Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Vermächtnisnehmer, dem ein Nachlaßnießbrauch eingeräumt worden ist, die Rentenbesteuerung gem. § 30 ErbStG 1959 gewählt, so ist die Jahressteuer für die gesamte Laufzeit nach dem Jahreswert zu berechnen, der sich nach den Verhältnissen am Todestag des Erblassers ergibt.

2. Bei der Bestimmung des Steuersatzes gem. § 30 Satz 2 ErbStG 1959 sind auch die Vorzuwendungen zu berücksichtigen.

2. Der Jahreswert eines vermachten Nießbrauches ist nicht um die bei Anfall der jeweiligen Nutzungen entstehende Einkommensteuer (Kapitalertragsteuer) zu kürzen.

2. Ist ein Nachlaßnießbrauch angeordnet worden, so kann der Wille des Erblassers dahin gehen, daß der Nießbrauch nur das nach Zahlung der Erbschaftsteuer den Erben verbleibende Vermögen treffen soll.

 

Normenkette

ErbStG 1959 §§ 13, 14 Abs. 1 Nr. 1, § 30

 

Tatbestand

Der Klägerin ist von der 1962 gestorbenen X der lebenslängliche Nießbrauch an den Erbteilen der beiden Kinder der Klägerin von je 7/240 vermacht worden. Bei der Erbauseinandersetzung fielen den Kindern Aktien und Bargeld an. Die Klägerin hat die Entrichtung der Erbschaftsteuer vom Jahreswert des Nießbrauchs beantragt.

Bei der Festsetzung der Jahressteuer ist das Finanzamt von einem Jahreswert des Nießbrauches von 7 950 DM (4 v. H. des auf die Kinder entfallenden Nachlaßwertes) ausgegangen, den es mit 14 vervielfacht hat. Außerdem hat es für die Ermittlung des Steuersatzes Vorzuwendungen in Höhe von 52 540 DM angesetzt.

Die Klägerin hat nach erfolglosem Einspruch mit ihrer Klage geltend gemacht:

Zur Ermittlung des Jahreswertes des Nießbrauches für die Besteuerung nach § 30 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1959 müsse jeweils von Jahr zu Jahr der tatsächliche Ertrag ermittelt werden. Der Jahreswert müsse von dem Betrag berechnet werden, der nach Abzug der Steuern für die Erbschaft und den Nießbrauch übrig bleibe; denn die Erblasserin habe angeordnet, daß die Steuern unmittelbar aus dem Gesamtnachlaß bezahlt werden sollten. Es sei zu unterstellen, daß nach dem Willen der Erblasserin, wie er auch bei den Vorzuwendungen gegolten habe, die Kinder berechtigt sein sollten, die Substanz der Zuwendungen für ihre eigenen Belange zu verbrauchen. Von diesem Recht hätten die Kinder Gebrauch gemacht, das Bargeld verbraucht und die Wertpapiere im April 1965 zur Erhaltung der Existenz des Vaters geopfert. Dieser Substanzschwund habe Einfluß auf den Jahreswert des Nießbrauchs. Bei den Wertpapieren gelange der Ertrag in Höhe von 25 v. H. (Kapitalertragsteuer) nicht in die Verfügungsgewalt der Erben. Da inzwischen die Substanz und damit auch das Nutzungsrecht entfallen sei, müsse der Kapitalwert der Nutzung nach der tatsächlichen Dauer festgestellt werden.

Das Finanzgericht ist in seinem abweisenden Urteil zu dem Ergebnis gelangt, daß die "Schätzung" des Jahreswertes der Nutzung in Höhe von 4 v. H. des anteiligen Nachlaßwertes nicht zu beanstanden sei. Die Erbschaftsteuer der Kinder mindere das nießbrauchsbelastete Vermögen nicht. Die Einkommensteuer (Kapitalertragsteuer) auf die Nutzungen des nießbrauchsbelasteten Vermögens mindere den Wert der Jahresnutzung ebenfalls nicht. Maßgebend für die Bewertung des Nachlaßnießbrauches seien die Verhältnisse am Stichtag (Todestag der Erblasserin). Dem Testament der Erblasserin sei nicht zu entnehmen, daß die Kinder der Klägerin berechtigt gewesen sein sollten, den Nießbrauch durch Verfügung über das nießbrauchsbelastete Vermögen gänzlich zum Wegfall zu bringen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nur zum Teil begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO).

