Leitsatz (amtlich)

Die Tätigkeit eines Mitglieds des Verwaltungsausschusses einer von einer Ärztekammer betriebenen Ärzteversorgung ist nicht als Leistung öffentlicher Dienste im Sinne des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG anzusehen, da die Ärzteversorgung ein Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG ist.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 12 S. 2; KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) beantragten, den dem Kläger für 1967 als Mitglied des Verwaltungsausschusses der Westfälisch-Lippischen Ärzteversorgung gezahlten Betrag von ... DM zu einem Drittel als steuerfreie Aufwandsentschädigung anzuerkennen. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) gab diesem Antrag nicht statt. Auf die Klage setzte das FG die Einkommensteuer 1967 auf ... DM unter Abänderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids und der Einspruchsentscheidung fest und führte aus: Der dem Kläger, der als Mitglied des Verwaltungsausschusses der Westfälisch-Lippischen Ärzteversorgung öffentliche Dienste geleistet habe, von einer öffentlichen Kasse gezahlte Betrag sei zu einem Drittel als steuerfreie Aufwandsentschädigung zu behandeln. Die Ärztekammer nehme als öffentlich-rechtliche Körperschaft zumindest überwiegend Aufgaben der schlichten Hoheitsverwaltung wahr, die Versorgungseinrichtung sei kein Betrieb gewerblicher Art nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG. Für die der Kammer angeschlossenen Ärzte bestehe eine (abgesehen von besonderen Befreiungsvorschriften) Zwangsmitgliedschaft zu der Ärzteversorgung.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG und führt aus, die Westfälisch-Lippische Ärzteversorgung sei ein Betrieb gewerblicher Art der Ärztekammer Westfalen-Lippe, denn sie sei ein organisatorisch und wirtschaftlich selbständiges Versorgungswerk, das sich mit der Absicht der Einnahmeerzielung nachhaltig betätige. Eine gesetzliche Verpflichtung der Ärzte, die ihre Versorgungsansprüche durch Leistung von Beiträgen erwürben, Mitglied der Ärzteversorgung zu werden, bestehe nicht; daher sei die Ärzteversorgung auch nicht der Sozialversicherung gleichzusetzen.

Das FA beantragt, das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als die dem Kläger als Mitglied des Verwaltungsausschusses der Westfälisch-Lippischen Ärzteversorgung gezahlten Beträge zu einem Drittel als steuerfreie Aufwandsentschädigung anerkannt wurden.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG 1957 ff. sind Bezüge steuerfrei, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, daß sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Nicht zutreffend hat das FG den dem Kläger als Mitglied des Verwaltungsausschusses der Ärzteversorgung gezahlten Betrag zum Teil als steuerfreie Aufwandsentschädigung im Sinne dieser Bestimmung angesehen. Zwischen den Beteiligten ist zwar unstreitig, daß die Zahlungen an den Kläger aus einer öffentlichen Kasse geleistet worden sind. Der Kläger hat jedoch - wie das FA richtig vorträgt - als Mitglied des Verwaltungsausschusses der Ärzteversorgung, einer gewerblichen Einrichtung der Ärztekammer, keine öffentlichen Dienste geleistet. In seiner Entscheidung vom 15. März 1968 VI R 288/66 (BFHE 92, 11, BStBl II 1968, 437) hat der BFH zwar seine Auffassung aufgegeben, nach der öffentliche Dienste nur solche Personen leisten, die ausschließlich oder überwiegend mit öffentlich-rechtlichen (hoheitlichen) Aufgaben befaßt sind, und hat ausgeführt, daß auch solche Personen, die Aufgaben der sogenannten schlichten Hoheitsverwaltung erfüllen, ebenfalls öffentliche Dienste leisten. Eine Betätigung in einem Betrieb gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) ist jedoch nicht als öffentlicher Dienst im Sinne des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG anzuerkennen (BFH-Urteil vom 13. August 1971 VI R 391/69, BFHE 103, 165, BStBl II 1971, 818). Die Ärzteversorgung nach der Satzung der Westfälisch-Lippischen Ärzteversorgung, beschlossen aufgrund des § 5 Abs. 3 des Gesetzes über die Kammern und Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Apotheker, Tierärzte und Zahnärzte vom 3. Juni 1954 (Sammlung des bereinigten Landesrechts Nordrhein-Westfalen S. 376), gehört nicht zu dem Bereich der sogenannten schlichten Hoheitsverwaltung, sondern ist ein Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG.

