Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabe eines Steuerbescheids an intern Beauftragten; nicht eindeutig bestimmter Steuerschuldner; Berechnung der Frist für Zuschlag nach früherem GrEStWoBauG NRW

 

Leitsatz (NV)

1. Ist zwar vom Nichtvorliegen einer schriftlichen Vollmacht, wohl aber vom Bestehen einer zumindest intern vereinbarten Beauftragung auszugehen, so kann eine Bekanntgabe eines Steuerbescheids an den beauftragten Treuhänder zulässig sein.

2. Zweifel über den Inhalt eines Steuerbescheids können durch Auslegung behoben werden. Dies kann auch für die Frage gelten, wer nach dem Bescheid Steuerschuldner sein soll.

3. Die Frist für die Berechnung des Zuschlags endet nicht notwendigerweise mit dem Ablauf der Verwendungsfrist.

 

Normenkette

GrEStWoBauG NRW § 3 Abs. 1; AO 1977 § 119 Abs. 1

 

Tatbestand

Die gegen den Grunderwerbsteuerbescheid gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid sei inhaltlich hinreichend bestimmt i. S. des § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Insbesondere sei eindeutig erkennbar, gegen wen sich der Verwaltungsakt richte. Nach dem Inhalt des Bescheids könne es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, daß der Treuhänder lediglich als Bevollmächtigter und nicht als Steuerschuldner angesprochen werde. Der Bescheid sei gemäß § 122 Abs. 1 AO 1977 der Klägerin wirksam bekanntgegeben. Eine Vollmacht könne auch formlos in Gestalt einer Duldungsvollmacht erteilt werden. Bei Erlaß des angefochtenen Bescheids habe dem FA eine schriftliche Vollmacht nicht vorgelegen. Es konnte aber zu Recht von einer Bestellung des Treuhänders als Bevollmächtigtem auch für die Entgegennahme des Grunderwerbsteuerbescheids ausgehen. Dies ergebe sich aus dem Grundstückskaufvertrag und der Stellung des Grunderwerbsteuerbefreiungsantrags durch den Treuhänder für die Klägerin unter ausdrücklichem Hinweis auf die Vollmacht. Die Klägerin habe intern den Treuhänder mit ihrer Vertretung beauftragt; in Anbetracht der gesamten Umstände bestehe kein Anlaß, an der noch weiterhin wirksamen Bestellung des Treuhänders als Empfangsbevollmächtigtem zu zweifeln. Im Grundsatz zu Recht habe das FA den von der Klägerin im Rahmen des Bauherrenmodells getragenen Gesamtaufwand als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer herangezogen.

Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei das bebaute Grundstück. Die Befreiung des § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG greife nicht ein. Der Steueranspruch sei nicht verjährt. Im Streitfall sei der Steueranspruch nach § 3 GrEStWoBauG im Jahre 1980 mit der Fertigstellung des Reihenhauses entstanden. Die Festsetzungsfrist habe daher nach § 16 a Satz 2 GrEStG spätestens mit Ablauf des Jahres 1985 begonnen und sei im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids noch nicht abgelaufen gewesen. Eine wirksame Anzeige der Klägerin habe nicht vorgelegen. Das FA habe erst mit Zugang des Betriebsprüfungsberichts im Jahre 1984 hinreichend Kenntnis von dem steuerpflichtigen Vorgang erhalten. Im Zeitpunkt der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung habe dem FA lediglich der Grundstückskaufvertrag vorgelegen. Es könne daher offenbleiben, ob eine umfassende Überprüfung auch dann zulässig sei, wenn bei Erlaß des Freistellungsbescheids offensichtlich ist, daß der steuerbegünstigte Zweck vom Steuerpflichtigen nicht erfüllt werden könne. Von der Existenz der weiteren Verträge habe das FA erst aufgrund der Betriebsprüfung erfahren. Erst hierdurch habe es Kenntnis von dem steuerpflichtigen Vorgang erhalten, so daß der Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist nach § 16 a Satz 2 GrEStG ausgelöst worden sei. Der angefochtene Bescheid sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Revision hat das FG nicht zugelassen.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Mit dieser macht sie Abweichung von mehreren Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH), einen Verfahrensmangel und grundsätzliche Bedeutung als Zulassungsgründe geltend.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet, da ein Grund zur Zulassung der Revision i. S. von § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht gegeben ist.

1. Das Urteil des FG weicht nicht ab i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von dem BFH-Urteil vom 29. Juli 1987 I R 367, 379/83 (BFHE 152, 1, BStBl II 1988, 242).