1. Unbegründet ist die Revision insoweit, als sie die unrichtige Auslegung des § 30 ErbStG 1959 durch das Finanzgericht rügt. Die Steuer von dem Jahreswert wiederkehrender Nutzungen (Rentenbesteuerung) war für die ganze Laufzeit dieser Steuer aufgrund des Jahreswertes zu berechnen, wie er sich nach den Verhältnissen vom Todestag der Erblasserin, dem für die Entstehung der Erbschaftsteuer maßgebenden Stichtag (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959) ergab. § 30 ErbStG 1959 hat nichts daran geändert, daß die Steuer auch bei der Rentenbesteuerung bereits bei Beginn dieser Besteuerung für die ganze Laufzeit festzusetzen ist, ohne daß Schwankungen der Jahresnutzungen Auswirkungen auf die Höhe der Jahressteuerbeträge hätten (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 6. Juni 1951 III 140/50 S, BFHE 55, 361, BStBl III 1951, 142, und vom 11. Oktober 1957 III 139/56 U, BFHE 65, 555, BStBl III 1957, 447). War die Höhe der Jahresnutzung in ihrem Betrag ungewiß oder schwankend, so war gemäß § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 in Verbindung mit § 17 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) 1934 bei der Berechnung des Kapitalwerts von Nutzungen und Leistungen der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden konnte. Eine Veränderung der Jahressteuer wird deshalb nicht durch solche Ereignisse herbeigeführt, die nicht zu den rechtlichen Grundlagen des Anfalls der wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen gehören, vielmehr zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten erst nach Entstehung des Anspruches vereinbart werden. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 3. November 1976 II R 65/67 unter II.3.b, (BFHE 121, 86, BStBl II 1977, 397).

Aus allem folgt, daß die Jahressteuer gemäß § 30 ErbStG 1959 auch dann weiterzuentrichten ist, wenn die Erben und die Klägerin nach Annahme des Vermächtnisses vereinbart haben sollten, der Nießbrauch werde ganz oder teilweise aufgehoben. Es gilt hier nichts anderes als hinsichtlich der Erbschaftsteuer nach dem Kapitalwert des Nießbrauches. Auch diese Steuer würde durch nachträgliche Vereinbarungen zwischen dem Nießbrauchsberechtigten und den Nießbrauchsverpflichteten in ihrer Höhe nicht beeinträchtigt werden.

Etwas anderes würde dann gelten, wenn der Vermächtnisanspruch infolge Ausschlagung des Vermächtnisses weggefallen sein sollte (vgl. hierzu die §§ 2180, 1950, 1953 Abs. 1 BGB, aber auch § 5 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Bei Ausschlagung eines Vermächtnisses würde das Vermächtnis als nicht angefallen angesehen werden. Damit würde auch die Besteuerung des Vermächtnisses ausgeschlossen sein. Für eine Ausschlagung aber gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Ebensowenig gibt es Anhaltspunkte dafür, daß die Erblasserin entgegen dem klaren Wortlaut des Testamentes angeordnet haben sollte, die Dauer des Nießbrauches der Klägerin sollte von dem freien Willen ihrer Kinder abhängig sein (vgl. in diesem Zusammenhang auch Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 35. Aufl., § 2084 Anm. 2).

2. Unbegründet ist die Revision auch insoweit, als sie rügt, der Anfall des Vermächtnisses und die Vorzuwendungen seien zu Unrecht zwecks Ermittlung des bei der Rentenbesteuerung anwendbaren Steuersatzes zusammengerechnet worden. Hätte die Klägerin nicht die Besteuerung nach dem Jahreswert der Nutzungen gewählt, so wäre für die Besteuerung nach dem Kapitalwert des Nießbrauches ohne jeden Zweifel eine Zusammenrechnung dieses Anfalles mit etwaigen Vorzuwendungen gemäß § 13 ErbStG 1959 erforderlich gewesen. Da der gemäß § 30 ErbStG 1959 auf die jeweilige Jahresnutzung anzuwendende Steuersatz mit dem Steuersatz übereinstimmen soll, der sich für den Kapitalbetrag ergibt (vgl. § 30 Satz 2 ErbStG 1959), ist der gemäß § 13 ErbStG 1959 erhöhte Steuersatz auch auf die Besteuerung der Jahresnutzungen anzuwenden. Etwas anderes ist nicht etwa deshalb anzunehmen, weil in § 30 Satz 2 ErbStG 1959 nur auf § 11 ErbStG 1959, nicht aber auf dessen § 13 Bezug genommen worden ist. Aus der Bezugnahme auf § 11 ErbStG 1959 folgt, daß § 13 ErbStG wie bei der Besteuerung nach dem Kapitalbetrag auch bei der Rentenbesteuerung anwendbar ist.

