Entscheidungsstichwort (Thema)

Lossagung bei bedingtem Wettbewerbsverbot

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei bedingten Wettbewerbsverboten muß der Arbeitnehmer am Anfang der vorgesehenen Karenzzeit erklären, ob er sich auf die Unverbindlichkeit des Verbotes berufen oder aber Wettbewerb unterlassen und dafür Karenzentschädigung beanspruchen will (ständige Rechtsprechung).

2. Ist jedoch unklar, ob das Arbeitsverhältnis geendet hat und führen die Parteien darüber einen Rechtsstreit, so genügt es, wenn der Arbeitnehmer vorläufig Wettbewerb unterläßt, solange die Rechtslage ungeklärt ist, und die erforderliche Entscheidung erst nach Beendigung des Rechtsstreits trifft.

 

Normenkette

HGB §§ 74, 75a, 75d S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 12.11.1985; Aktenzeichen 11 Sa 329/85)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 13.12.1984; Aktenzeichen 11 Ca 1311/84)

 

Tatbestand

Der Kläger ist von Beruf Speditionskaufmann. Er trat am 1. Januar 1980 in die Dienste der Beklagten. Er verdiente 5.000,-- DM monatlich sowie ein 13. Monatsgehalt und eine Jahresabschlußvergütung von mindestens 15.000,-- DM. In § 7 des Arbeitsvertrages vom 5. Dezember 1979 vereinbarten die Parteien ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot:

"(1) Bei Beendigung des Dienstverhältnisses ist

Herr J verpflichtet,

a) auf Verlangen der Gesellschaft für die

Dauer von zwei Jahren Karenz zu halten

und demgemäß während dieser Zeit

- seine den Geschäftsbetrieb der Gesell-

schaft betreffenden Kenntnisse und Er-

fahrungen nicht zu verwerten;

- ohne vorherige Zustimmung der Gesell-

schaft keine Tätigkeit aufzunehmen,

in welcher oder durch welche der R

Aktiengesellschaft Konkurrenz

gemacht wird;

b) die sich aus den vorstehenden Bestimmun-

gen ergebenden Verpflichtungen auch für

die Tochter- und Beteiligungsunternehmen

der Gesellschaft zu erfüllen.

....

(3) Für die Karenzzeit ist die Gesellschaft ver-

pflichtet, Herrn J eine besondere

Entschädigung in Höhe des zuletzt bezogenen

festen Gehalts zu zahlen, auszahlbar in monat-

lichen Raten im Anschluß an den Zeitraum, für

den Gehalt gezahlt wurde.

....

(5) Die Gesellschaft ist verpflichtet, Herrn J

innerhalb eines Monats, nachdem sein Aus-

scheiden feststeht, zu erklären, ob sie die In-

nehaltung der Karenz verlangt oder ob sie dar-

auf verzichtet.

....

(8) Der Anspruch auf die Karenzentschädigung erlischt,

wenn Herr J sich eines Verhaltens schul-

dig macht, das die Gesellschaft im Falle des Fort-

bestehens seines Anstellungsvertrages zu dessen

fristloser Kündigung berechtigt haben würde."

Am 15. Juni 1981 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Dezember 1981. Am 4. Januar 1982 teilte sie ihm mit, daß sie ihn mit sofortiger Wirkung von dem Wettbewerbsverbot befreie. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage, der in erster Instanz durch Urteil des Arbeitsgerichts vom 22. Juni 1982 stattgegeben wurde. Ebenso hatten seine Zahlungsklagen in erster Instanz Erfolg, mit denen er 13 Gehälter für die Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum 31. Dezember 1982 verlangte. Auf diese zahlte die Beklagte 21.890,68 DM netto. Auf die Berufungen der Beklagten wurde die Kündigungsschutzklage durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. April 1983 und die Zahlungsklagen durch Urteil vom 21. Oktober 1983 abgewiesen. Die wegen der Abweisung der Kündigungsschutzklage bei dem Bundesarbeitsgericht am 18. Juli 1983 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nahm der Kläger am 24. August 1983 zurück. Erstmals mit Schriftsatz vom 18. Juli 1983 verlangte er die Zahlung einer Karenzentschädigung.