Das FG stützt seine Entscheidung nicht auf einen allgemeinen Rechtssatz, der zu einem ebenfalls die Entscheidung tragenden allgemeinen Rechtssatz in dem angezogenen Urteil des BFH in Widerspruch steht. Aus dem BFH-Urteil ergibt sich zunächst, daß die Behörde eine Zustellung (Bekanntgabe) an den Bevollmächtigten richten muß, wenn ihr für diesen eine schriftliche Vollmacht vorliegt. Für den Fall, daß dem FA keine schriftliche Vollmacht vorliegt, enthält die Entscheidung des BFH sodann die Aussage, daß die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, ob die Zustellung (Bekanntgabe) der Steuerbescheide unmittelbar gegenüber dem Bevollmächtigten im mutmaßlichen Interesse des Steuerpflichtigen liegt. Daraus wird weiter gefolgert, daß die Finanzbehörde Steuerbescheide beim Fehlen einer schriftlichen Vollmacht dem Steuerpflichtigen persönlich bekanntgeben muß, wenn nicht die besonderen Umstände des Einzelfalles das Interesse des Steuerpflichtigen an einer Bekanntgabe gegenüber seinem Bevollmächtigten eindeutig erkennen lassen. Da das FG zwar im Streitfall vom Nichtvorliegen einer schriftlichen Vollmacht, wohl aber vom Bestehen einer zumindest intern vereinbarten Beauftragung des Treuhänders gerade für den streitgegenständlichen Grunderwerbsteuerfall ausgeht, konnte es eine Bekanntgabe an diesen für zulässig erachten, ohne damit in (unausgesprochenen) Widerspruch zu der dargestellten Rechtsauffassung des BFH zu geraten. Die nach Auffassung des FG, zumindest intern, bestehende Beauftragung des Treuhänders gerade für diesen Grunderwerbsteuerfall kann - wenn sie dem FA bekannt wird - als ,,besonderer Umstand des Einzelfalles" im Sinne der genannten BFH-Entscheidung gewertet werden, die abweichend von der Regel die Bekanntgabe an den Bevollmächtigten als gerechtfertigt erscheinen läßt.

2. Die FG-Entscheidung weicht auch nicht ab vom BFH-Urteil vom 17. Juli 1986 V R 96/85 (BFHE 147, 211, BStBl II 1986, 834). Nach diesem BFH-Urteil ist ein Steuerbescheid, der nicht mit der hinreichenden Bestimmtheit angibt, wer die Steuer schuldet, nichtig i. S. von § 125 Abs. 1 AO 1977. Nach dieser Entscheidung können jedoch Zweifel über den Inhalt eines Steuerbescheids durch Auslegung behoben werden. Zur Auslegung eines Steuerbescheids wegen eines nicht eindeutig bestimmten Steuerschuldners dürfen nach dieser Entscheidung sogar Erläuterungen aus einem dem Steuerbescheid beigefügten Bericht der Steuerfahndung herangezogen werden. Das FG-Urteil enthält keinen allgemeinen Rechtssatz, der dazu in Widerspruch steht. Nach Auffassung des FG kann es nach dem ,,weiteren Inhalt des Bescheids" keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, daß der Treuhänder als Bevollmächtigter und die Klägerin als Steuerschuldner angesprochen war. Nach der vom FG vorgenommenen Auslegung des Steuerbescheids konnte daher kein Zweifel an der Person des Steuerschuldners bestehen. Nach Auffassung des FG gibt daher der Steuerbescheid - zumindest nach Auslegung - mit hinreichender Bestimmtheit an, wer die Steuer schuldet. Das FG hat daher keinen Rechtssatz aufgestellt, der zu dem vom BFH aufgestellten Rechtssatz in Widerspruch stünde.

3. Die Entscheidung des FG weicht auch nicht ab von dem BFH-Urteil in BFHE 147, 211, BStBl II 1986, 834 und von dem BFH-Beschluß vom 21. Oktober 1985 GrS 4/84 (BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230).

Der von der Klägerin behauptete Rechtssatz läßt sich der Entscheidung des FG nicht entnehmen. Das FG vertritt weder allgemein die Auffassung, daß die fehlende ,,hinreichende Bestimmtheit des Steuerschuldners" durch nachträgliches Verhalten der Beteiligten ,,geheilt" werden könne, noch - wie die Klägerin dem FG unterstellt - daß durch das Verhalten der Beteiligten mögliche ,,Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit" ausgeräumt werden könnten. Das FG hat vielmehr zur Auslegung des Steuerbescheids hinsichtlich des Steuerschuldners nur den weiteren Inhalt des Bescheids herangezogen und bereits daraus gefolgert, daß es ,,hiernach. . . keinem vernünftigen Zweifel unterliegen" könne, daß der Treuhänder lediglich als Bevollmächtigter angesprochen werde. Damit hat es deutlich gemacht, daß es seine Auffassung über die hinreichende Bestimmtheit des Steuerbescheids bereits aufgrund dieser Überlegung gewonnen hat. Der danach in den Urteilsgründen angeführten Bemerkung ,,daß der Bescheid auch tatsächlich so verstanden wurde, zeigt die Einlegung des Einspruchs im Namen der Klägerin", kommt insoweit keine eigenständige, die Entscheidung tragende Funktion zu.

