Rz. 269

Problematisch ist die Anwendung des § 173 Abs. 2 AO auf Abzugsteuern.

Die Abführung der LSt durch den Arbeitgeber im LSt-Abzugsverfahren führt bei diesem weder zu einer Steuer- noch zu einer Haftungsschuld, sondern zu einer Einbehaltungs- und Abführungsschuld, die im Gesetz nicht geregelt ist .[1] § 193 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AO erlaubt in diesen Fällen eine Außenprüfung der LSt-Anmeldungen. § 173 Abs. 2 AO ist aber direkt nicht anwendbar, da diese Vorschrift nach ihrer systematischen Stellung nur für Steuerfestsetzungen gilt. Hinzu kommt, dass bei einer LSt-Außenprüfung die Nachforderung nicht durch eine Änderung der LSt-Anmeldung erfolgt, sondern durch eine weitere, eigenständige Festsetzung.[2]

 

Rz. 270

Es ist aber gerechtfertigt, die Regelung über die Änderungssperre auf die hier infrage stehenden Fälle entsprechend anzuwenden; es muss eine Gesetzeslücke angenommen werden. Grundsätzlich ist eine Außenprüfung nur bei Personen möglich, gegen die eine Steuerfestsetzung oder ein Verwaltungsakt, der wie eine Steuerfestsetzung behandelt wird, erlassen wird. Gegen den Arbeitgeber wird diese Prüfungsbefugnis aber ausgedehnt, ein Sonderfall, dessen Konsequenzen vom Gesetzgeber nicht bedacht wurden. Wie bei einer Steuerfestsetzung die Außenprüfung zu einer abschließenden Prüfung des Falls führen soll mit der Folge des § 173 Abs. 2 AO, hat auch die LSt-Außenprüfung eine abschließende Prüfung zum Ziel. Eine analoge Anwendung des § 173 Abs. 2 AO ist daher gerechtfertigt. Hinzu kommt, dass auch sonst Vorschriften über die Steuerfestsetzung analog anzuwenden sind.[3] Die Nichtanwendung des § 173 Abs. 2 AO wäre daher unbillig.

 

Rz. 271

Hat der Arbeitgeber seine Pflicht zur Einbehaltung und Abführung der LSt nicht erfüllt, haftet er. Ein Haftungsbescheid kann nur nach den §§ 130, 131 AO, nicht nach den §§ 172ff. AO geändert werden. Ergeht aufgrund einer Außenprüfung ein Haftungsbescheid, greift § 173 Abs. 2 AO mangels eines Steuerbescheids nicht ein. Auch hier wird dieses Ergebnis aber der Tatsache nicht gerecht, dass die LSt-Außenprüfung zu einer abschließenden Prüfung geführt hat. Auch in diesen Fällen ist daher § 173 Abs. 2 AO analog anzuwenden.[4]

Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht nach § 42d Abs. 4 Nr. 2 EStG anerkennt und dadurch der Erlass eines Haftungsbescheids überflüssig wird. Dieses Anerkenntnis hat nach § 167 Abs. 1 S. 3 AO die Wirkung einer Steueranmeldung und steht nach § 168 AO einer Steuerfestsetzung gleich. Daher greift auch die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO ein. Dies ist eine weitere Begründung dafür, auch bei einem Haftungsbescheid die Änderungssperre eingreifen zu lassen. Es wäre sachlich nicht zu rechtfertigen, die Änderungssperre bei Anerkennntis durch den Arbeitgeber eingreifen zu lassen, bei einem Haftungsbescheid aber nicht. Entsprechendes gilt für andere Abzugsteuern, z. B. die KapESt.

 

Rz. 272

Der BFH hat dieser Ansicht zugestimmt für den Fall, dass die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO ergeht.[5] Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO sei zeitraumbezogen und begründe den Rechtsfrieden für den ganzen Zeitraum. Ebenso für einen Pauschalierungsbescheid, wenn nach einer LSt-Außenprüfung der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden war.[6] Nach BFH v. 15.5.1992, VI R 106/88, BStBl II 1993, 840 Außerdem tritt die Änderungssperre sogar dann ein, wenn nach einer ergebnislosen Außenprüfung erstmals ein Haftungsbescheid ergehen soll; der Sache nach sei der Haftungsbescheid eine Änderung der Steueranmeldung.[7]

 

Rz. 273

Keine Anwendung findet § 173 Abs. 2 AO jedoch auf die Arbeitnehmer, wenn die LSt-Außenprüfung bei dem Arbeitgeber stattgefunden hat.[8] Die LSt-Außenprüfung entfaltet Wirkung nur gegenüber dem geprüften Stpfl., dem Arbeitgeber[9], nicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Außerdem findet in diesen Fällen § 173 Abs. 2 AO schon dem Wortlaut nach keine Anwendung, da dem Arbeitnehmer gegenüber keine "Steuerbescheide aufgrund der (LSt-)Außenprüfung" ergangen sind.

 

Rz. 274

Ebenfalls keine Anwendung findet § 173 Abs. 2 AO, wenn bei einer Kapitalgesellschaft die Zahlungen an einen Gesellschafter-Geschäftsführer als Arbeitslohn eingestuft worden sind, und nun die Qualifizierung als verdeckte Gewinnausschüttung in Frage steht. Die Änderungssperre der LSt-Außenprüfung greift nur insoweit ein, als das LSt-Verfahren infrage steht. Sie greift nicht ein im Verhältnis zum KSt-Bescheid der Kapitalgesellschaft (dieser ergeht nicht aufgrund einer LSt-Außenprüfung) noch für den Arbeitnehmer-Geschäftsführer.[10]

 

Rz. 275

Abweichend von der in Rz. 270 vertretenen Ansicht wird vorgebracht, Haftungsbescheide im LSt-Verfahren und Steuerbescheide gegen den Arbeitgeber bei Pauschalierungen seien sachverhaltsbezogen, nicht zeitbezogen. Da sie nicht einen Zeitraum abdecken sollten, sondern nur einen bestimmten Sachverhalt, könne § 173 Abs. 2 AO der Berücksichtigung nicht entgegenstehen, soweit für denselben Zeitraum ein (weiterer) Sachverhalt aufgedeckt werde.[11]

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