Der Kläger hat behauptet: Die Beklagte schulde ihm für die Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum 31. Dezember 1983 eine Karenzentschädigung in Höhe von 199.519,92 DM (24 Gehälter). Bei der Berechnung der Karenzentschädigung sei nicht nur von dem Festgehalt auszugehen. Vielmehr müßten auch sonstige Nebenleistungen und rechtswidrig nicht gewährte Gehaltserhöhungen berücksichtigt werden, über die das Verfahren noch in erster Instanz anhängig ist. Für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots habe er sich erst nach rechtskräftiger Entscheidung seiner Kündigungsschutzklage entscheiden müssen. Zuvor habe er davon ausgehen können, daß er sich noch in einem Arbeitsverhältnis befinde; deshalb habe er während des Prozesses seine Weiterbeschäftigung verlangt. Das Wettbewerbsverbot habe er auch eingehalten. Gegen eine Rückzahlungsforderung der Beklagten rechne er mit seiner Forderung auf Karenzentschädigung für die Monate Januar bis März 1982 auf.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

220.576,49 DM nebst 4 % Zinsen seit dem

13. Dezember 1984 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Berechnung der Karenzentschädigung bestritten. Diese stehe dem Kläger auch dem Grunde nach nicht zu, weil der Kläger nicht rechtzeitig mitgeteilt habe, daß er sich an das Wettbewerbsverbot halte. Hierzu habe er aber Veranlassung gehabt, weil sie ihm am 4. Januar 1982 mitgeteilt habe, daß sie ihn nicht an dem Wettbewerbsverbot festhalte. Im Verlaufe der verschiedenen Rechtsstreitigkeiten habe der Kläger auch wiederholt erklärt, daß er sich bei anderen Spediteuren beworben habe. Seine Bewerbungen seien jedoch nicht erfolgreich gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Teilurteil in Höhe von 177.629,24 DM (199.519,92 - 21.890,68 DM) abgewiesen und die Kostenentscheidung dem Schlußurteil vorbehalten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I. Es kann noch nicht beurteilt werden, ob dem Kläger ein Anspruch auf Karenzentschädigung zusteht.

1. Die Parteien haben ein bedingtes Wettbewerbsverbot vereinbart. Obwohl die Beklagte den Kläger freigegeben hat, kann dieser die versprochene Karenzentschädigung verlangen, wenn er sich zur Einhaltung des Wettbewerbsverbotes bereitfindet.

Nach dem Vertrag hängt die Verpflichtung des Klägers, Wettbewerb zu unterlassen, davon ab, ob die Beklagte dies bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt. Für den Kläger bestand nach dieser Regelung bis zur Entscheidung der Beklagten Rechtsunsicherheit, ob die Beklagte ihn durch ihr Verlangen zur Einhaltung des Verbotes zwingen werde oder ob er sich bei Konkurrenten seines Arbeitgebers bewerben darf. Seine Unterlassungsverpflichtung sollte von einem vorbehaltenen Entschluß der Beklagten abhängen. Ob die Entstehung des Wettbewerbsverbots aufschiebend oder auflösend bedingt ist, kann offenbleiben, weil beide vertraglichen Gestaltungsformen gleichermaßen unzulässig sind.

Ein bedingtes Wettbewerbsverbot ist für den Arbeitnehmer unverbindlich. Nach § 75 d Satz 1 HGB kann sich der Arbeitgeber auf eine Vereinbarung, durch die von den Vorschriften der §§ 74 bis 75 c HGB zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen wird, nicht berufen. Im vorliegenden Fall verstößt die Wettbewerbsklausel in doppelter Weise gegen die Schutzvorschriften des HGB zum Nachteil des Klägers. Sie macht die Unterlassungspflicht von einem besonderen Verlangen der Beklagten abhängig und sie ermöglicht dieser abweichend von § 75 a HGB, noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten.

