FinMin Thüringen, 9.9.2022, S 3103

 

I. Geltungsbereich

1

Dieser Erlass regelt die Wertermittlung

für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31. Dezember 2009 für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Er ersetzt den Erlass vom 10. Oktober 2010 (BStBl 2010 I S. 810) und ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

 

II. Kapitalforderungen und Kapitalschulden

 

1. Bewertungsgrundsätze

 

1.1. Ansatz mit dem Nennwert

2

Grundsätzlich sind Kapitalforderungen, die nicht in § 11 BewG genannt sind, und Kapitalschulden mit dem Nennwert anzusetzen. Kapitalforderungen und Kapitalschulden, die auf eine ausländische Währung lauten, sind nach dem Umrechnungskurs im Besteuerungszeitpunkt umzurechnen. Maßgebender Umrechnungskurs ist dabei der Briefkurs für den Tag der Steuerentstehung (BFH vom 19.3.1991 II R 134/88, BStBl 1991 II S. 521).

 

1.2. Vom Nennwert abweichender Ansatz

3

Abweichend vom Nennwert ist ein höherer oder niedrigerer Wert (Gegenwartswert) anzusetzen, wenn besondere Umstände vorliegen, die einen höheren oder niedrigeren Wert begründen. Besondere Umstände, die eine Bewertung abweichend vom Nennwert rechtfertigen, liegen vor, wenn

  1. die Kapitalforderungen oder Kapitalschulden unverzinslich sind und ihre Laufzeit im Besteuerungszeitpunkt mehr als ein Jahr beträgt;
  2. die Kapitalforderungen oder Kapitalschulden

    • niedrig verzinst (unter 3 Prozent) oder
    • hoch verzinst (über 9 Prozent) sind,

    sowie die Kündbarkeit für längere Zeit (d. h. für mindestens 4 Jahre) ausgeschlossen ist;

  3. zweifelhaft ist, ob eine Kapitalforderung in vollem Umfang durchsetzbar ist.

4

Stehen einer unverzinslichen oder niedrig verzinslichen Kapitalforderung (z. B. Guthaben aus Bausparverträgen) bzw. einer hoch verzinslichen Kapitalschuld wirtschaftliche Vorteile gegenüber oder stehen einer unverzinslichen oder niedrig verzinslichen Kapitalschuld bzw. einer hoch verzinslichen Kapitalforderung andere wirtschaftliche Nachteile gegenüber, kommt eine Bewertung abweichend vom Nennwert nicht in Betracht. Der Umstand, dass bei der Auszahlung von Tantiemeforderungen Lohnsteuer bzw. Kirchensteuer oder dass bei der Auszahlung von Dividendenforderungen Kapitalertragsteuer einzubehalten ist, ist kein besonderer Umstand, der eine Bewertung der Kapitalforderung unter dem Nennwert rechtfertigt (BFH vom 15.12.1967 III 225/64, BStBl 1968 II S. 338, und vom 15.12.1967 III R 49/67, BStBl 1968 II S. 340, sowie vom 16.3.1984 III R 140/83, BStBl 1984 II S. 539). Das Gleiche gilt für die Einbehaltung des Solidaritätszuschlages. Kapitalschulden aus niedrig verzinslichen öffentlichen Wohnungsbaudarlehen sind regelmäßig mit dem Nennwert anzusetzen.

5

Uneinbringliche Kapitalforderungen bleiben außer Ansatz. Ist zweifelhaft, ob oder inwieweit eine Kapitalforderung durchsetzbar ist, kann sie dem Grad der Zweifelhaftigkeit entsprechend mit einem niedrigeren Schätzwert anzusetzen sein.

 

1.2.1. Unverzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden

6

Unverzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden von bestimmter Dauer, deren Laufzeit im Besteuerungszeitpunkt mehr als ein Jahr beträgt, sind unter Berücksichtigung von Zwischenzinsen und Zinseszinsen mit einem Zinssatz von 5,5 Prozent abzuzinsen.

7

Wird eine unverzinsliche Kapitalforderung oder Kapitalschuld in einem Betrag fällig, erfolgt die Bewertung mittels Tabelle 1.

8

Wird eine unverzinsliche Kapitalforderung oder Kapitalschuld in Raten getilgt, ist vom Mittelwert einer jährlich vorschüssigen und jährlich nachschüssigen Zahlungsweise auszugehen (§ 12 Absatz 1 Satz 2 BewG); d. h., die Jahresleistungen sind stets in der Jahresmitte anzusetzen und unterjährig ist eine lineare Abzinsung zu berücksichtigen (im Folgenden kurz „mittelschüssige Zahlungsweise” genannt). Hierdurch können bei der Bewertung die genauen Zahlungszeitpunkte innerhalb einer Ratenzahlungsperiode unberücksichtigt bleiben; auf die Zahlungshäufigkeit kommt es nicht an. Die Summe der Zahlungen innerhalb eines Jahres ist der Jahreswert. Die Bewertung erfolgt mittels Tabelle 2.

9

Der Gegenwartswert einer unverzinslichen Kapitalforderung oder Kapitalschuld, die bis zum Tod einer bestimmten Person befristet ist, wird nach der mittleren Lebenserwartung errechnet (BFH vom 8.6.1956 III 108/56 S, BStBl 1956 III S. 208). Die jeweilige mittlere Lebenserwartung ergibt sich aus der maßgebenden Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes. Die jeweilige Sterbetafel ist für Bewertungen ab dem 1. Januar des auf die Veröffentlichung der Sterbetafel durch das Statistische Bundesamt folgenden Kalenderjahres anzuwenden.

 

1.2.2. Niedrig oder hoch verzinsliche Kapitalforderungen oder Kapitalschulden

10

Bei einer niedrig verzinslichen Kapitalforderung oder Kapitalschuld von bestimmter Dauer, die im Besteuerungszeitpunkt noch mindestens vier Jahre läuft, ist der Nennwert um den Kapitalwert des jährlichen Zinsverlustes zu kürz...

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