Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von Prozesserklärungen; unterlassene Prüfung der Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Klage im PKH-Verfahren nur mit Gegenvorstellung angreifbar

 

Leitsatz (NV)

  1. Erklären Rechtsanwälte in einem Schriftsatz, dass sie nach der Bewilligung von PKH Klage erheben würden und ist im Rubrum dieses Schriftsatzes nur von der Antragstellerin die Rede, ist dies dahin auszulegen, dass noch keine Klage erhoben, sondern nur PKH beantragt werde.
  2. Lehnt das FG die Bewilligung von PKH ab, ohne die materiell-rechtlichen Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Klage zu prüfen, besteht nur die Möglichkeit einer fristgebundenen Gegenvorstellung.
 

Normenkette

FGO §§ 65, 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 119 Nr. 3, § 142; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Urteil vom 22.09.2003; Aktenzeichen 14 K 628/02)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat nicht schlüssig gerügt, dass das angefochtene Urteil ihr Recht auf Gehör verletzt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 Satz 3, § 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

1. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG), die Klägerin habe mit ihrem Schriftsatz vom 10. Dezember 2002 keine Klage (§ 65 FGO) erhoben, sondern lediglich Prozesskostenhilfe (PKH) gemäß § 142 FGO beantragt, um nach Bewilligung von PKH Klage zu erheben, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten, dass sie nach der Bewilligung von PKH Klage erheben würden, konnte das FG in Verbindung damit, dass die Klägerin im Rubrum dieses Schriftsatzes ausschließlich als Antragstellerin bezeichnet wird, nur dahin verstehen, dass noch keine Klage habe erhoben werden sollen.

2. Das FG hat das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör auch nicht dadurch verletzt, dass es ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) nicht stattgegeben hat. Denn die Klägerin hat keine Gründe dafür vorgetragen, weshalb sie ohne Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten gehindert gewesen sei, innerhalb der Klagefrist von einem Monat (§ 47 Abs. 1 FGO) Klage zu erheben. Das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten muss sich die Klägerin gemäß § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) zurechnen lassen.

Ob der Klägerin wegen der Versäumung der Klagefrist möglicherweise nach der Bewilligung von PKH Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für eine noch zu erhebende Klage hätte gewährt werden können (vgl. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 19. November 1985 VII B 103/85, BFH/NV 1986, 180), kann dahinstehen. Denn der Klägerin ist keine PKH gewährt worden.

Ob der Beschluss vom …, in dem das FG die Bewilligung von PKH abgelehnt hat, den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör dadurch verletzt hat, dass das FG nicht die materiell-rechtlichen Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Klage geprüft hat (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO), kann offen bleiben. Denn Beschlüsse im Verfahren der PKH können nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 128 Abs. 2 FGO). Insoweit hätte nur die Möglichkeit einer fristgebundenen Gegenvorstellung bei dem Ausgangsgericht bestanden (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 5. Dezember 2002 IV B 190/02, BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269; vom 12. Dezember 2002 V B 185/02, BFHE 200, 46, BStBl II 2003, 270; vom 29. Januar 2003 I B 114/02, BFHE 201, 11, BStBl II 2003, 317).

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

 

Fundstellen

BFH/NV 2004, 1414

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