2. Ein bedingtes Wettbewerbsverbot begründet Ansprüche auf Karenzentschädigung, wenn der Arbeitnehmer die Unterlassungspflicht erfüllt und hiervon den Arbeitgeber unterrichtet.

a) Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß der Arbeitgeber auch dann Karenzentschädigung zahlen muß, wenn das Wettbewerbsverbot unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Entscheidung aufgrund des Arbeitgebers steht (BAGE 30, 23 = AP Nr. 36 zu § 74 HGB; Urteil vom 24. April 1980 - 3 AZR 1047/77 - AP Nr. 37, aa0; Urteil vom 14. Juli 1981 - 3 AZR 414/80 - AP Nr. 38, aa0, zu I 1 c der Gründe; Urteil vom 5. Oktober 1982 - 3 AZR 451/80 - AP Nr. 42, aa0, zu II 2 b der Gründe). Nichts anderes gilt, wenn sich der Arbeitgeber vorbehalten hat, erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Wettbewerbsverbot in Kraft zu setzen (Urteil des Senats vom 13. Mai 1986 - 3 AZR 85/85 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß der Arbeitnehmer bereits durch die bedingte Unterlassungspflicht in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten beschränkt wird.

Das Landesarbeitsgericht hat dennoch Ansprüche des Klägers auf Karenzentschädigung verneint. Es hat darauf abgestellt, daß der Kläger erst nach Abschluß des Kündigungsschutzprozesses eine Erklärung über die Einhaltung des Wettbewerbsverbots abgegeben habe. Diese Erklärung war nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts verspätet. Seine Auffassung hält jedoch einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

3. Ein Arbeitnehmer kann bis zur gerichtlichen Klärung des Bestandes seines Arbeitsverhältnisses abwarten, ehe er sich entscheidet, ob er die Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbotes geltend machen oder dieses beachten und Karenzentschädigung beanspruchen will. Voraussetzung ist allerdings, daß über die Wirksamkeit der Beendigung berechtigte Zweifel bestehen können und daß der Arbeitnehmer während des Rechtsstreits das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60 HGB als maßgebend ansieht und befolgt.

a) Der Senat ist in seiner bisherigen Rechtsprechung zu bedingten Wettbewerbsverboten davon ausgegangen, daß der Arbeitnehmer schon bei Beginn der Karenzzeit erklären muß, ob er sich auf die Unverbindlichkeit des Verbots berufen, oder aber Wettbewerb unterlassen und dafür Karenzentschädigung verlangen will (BAGE 30, 23, 30 = AP Nr. 36 zu § 74 HGB, zu II 4 der Gründe; Urteil vom 14. Juli 1981 - 3 AZR 414/80 - AP Nr. 38, aa0, zu I 1 c, 2 der Gründe; Urteil vom 5. Oktober 1982 - 3 AZR 451/80 - AP Nr. 42, aa0, zu II 2 b der Gründe; Urteil vom 13. Mai 1986 - 3 AZR 85/85 -, zu 3 der Gründe). Er hat aber bereits erkannt, daß der Arbeitnehmer berechtigt ist, das Wettbewerbsverbot vorläufig einzuhalten und Karenzentschädigung zu verlangen, wenn Streit über die Wirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes entsteht und die vorübergehende Karenz bis zur gerichtlichen Klärung für den Arbeitgeber von Interesse ist (BAG Urteil vom 24. April 1980 - 3 AZR 1047/77 - AP Nr. 37 zu § 74 HGB, zu 2 der Gründe).