4. Das Urteil des FG weicht auch nicht ab von dem Urteil des erkennenden Senats vom 28. Juni 1989 II R 155/88 (BFHE 157, 447, BStBl II 1989, 852).

Diesem Urteil ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht der allgemeine Rechtssatz zu entnehmen, daß die Frist zur Berechnung des Zuschlags nach § 3 Abs. 5 GrEStWoBauG spätestens mit dem Zeitpunkt ende, in dem dem FA die Nichterfüllung des begünstigten Zwecks bekannt wird. Dem Urteil des erkennenden Senats läßt sich vielmehr insoweit als Rechtssätze nur entnehmen, daß die Frist zur Berechnung des Zuschlags nach § 3 Abs. 1 GrEStWoBauG nicht bereits mit dem Ablauf der Verwendungsfrist ende und daß eine vorzeitige Beendigung der Zuschlagsfrist im Gesetz nur für den Fall vorgesehen sei, daß die Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks vom Grundstückserwerber angezeigt werde. Da dieser im Streitfall nach den Feststellungen des FG von der Klägerin nicht förmlich angezeigt wurde, kann sich das FG auch nicht unausgesprochen in Widerspruch zu diesem Rechtssatz des BFH gestellt haben. Zwar ist der Senat in dem angezogenen Urteil bei der Berechnung des Zuschlagszeitraums vom Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnis des FA ausgegangen, er hat jedoch damit weder ausdrücklich noch stillschweigend einen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt, daß zu diesem Zeitpunkt die Frist nach § 3 Abs. 5 GrEStWoBauG stets ende. In dem vom erkennenden Senat entschiedenen Fall ergab sich die Maßgeblichkeit dieses Ereignisses für die Berechnung des Zuschlagszeitraums vielmehr bereits aus dem Revisionsantrag des FA.

5. Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe einen vorgelegten Beweis nicht beachtet, ist die Beschwerde bereits nicht ordnungsgemäß begründet.

Verfahrensmängel müssen in der Beschwerdeschrift bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dies erfordert eine genaue Angabe der Tatsachen, aus denen sich der gerügte Verfahrensverstoß, auf dem die Entscheidung des FG beruhen soll, schlüssig ergibt. Die Klägerin rügt einen Verstoß gegen § 76 Abs. 1 FGO. Diese Rüge erfordert nicht nur eine genaue Angabe des Beweisthemas und der Beweismittel, die das Gericht nicht berücksichtigt hat, darzutun ist darüber hinaus, welches Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme nach Auffassung der Klägerin erbracht hätte und wieso dieses Ergebnis zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können. Da es sich um einen verzichtbaren Mangel handelt, muß der Beschwerdeführer auch vortragen, daß er den Mangel in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt hat bzw. warum er dies nicht hat rügen können. Hierzu wird in der Beschwerdeschrift nichts vorgetragen.

6. Auch die Begründung für die von der Klägerin als weiteren Zulassungsgrund geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juli 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605, m. w. N.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muß in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt dafür nicht. Der Beschwerdeführer muß vielmehr konkret auf die Rechtsfrage und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. BFH-Entscheidung vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht.

Die Klägerin mißt der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei, ob eine Nacherhebung der Grunderwerbsteuer überhaupt noch zulässig ist und wann eine Festsetzungsverjährung eingetreten ist, wenn aus der Sachverhaltskenntnis des FA die Erlangung einer Grunderwerbsteuerbefreiung von vornherein objektiv unmöglich war. Weiter mißt sie der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, ob nicht spätestens die an das FA erfolgte Mitteilung über die Fertigstellung des Bauvorhabens das Ende der Anlaufhemmung auslöst. Die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfragen im Interesse der Allgemeinheit belegt die Klägerin im wesentlichen nur durch den Hinweis auf die Vielzahl der im Rahmen von Bauherrenmodellen errichteten Wohnungen. Dies reicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfragen jedoch nicht aus. Hierzu wäre es vielmehr (zunächst) erforderlich gewesen, in Auseinandersetzung mit der vorhandenen Rechtsprechung und ggf. dem Schrifttum darzulegen, daß es sich um bisher nicht geklärte Rechtsfragen handele. Der nicht näher begründete Hinweis auf insoweit angeblich vorliegende ,,widersprüchliche Entscheidungen der Finanzgerichte" reicht dazu nicht aus.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418103

BFH/NV 1992, 769

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