Leitsatz (amtlich)

Beschränkt sich die Beförderung mit Kraftfahrzeugen, die in Berlin (West) ihren Standort haben, im Werkfernverkehr nur auf das Bundesgebiet und wird nicht auch die Beförderung zwischen Berlin (West) und dem Bundesgebiet im Werkfernverkehr durchgeführt, dann ist die Ermäßigungsvorschrift nicht anwendbar.

 

Normenkette

BefStG 1955 § 11 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a

 

Tatbestand

Die Beschwerdegegnerin (Bgin.), die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in Berlin hat, beförderte nach der von ihr für den Monat Juni 1956 eingereichten Nachweisung in diesem Monat im Werkfernverkehr Zement von dessen Herstellungsort X. (Westfalen) zum Hafenort Y. Von da ab ließ sie den Zement nach Berlin (West) mit Binnenschiffen weiterbefördern.

Streitig ist, ob auf die Beförderungen von X. nach Y. die Ermäßigungsvorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a des Beförderungsteuergesetzes (BefStG) 1955 anwendbar ist, wonach sich die Steuer für Beförderungen im Werkfernverkehr auf 50 v. H. der regelmäßigen Steuer ermäßigt, wenn es sich um "Beförderungen ... unmittelbar zwischen Berlin (West) und dem Bundesgebiet" handelt.

Das Verwaltungsgericht hat im Gegensatz zum Finanzamt und zum Landesfinanzamt die Anwendbarkeit der Ermäßigungsvorschrift bejaht. Die Ermäßigung sei nicht daran gebunden, daß die Beförderung zwischen Berlin (West) und dem Bundesgebiet vollständig im Werkfernverkehr ausgeführt wird. Aus dem Wortlaut der Ermäßigungsvorschrift ergebe sich keine solche Einschränkung. Gegen die Auffassung des Finanzamts spreche vor allem der mit dem § 11 BefStG 1955 verfolgte Zweck. Dieser gehe dahin, der verkehrspolitisch erstrebten Zurückdrängung des Werkverkehrs zu dienen; daher die im § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b vorgesehenen steigenden Steuersätze. Die Steuersätze sollten zum Ausweichen auf andere Beförderungsarten Anlaß geben. Auf der anderen Seite aber wolle das Gesetz den durch die Höhe der Steuersätze ausgeübten Druck dort abschwächen, wo schon aus anderen Gründen wirtschaftlich benachteiligte Gebiete durch erhöhte Lasten benachteiligt würden; daher die Ermäßigungsvorschrift im § 11 Abs. 2 Nr. 3 BefStG 1955. Das Gesetz wolle also auf der einen Seite den Werkfernverkehr verringern, auf der anderen Seite aber bei bestimmten Beförderungen die erhöhten Steuersätze nur abgeschwächt wirksam werden lassen. Mit diesem Gesetzeswillen würde es im Widerspruch stehen, wenn nur bei ausschließlich im Werkfernverkehr durchgeführten Beförderungen eine Ermäßigung eintreten würde. Denn dann würde eine geringere Beförderungsleistung im Werkfernverkehr steuerlich benachteiligt und somit ein Anreiz zu vollständiger Beförderung im Werkfernverkehr gegeben sein. Andererseits aber entspreche es dem Willen des Gesetzes, die Steuererhöhung bei Beförderungen zwischen Berlin (West) und dem Bundesgebiet abzuschwächen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts wird die Berufung der Bgin. unter Aufhebung der Vorentscheidung als unbegründet zurückgewiesen.

Die Bgin. hat zunächst Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die dort anhängige Frage der Verfassungsmäßigkeit der im § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BefStG 1955 vorgeschriebenen Steuersätze für den Werkfernverkehr gestellt. Der Senat sieht nach Prüfung keinen begründeten Anlaß, diesem Antrag stattzugeben.

In der Sache selbst ist zwar die Frage, ob es sich bei den in Betracht kommenden Beförderungen um solche "unmittelbar" zwischen Berlin (West) und dem Bundesgebiet gehandelt hat, zu bejahen. Eine Beförderung ist auch dann eine unmittelbare, wenn die beförderten Güter infolge Wechsels des Beförderungsmittels umgeschlagen werden, ohne daß eine sonstige, d. h. eine nicht mit der Beförderung selbst oder der Beförderungsart zusammenhängende, Unterbrechung in der Beförderung eintritt. Aber auch wenn die Unmittelbarkeit der Beförderung gegeben ist, so ist damit die Ermäßigungsvorschrift entgegen der Meinung der Bgin. nicht ohne weiteres anwendbar. Nach dem Wortlaut und dem Sinn der Ermäßigungsvorschrift muß vielmehr die Beförderung unmittelbar zwischen Berlin (West) und dem Bundesgebiet im Werkfernverkehr durchgeführt werden, wenn die Ermäßigung Platz greifen soll. Es kann der Vorinstanz nicht zugestimmt werden, wenn sie sich zur Begründung ihrer Auffassung darauf beruft, daß der Wortlaut der Ermäßigungsvorschrift keine dahingehende Einschänkung enthalte. Die Worte Im Werkfernverkehr ... ermäßigt sich die Steuer" und deren Fortsetzung "bei Beförderungen ... unmittelbar zwischen Berlin (West) und dem Bundesgebiet" können nicht getrennt voneinander gelesen und beurteilt werden. Hiernach und auch nach dem Sinn der Vorschrift sind nicht Beförderungen unmittelbar zwischen Berlin (West) und dem Bundesgebiet begünstigt, soweit sie im Werkfernverkehr durchgeführt werden, sondern nur Beförderungen, die unmittelbar zwischen Berlin (West) und dem Bundesgebiet im Werkfernverkehr durchgeführt werden.

Diese Auslegung der Vorschrift steht keineswegs im Widerspruch mit dem Gesetzeswillen. Es ist nicht sinnwidrig, wenn der Gesetzgeber bei seinem Bestreben, der wirtschaftlichen Notlage Berlins Rechnung zu tragen, nicht den von einem Berliner Unternehmen lediglich im Bundesgebiet betriebenen Werkfernverkehr, auch wenn sich dieser als Teil der Beförderung eines Gutes unmittelbar vom Bundesgebiet nach Berlin (West) oder umgekehrt darstellt, sondern nur den zugleich der Überwindung der Gesamtstrecke zwischen Berlin (West) und dem Bundesgebiet dienenden Werkfernverkehr begünstigt, um eben die Härte zu mildern, die sich aus der abseitigen Lage Berlins gegenüber dem Bundesgebiet für die Berliner Wirtschaft infolge der Erhöhung des Steuersatzes für die Beförderungen im Werkfernverkehr ergibt. Es mag sein, daß diese Beschränkung der Vergünstigung im einzelnen Fall einen Anreiz zur Befördederung von Gütern nur im Werkfernverkehr statt - wie im Streitfall - teilweise im Werkfernverkehr und teilweise durch das Beförderungsgewerbe geben kann, was allerdings den Beweggründen für die Erhöhung des Steuersatzes für Beförderungen im Werkfernverkehr nicht entsprechen würde. Diese - offenbar nur geringe - Möglichkeit zwingt jedoch nicht dazu, der Vorschrift einen anderen Sinn beizulegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409355

BStBl III 1959, 284

BFHE 1960, 57

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge