Rz. 134

Durch das 2. AOÄndG[1] hat der Gesetzgeber nunmehr durch § 233a Abs. 8 AO die bislang nur in der AEAO zu § 233a Nr. 70.1 (in der Fassung bis 2.11.2022) enthaltene Billigkeitsregelung über den Erlass von Nachzahlungszinsen aufgrund "freiwilliger" Zahlungen gesetzlich verankert. Die Regelung gilt auch für Verzinsung der von den Gemeinden verwalteten Gewerbesteuer.

 

Rz. 135

Nach § 233a Abs. 8 S. 1 AO sind Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Stpfl. (Nachzahlungszinsen) nicht zu erheben oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörden diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. § 233a Abs. 8 S. 2 AO enthält eine Parallelregelung für die Berechnung der nicht zu erhebenden Nachzahlungszinsen. Nach Abs. 8 S. 3 mindert sich der Zinsverzicht rückwirkend, wenn die zugrundeliegende Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach Maßgabe des § 233a Abs. 5 AO zugunsten des Stpfl. geändert wird. Diese Regelung dient der Vermeidung einer ungerechtfertigten Doppelbegünstigung und entspricht der bisherigen Praxis. § 233 Abs. 5 S .4 AO stellt klar, dass eine abweichende Festsetzung oder ein Erlass von Nachzahlungszinsen aus anderen Gründen nach Maßgabe der §§ 163 und 227 AO zulässig bleibt.[2]

[1] Zweites Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnun, BGBl I 2022, 1142.
[2] BT-Drs. 157/22, 18f.

9.1 Freiwillige Zahlungen (§ 233a Abs. 8 S. 1 bis 3 AO)

 

Rz. 136

Die Annahme freiwilliger Zahlungen und vergleichbarer Leistungen steht nach Auffassung des Gesetzgebers[1] wie bisher im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde, im Falle der Verwaltung der Gewerbesteuer durch die Gemeinde im Ermessen der jeweiligen Gemeinde. Damit soll verhindert werden, dass das FA ohne sachliche Rechtfertigung der Zahlung oder Leistung als „Sparkasse“ missbraucht werden kann.[2]

 

Rz. 137

Die Verwaltung hat eine freiwillige Zahlung als Antrag auf Anpassung der bisher festgesetzten Vorauszahlungen anzusehen; eine nachträgliche Erhöhung der Vorauszahlung muss mindestens 5.000 EUR betragen.[3] Sonderregelungen gelten für die USt.[4] Die Verwaltung soll allerdings bei freiwilligen Zahlungen nach Vorliegen der Steuererklärung unverzüglich die Steuerfestsetzung durchführen, notfalls sogar als personelle Festsetzung und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.[5]

 

Rz. 138

Anzunehmen sind aber wie bisher alle Zahlungen und Leistungen, die erkennbar zur Tilgung einer in naher Zukunft voraussichtlich fällig werdenden Steuerschuld geleistet werden; dazu gehören auch im Zusammenhang mit einer Außenprüfung aufgrund entsprechender Prüfungsfeststellungen geleistete Vorab-Zahlungen. Schon zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit wäre es angemessen gewesen, hier von einem gesetzlichen Anspruch auf Annahme und Anrechnung (Ermessensreduzierung auf Null) auszugehen.[6]

Nachzahlungszinsen sind nur für den Zeitraum bis zum Eingang der freiwilligen Leistung zu erheben. Nachzahlungszinsen sind insoweit zu erlassen, wie die auf volle fünfzig Euro abgerundete freiwillige Leistung für jeweils volle Monate vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung erbracht worden ist.

 

Rz. 139

Die Leistungen können auf die Leistungen beschränkt werden, die jeweils für volle Monate zwischen der Annahme der Zahlung durch das FA und der Wirksamkeit der Steuerfestsetzung angefallen sind.[7] Der Beginn des Zinslaufs der fiktiven Erstattungszinsen ist der Tag der freiwilligen Zahlung. § 233a Abs. 3 S. 3 Hs. 2 AO ist bei der Berechnung der Dauer des Zinslaufs und der Ermittlung der vollen Monate i. S. d. § 238 Abs. 1 S. 2 AO einzubeziehen.[8]

Besteht die freiwillige Leistung aus mehreren Teil-Leistungen, richtet sich der Zinsberechnungszeitraum jeweils nach dem Zeitpunkt der einzelnen Leistung; die Leistungen sind in chronologischer Reihenfolge zu berücksichtigen, beginnend mit der jüngsten Leistung.[9] Ein Zinserlass scheidet dabei aus, wenn der zu erlassende Betrag weniger als zehn Euro beträgt.[10]

 

Rz. 140

Ein Verstoß gegen § 233a AO liegt vor, wenn das FA wegen eines Erfassungsfehlers eine vom Stpfl. überwiesene Vorauszahlung zurücküberweist, obwohl die Rückzahlung ausschließlich auf einem Fehler des FA beruht, der Stpfl. das FA unverzüglich auf diesen Fehler aufmerksam macht und den Betrag zur sofortigen Rückzahlung auf einem Girokonto bereithält.[11] Die Finanzverwaltung wendet diese Grundsätze über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht an, sondern verlangt zusätzlich, dass der Stpfl. die materiell ungerechtfertigte Steuererstattung unverzüglich an das FA zurück überweist[12]

Eine Zinsfestsetzung ist sachlich unbillig, soweit die Nachforderung im Fall einer Steuerfestsetzung vor Ablauf der Karenzfrist des § 233a Abs. 2 S. 1 AO im Verrechnungswege wegen eines zu erwartenden Erstattungsbetrags gestundet worden wäre und das FA auf die Erhebung von Stundungszinsen verzichtet hätte.[13]

Eine gegenüber der Regelung in § 233a AO höhere Festsetzung von Erstattungszinsen aus Billigkei...

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