3. Unbegründet ist die Revision der Klägerin schließlich auch insoweit, als die Klägerin geltend macht, der Jahreswert des Nießbrauches sei um die durch den jeweiligen Anfall der Nutzungen entstehende Einkommensteuer (Kapitalertragsteuer) zu kürzen. Hierzu wird auf die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 15. Dezember 1967 III R 49/67 (BFHE 91, 427, BStBl II 1968, 340) und vom 22. Dezember 1976 II R 58/67 (BFHE 121, 487, BStBl II 1977, 420) verwiesen. Von dem Wert der Jahresnutzung darf danach die von der Klägerin als Nießbraucherin geschuldete Einkommensteuer (Kapitalerstragsteuer) nicht abgezogen werden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. Dezember 1976 VIII R 146/73 (BFHE 121, 53, BStBl II 1977, 115) nichts anderes hergeleitet werden. In diesem Urteil ist zwar ausgeführt, daß ein unentgeltlicher Nießbrauch an Wertpapieren die Zurechnung der Wertpapiererträge als Einkünfte des Wertpapierinhabers aus Kapitalvermögen nicht ändere. Würde der Nießbraucher in einem solchen Falle nach den zivilrechtlichen Vereinbarungen die Einkommensteuer des Nießbrauchsbestellers zu übernehmen haben, so könnte sich in der Tat die Frage stellen, ob in diesem Falle nicht die Jahresnutzung um diese dem Nießbraucher fremde Steuer zu kürzen wäre. Das alles aber kann nach Auffassung des erkennenden Senats nicht in den Fällen des Nachlaßnießbrauches gelten. Der mit einem Nachlaßnießbrauch belastete Erbe bestellt den Nießbrauch nicht unentgeltlich, sondern aufgrund der Verpflichtung, die ihm durch letztwillige Verfügung auferlegt worden ist. Der ihm anfallende Nachlaß ist von vornherein mit der Vermächtnisverpflichtung belastet. Diesen Besonderheiten des Nachlaßnießbrauches würde es nicht entsprechen, die Erträge des nießbrauchsbelasteten Vermögens einkommensteuerrechtlich demjenigen zuzurechnen, der letztwillig mit dem Vermächtnis belastet worden ist. Jedenfalls in einem solchen Falle sind die Erträgnisse des Vermögens nach Auffassung des erkennenden Senats Einkünfte des Nießbrauchers. Die danach von dem Nießbraucher zu zahlende Einkommensteuer (Kapitalertragsteuer) darf deshalb von der Jahresnutzung nicht gekürzt werden. Da der VIII. Senat nur über den Fall der unentgeltlichen Bestellung eines Nießbrauches unter Lebenden entschieden hat, weicht der erkennende Senat mit seiner Auffassung über die Besteuerung der Nutzungen des Nachlaßnießbrauches nicht von der Auffassung des VIII. Senats ab. Einer Anrufung des Großen Senats bedarf es deshalb nicht.

4. Begründet ist die Revision insoweit, als sie der Auffassung des Finanzgerichts entgegentritt, die von den Erben geschuldete Erbschaftsteuer sei aus dem freien Vermögen der Erben zu zahlen gewesen und habe deshalb das dem Nießbrauch unterliegende Vermögen nicht schmälern dürfen. Das Reichsgericht hat zwar mit Urteil vom 15. November 1943 III 77/43 (RStBl 1944, 131) entschieden, daß die §§ 1087 und 1088 BGB hinsichtlich der von den Erben zu zahlenden Erbschaftsteuer nicht entsprechend anwendbar seien. Gleichwohl hat es aber das Reichsgericht für möglich gehalten, daß der Wille des Erblassers auf eine entsprechende Kürzung des mit einem Nießbrauch belasteten Nachlasses gerichtet gewesen sein könnte. Haben die Erbbeteiligten bei unklarer Rechtslage einen derartigen Willen der Erblasserin angenommen und sind sie entsprechend verfahren, so wird dies bei der Erbschaftsteuerfestsetzung zu berücksichtigen sein (vgl. in diesem Zusammenhang das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. Juli 1972 II R 35/70, BFHE 106, 555, BStBl II 1972, 886). Wegen des Fehlens der erforderlichen Feststellungen ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73183

BStBl II 1979, 562

BFHE 1979, 72

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