S. 254, und IV 206/52 U vom 16. April 1953, BStBl 1953 III S. 166, Slg. Bd. 57 S. 427) nur zulässig und geboten, wenn entweder anzunehmen ist, daß der Gesetzgeber tatsächlich etwas anderes gewollt habe, als er zum Ausdruck brachte - hierfür besteht jedoch im vorliegenden Falle keinerlei Anhaltspunkt -, oder wenn die wörtliche Anwendung der Bestimmungen zu einem wirtschaftlich nicht vertretbaren unsinnigen Ergebnis führen würde. Doch auch hierfür vermag der Senat keine ausreichenden Gründe zu erkennen.

Es ist zwar richtig, daß der Zweck des Branntweineigenlagers die Heranführung der Versteuerung an den Absatz ist, und daß es für das Branntweingewerbe vorteilhaft wäre, wenn auch das Gewinnen von Essenzen durch Destillation im Lager zugelassen werden könnte, um damit den Schwund bei der Destillation von der Besteuerung freizustellen. Darin aber, daß dies bei einer dem Wortlaut entsprechenden Anwendung des § 58 VwO nicht möglich ist, ein sinnwidriges, vom Verordnungsgeber offenbar nicht gewolltes Ergebnis erblicken zu wollen, ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht angängig. Nicht jede sich aus einer Vorschrift ergebende nachteilige Folge für den betroffenen Wirtschaftskreis ist ein dem Sinn und Zweck der Vorschriften und der wirtschaftlichen Betrachtungsweise widersprechendes Ergebnis im Sinne von § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes. Es sprechen im vorliegenden Falle hinreichende Gründe dafür, anzunehmen, daß der Verordnungsgeber unter Abwägung der verschiedenen Interessen eine Regelung getroffen hat, die als ein Ausgleich zwischen den Interessen des betroffenen Wirtschaftszweiges und den mit einer Lagerhaltung in Einklang zu bringenden Möglichkeiten anzusehen ist und die dem Sinngehalt der gesetzgeberisch zu gestaltenden Materie entspricht.

Es kann nicht übersehen werden, daß der ganze § 58 VwO ein Entgegenkommen gegenüber der Branntweinwirtschaft bedeutet. Die dort vom Verordnungsgeber auf Grund der Ermächtigung des § 47 - nicht § 91 - des Branntweinmonopolgesetzes (BrMonG) - vgl. das bereits erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Dezember 1952 - zugelassenen Be- und Verarbeitungen des auf dem Lager befindlichen Branntweins stellen nach Auffassung des Senats das äußerste dar, was überhaupt noch mit dem Begriff einer Branntweinlagerung vereinbar ist. Es ist zutreffend, worauf der Bundesminister der Finanzen und die Oberfinanzdirektion hinweisen, daß bei der Destillation der Branntwein als solcher zunächst zu bestehen aufhört, indem er in einen anderen Aggregatzustand, nämlich in Alkoholdämpfe, umgewandelt und erst anschließend wieder zu einer lagerfähigen Flüssigkeit kondensiert wird. Dieser Vorgang kann auch nach Auffassung des Senats begrifflich nicht mehr als mit dem Wesen der Lagerung vereinbar angesehen werden. Denn die Destillation von mit Alkohol angesetzten Früchten ist zwar normalerweise keine Gewinnung von Alkohol, wohl aber eine Rückgewinnung von Branntwein, jedenfalls aber kein der Lagerung zuzurechnender Vorgang, wie es die anderen im § 58 Abs. 1 und 4 VwO zugelassenen Arbeitsvorgänge sind.

In diesem Zusammenhang erscheint auch der Hinweis wesentlich, den der Vertreter des Bundesministers der Finanzen in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, nämlich daß auch die im Abs. 1 des § 58 VwO zugelassene Reinigung von Branntwein innerhalb des Lagers genau unter den gleichen Gesichtspunkten geregelt ist. Auch die Reinigung ist nur im Wege der dem Lagercharakter entsprechenden Filtration, nicht aber mit Hilfe der für solche Zwecke ebenfalls geeigneten Destillation zulässig.

Nach alledem kommt der Senat zu dem Schluß, daß der Verordnungsgeber die Bestimmungen bewußt so gestaltet hat, wie sie sich nach ihrem Wortlaut ohne Zwang zur Auslegung anbieten und daß er damit gegenüber dem Interesse an der Aufrechterhaltung des Lagercharakters eines Branntweineigenlagers einerseits sowie dem Interesse der Wirtschaft an einer weitgehenden Heranschiebung der Versteuerung an den Verkauf und einer möglichsten Vermeidung der Schwundbesteuerung andererseits im § 58 VwO diejenige sinnvolle Grenze gezogen hat, die bei einer Abwägung der verschiedenen Interessen eben noch vertretbar war.

Für die Rechtsanwendung unbeachtlich ist demgegenüber, was die Bfin. hinsichtlich der bevorstehenden Entwicklung der Wirtschaftslage für das Branntweingewerbe im Rahmen der EWG vorgetragen hat. Die hierzu vorgebrachten Gesichtspunkte könnten nur durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber de lege ferenda berücksichtigt werden.

Auch die von der Bfin. vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen können die Entscheidung nicht in einem anderen Sinne beeinflussen. Das Gutachten von Prof. Dr. Haeseler trägt sogar wesentlich zur Stützung der vom Senat vertretenen Ansicht bei, indem es in seinen Ausführungen zu den Begriffen Auszug und Destillation bestätigt, daß auch die technologische Literatur den Begriffen Auszug und Destillation eine unterschiedliche Bedeutung gibt. Die weiteren Ausführungen und Folgerungen dieses Gutachtens gehen wie alle anderen Gutachten von der - nach Ansicht des Senats - irrigen Auffassung aus, daß die Fassung des § 58 VwO keinen Unterschied zwischen Auszügen und Destillaten im oben ausgeführten Sinne mache, und stützen ihre Auffassung vom Ergebnis der Betrachtung her, indem sie das wirtschaftliche Bedürfnis für die Zulassung der Destillation im Lager zur Herstellung von Essenzen mit Hilfe des im Lager befindlichen Branntweins bejahen. Der Senat vermag dieser Auffassung aus den oben dargelegten Gründen nicht zu folgen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409382

BStBl III 1959, 284

BFHE 1960, 59

BFHE 69, 59

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