Rz. 26

Nach der eindeutigen Formulierung des § 356 Abs. 1 AO "beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs nur", wenn bei schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakten eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung erfolgt ist. Der Beginn der Einspruchsfrist knüpft somit nicht an die Bekanntgabe des Verwaltungsakts, sondern an die Bekanntgabe der Rechtsbehelfsbelehrung an.

Regelmäßig sind Verwaltungsakt und Rechtsbehelfsbelehrung miteinander verbunden.[1] Da aber die Rechtsbehelfsbelehrung auch (zeitlich) getrennt von dem Verwaltungsakt erteilt werden kann (s. Rz. 22), können diese Zeitpunkte durchaus auseinanderfallen.

Ein dem Verwaltungsakt vorhergehender Hinweis auf die statthaften Rechtsbehelfe ersetzt die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Verwaltungsakt jedoch nicht.[2]

 

Rz. 27

Wurde ein Verwaltungsakt somit zunächst ohne oder mit fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung bekannt gegeben, kann eine Nachholung der ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung erfolgen. In diesem Fall kommt nicht die durch § 356 Abs. 2 AO ausgelöste einjährige Einspruchsfrist zum Tragen, sondern die einmonatige Frist, die mit der tatsächlichen Bekanntgabe der nachgeholten Rechtsbehelfsbelehrung zu laufen beginnt.[3] Die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 AO findet keine Anwendung, weil die Rechtsbehelfsbelehrung kein Verwaltungsakt ist.[4] In der nachträglich bekannt gegebenen Rechtsbehelfsbelehrung ist auf den Beginn der einmonatigen Einspruchsfrist mit der tatsächlichen Bekanntgabe hinzuweisen.[5]

 

Rz. 28

Für den Nachweis der Bekanntgabe der Rechtsbehelfsbelehrung gelten die allgemeinen Beweisregeln einschließlich des Indizienbeweises. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass ein maschinell erstellter Steuerbescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten hat, wenn durch das Programm Steuerbescheide stets mit Rechtsbehelfsbelehrung erstellt werden.[6]

[1] Siegers, in HHSp, AO/FGO, § 356 AO Rz. 39.
[2] FG Hamburg v. 12.3.1991, IV 172/88 H, EFG 1992, 85.
[3] Siegers, in HHSp, AO/FGO, § 356 AO Rz. 39; Werth, in Gosch, AO/FGO, § 356 AO Rz. 22; Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 356 Rz. 16.
[4] Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 356 Rz. 16; Werth, in Gosch, AO/FGO, § 356 AO Rz. 22.
[5] Werth, in Gosch, AO/FGO, § 356 AO Rz. 22.

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