Ein Arbeitnehmer bedarf des Schutzes vor der einseitigen Benachteiligung durch ein bedingtes Wettbewerbsverbot. Ihm ist aber grundsätzlich keine günstigere Stellung einzuräumen, als er gehabt hätte, wenn er an ein wirksames Wettbewerbsverbot gebunden gewesen wäre. Bei diesem erwachsen die Rechte und Pflichten regelmäßig mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Besonderheiten ergeben sich dann, wenn zu diesem Zeitpunkt die Rechtslage unklar ist.

b) Besteht Streit über die wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses und erhebt der Arbeitnehmer Klage, um dessen Fortbestand feststellen zu lassen, so ist er regelmäßig aus sachlichen und praktischen Gründen gezwungen, während des Rechtsstreits Wettbewerb zu unterlassen. Ergibt sich, daß die Entlassung ungerechtfertigt war, so folgt daraus, daß während des Rechtsstreits das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60 HGB galt, dem Arbeitnehmer andererseits Vergütungsansprüche erwachsen sind. Ergibt sich dagegen die Berechtigung der Entlassung, so entfaltet ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot seine Wirkungen und der Arbeitnehmer erlangt Ansprüche auf Karenzentschädigung. Solange insoweit Unklarheit besteht, erscheint es ausreichend, wenn der Arbeitnehmer sein Prozeßziel zunächst konsequent verfolgt. Gründe, die es notwendig machen, den durch ein bedingtes Wettbewerbsverbot belasteten Arbeitnehmer zu zwingen, sich über seine künftigen Pläne für den Fall eines ungünstigen Prozeßausganges zu erklären, bestehen nicht. Dies wird besonders deutlich, wenn der Arbeitnehmer - wie im vorliegenden Fall - die Weiterbeschäftigung verlangt hat und nach seinem Obsiegen in der ersten Instanz auch beanspruchen konnte (BAGE 48, 122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

Gegen diese Rechtsauffassung läßt sich nichts aus der Entscheidung des Senats vom 26. Januar 1973 (- 3 AZR 233/72 - AP Nr. 4 zu § 75 HGB) ableiten. Die Entscheidung betraf das Lossagungsrecht gemäß § 75 HGB. Dieses Recht ist nach der Kündigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuüben, ohne daß es auf die Wirksamkeit der Kündigung ankommt. Insoweit enthält das Gesetz eine genaue Bestimmung des Erklärungszeitpunktes. Dagegen kann die Erklärung zur Einhaltung eines bedingten Wettbewerbsverbots hinausgeschoben werden, wenn der Arbeitnehmer sich gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Wehr setzt. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Tatsachengericht zurückzuverweisen.

II. Für die weitere Sachbehandlung können dem Landesarbeitsgericht nur folgende Hinweise erteilt werden:

1. Die Beklagte hat im Verlaufe des Rechtsstreits unter Beweisantritt vorgetragen, der Kläger habe gegenüber ihrem Prokuristen erklärt, er habe sich bei zahlreichen anderen Speditionsunternehmen im In- und Ausland beworben. Diesem Vorbringen wird nachzugehen sein; möglicherweise hat sich der Kläger trotz der Rechtsstreitigkeiten über den Bestand des Arbeitsverhältnisses bereits erkennbar gegen die Einhaltung des Wettbewerbsverbots entschieden.

2. Ergibt sich aufgrund der Beweisaufnahme, daß der Kläger die Einhaltung des bedingten Wettbewerbsverbots nicht abgelehnt hat, bedarf es der Aufklärung, wie seine Karenzentschädigung zu berechnen ist.

Dr. Dieterich Schaub Griebeling

Seyd Lichtenstein

 

Fundstellen

Haufe-Index 438758

BB 1987, 2166

BB 1987, 2166-2167 (LT1-2)

DB 1987, 2047-2048 (LT1-2)

EWiR 1987, 907-907 (L1-2)

JR 1987, 484

NZA 1987, 592-593 (LT1-2)

RdA 1987, 253

AP § 74 HGB, Nr 53

AR-Blattei, ES 1830 Nr 148 (LT1-2)

AR-Blattei, Wettbewerbsverbot Entsch 148 (LT1-2)

EzA § 74 HGB, Nr 49

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