Zu den Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts gehören alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen oder anderen wirtschaftlichen Vorteilen dienen (§ 1 KStDV).

Diese Voraussetzungen sind bei der auf Versorgung der Ärzte in weitestem Sinne (Altersrente, Berufsunfähigkeitsrente, Hinterbliebenenrente, Kinderzuschuß, Erstattung und Übertragung der Versorgungsabgabe und Kapitalabfindung gemäß § 8 der Satzung vom 25. März 1960) gerichteten Ärzteversorgung erfüllt, denn sie hebt sich innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft Ärztekammer wirtschaftlich - wie Organisation und Aufgabe der Ärzteversorgung beweisen - heraus. Zudem besteht der Verwaltungsausschuß der Versorgungseinrichtung aus anderen Mitgliedern als denen der Kammer, so daß besondere Leitung und gesonderter Geschäftskreis Merkmale dafür sind, daß die Versorgung ein Betrieb gewerblicher Art ist.

Das ergibt sich insbesondere aus der gesetzlichen Regelung, nämlich mittelbar aus § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG, der davon ausgeht, daß berufständische Pflichtversorgungseinrichtungen unter § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG fallen und ferner aus § 6 KStDV, wonach öffentlich-rechtliche Versicherungsanstalten auch dann unbeschränkt steuerpflichtig sind, wenn sie mit Zwangs- oder Monopolrechten ausgestattet sind. Daher ist die Zwangsmitgliedschaft der der Ärztekammer angehörenden Ärzte zur Ärzteversorgung nach § 6 Abs. 1 der Satzung vom 25. März 1960 in der Fassung der bis zum 8. Dezember 1968 ergangenen Änderungen bzw. nach §§ 2 und 5 der Neufassung der Satzung der Ärztekammer vom 7. März 1970 kein Merkmal, wonach die Ärzteversorgung der hoheitlichen (auch der schlicht hoheitlichen) Verwaltung zuzuordnen ist. Vielmehr betätigt sich die Ärzteversorgung, mag sie auch Elemente der Sozialversicherung enthalten, nach körperschaftsteuerrechtlicher Betrachtung als Betrieb gewerblicher Art. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Person wie der Kläger, dessen Betätigung zu beurteilen ist, Beamter im Sinne des öffentlichen Rechts ist oder nicht, und ob die Ärztversorgung als solche im Rahmen des öffentlichen Rechts als selbständige Körperschaft organisiert ist oder ob es sich um eine gewerbliche Betätigung unselbständiger Art im Rahmen einer im übrigen hoheitlich tätigen öffentlichen Körperschaft handelt (vgl. BFH-Urteil VI R 391/69). Ferner ist ohne Bedeutung, daß die Ärzteversorgung möglicherweise eine Einrichtung ist, die nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG von der Körperschaftsteuer befreit ist, denn diese persönliche Befreiung setzt, wie bereits erwähnt, gerade voraus, daß die Ärzteversorgung ihrem Wesen nach ein Wirtschaftsbetrieb der öffentlichen Hand, also ein Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG, § 6 KStDV ist, der in Konkurrenz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen tritt. Da die vom Kläger als Mitglied des Verwaltungsausschusses, dem eigentlichen Geschäftsführungsorgan der Ärzteversorgung, ausgeübte Tätigkeit damit nicht als Leistung öffentlicher Dienste anzusehen ist, kommt eine Anerkennung der Aufwandsentschädigung als steuerfrei nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70991

BStBl II 1974, 631

BFHE 1974, 481

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