Rz. 73

Wesentliches Kriterium eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens ist die Gewährung rechtlichen Gehörs für den Bürger, der hierauf einen Rechtsanspruch hat[1]. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör ist durch Art. 103 Abs. 1 GG für das gerichtliche Verfahren gewährleistet. Verschiedene Vorschriften der AO sichern dieses Grundrecht auch für das finanzbehördliche Verwaltungsverfahren (Rz. 9).

 

Rz. 74

Nach § 91 Abs. 1 S. 1 AO soll die Finanzbehörde dem Beteiligten Gelegenheit geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, bevor sie einen Verwaltungsakt erlässt, der die Rechte des Beteiligten berührt. Obgleich die Vorschrift anders als § 28 VwVfG keinen zwingenden Charakter hat, hat der Beteiligte grundsätzlich ein Recht auf Anhörung[2].

Dies bedeutet, dass die Finanzbehörde seine Ausführungen entgegennehmen und berücksichtigen muss, sofern sie entscheidungserheblich sind. Sie ist aber nicht verpflichtet, Ausführungen oder Rechtsansichten mit dem Beteiligten zu erörtern, wenn die Finanzbehörde bei ihrer Auffassung bleiben will. Sie ist jedoch nicht gehindert an einer Erörterung der Sach- und Rechtslage mit dem Beteiligten[3]. Nur im Einspruchsverfahren hat der Einspruchsführer einen Rechtsanspruch hierauf[4].

 

Rz. 74a

Da im steuerlichen Massenverfahren die Regelung des § 91 AO[5] von der Behörde zumeist unbeachtet gelassen wird, gewährt § 364 AO im Einspruchsverfahren einen Rechtsanspruch auf Mitteilung der Besteuerungsunterlagen, damit der Beteiligte seine Ansichten vortragen und sich zu den entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen äußern kann.

 

Rz. 75

Die Verletzung des Anhörungsgebots bzw. der Mitteilungspflicht führt keinesfalls zur Nichtigkeit des erlassenen Verwaltungsakts[6], hat aber die Rechtswidrigkeit des betreffenden Verwaltungsakts zur Folge[7]. Allerdings ist der Verstoß gegen diese Verfahrensvorschrift nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 AO unbeachtlich, wenn die Anhörung in dem von § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO gegebenen Zeitraum nachgeholt wird. Er kann z. T. auch noch im finanzgerichtlichen Verfahren geheilt werden. Im Übrigen führen Verfahrens- oder Formfehler gem. § 127 AO nicht zur Aufhebung eines Verwaltungsakts, wenn eine andere Sachentscheidung nicht hätte getroffen werden können. Dies gilt auch für die Verletzung des Anhörungsgebots[8].

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