Rz. 253

Als Rechtsfolge bestimmt § 173 Abs. 2 AO, dass die Steuerbescheide nach Eintritt der Änderungssperre nur noch unter bestimmten, erschwerten Voraussetzungen geändert werden können. Die Rechtsfolge besteht also in dem Eintritt der verstärkten Bestandskraft der Steuerfestsetzungen (Änderungssperre). Die verstärkte Bestandskraft tritt ein, "soweit" die Änderungsbescheide auf der Außenprüfung beruhen. Damit ist in erster Linie der persönliche, sachliche und zeitliche Umfang der Außenprüfung angesprochen, wie er sich aus der Prüfungsanordnung ergibt.[1] Beruht die Änderungssperre auf der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 AO, richtet sich der Umfang der Änderungssperre ebenfalls nach der Prüfungsanordnung. Damit kann der Umfang der verstärkten Bestandskraft jedenfalls nicht weiter reichen als der Umfang der Prüfungsanordnung; sie erstreckt sich nur auf den geprüften Stpfl. (persönlicher Umfang), die geprüften Steuerarten (sachlicher Umfang) und den Prüfungszeitraum (zeitlicher Umfang).[2] Ein Sachverhalt, der in den sachlichen Umfang der Prüfungsanordnung fällt, ist auch dann von der verstärkten Bestandskraft erfasst, wenn er von der Außenprüfung tatsächlich nicht geprüft wurde.[3]

 

Rz. 253a

Ergeht eine entsprechend § 194 Abs. 1 S. 2 AO auf bestimmte Sachverhalte eingeschränkte Prüfungsanordnung, erstreckt sich die verstärkte Bestandskraft nur auf die Sachverhalte, die in den Rahmen dieser eingeschränkten Prüfungsanordnung fallen.

 

Rz. 254

Teilweise wird die Ansicht vertreten, die verstärkte Bestandskraft knüpfe nicht an den Umfang der Prüfungsanordnung an, sondern an den Regelungsbereich der auf ihrer Grundlage ergehenden Bescheide.[4] Dann wäre aber die verstärkte Bestandskraft aufgrund der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 2 AO systematisch nicht mehr zu erklären. Es verbietet sich, systematisch unterschiedliche Grundlagen nur deswegen anzunehmen, weil die eine Prüfung zu Beanstandungen geführt hat, die andere aber nicht. Außerdem besteht der den Rechtsfrieden stiftende Tatbestand in der Außenprüfung als der umfassenden Prüfung, nicht in dem Steuerbescheid (der – ohne Außenprüfung – gerade keinen Rechtsfrieden stiftet); eine Außenprüfung ohne Steuerbescheid begründet den Rechtsfrieden[5], ein Steuerbescheid ohne Außenprüfung aber nicht. Die Änderungssperre muss also an den persönlichen, sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung anknüpfen und damit an die Prüfungsanordnung als die formalisierte Festlegung dieses Umfangs.

 

Rz. 255

Die verstärkte Bestandskraft hat auch Einwirkungen auf die Bilanzberichtigung. Durch Bilanzberichtigung[6] kann in falscher Bilanzansatz nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung dann richtiggestellt werden, wenn die Steuerfestsetzung noch geändert werden kann. Während unter der AO 1931 die Grenze dieser Bilanzberichtigung nur die Verjährung war, tritt durch § 173 Abs. 2 AO als weitere Grenze für das Zurückgreifen auf frühere Steuerfestsetzungen die verstärkte Bestandskraft hinzu, da auch insoweit die Steuerfestsetzung nicht mehr geändert werden kann. Der falsche Bilanzansatz, der erfolgswirksam zu berichtigen ist, ist daher in der Schlussbilanz des ersten Jahres, dessen Steuerfestsetzung noch geändert werden kann (d. h., für die weder Festsetzungsverjährung noch verstärkte Bestandskraft eingetreten ist), erfolgswirksam richtigzustellen.

 

Rz. 256

Das Wort "soweit" in Abs. 2, das den Umfang der verstärkten Bestandskraft umschreibt, könnte darauf hindeuten, dass die verstärkte Bestandskraft nur eintreten soll, wenn und soweit der Prüfer den Sachverhalt tatsächlich geprüft hat. Bei dieser Auslegung tritt allerdings folgende Schwierigkeit auf. Hat die Prüfung bei einigen Besteuerungsgrundlagen zu einer Änderung geführt, bei anderen desselben Jahrs und derselben Steuerart dagegen nicht, ist der Steuerbescheid nach dieser Auslegung nicht aufgrund einer Außenprüfung ergangen, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht geändert worden sind, da insoweit die Prüfung keine unmittelbare Wirkung auf den Steuerbescheid gehabt hat. Insoweit träte also die verstärkte Bestandskraft nicht ein. Der Sinn des Abs. 2 erfordert aber, den verstärkten Bestandsschutz zumindest soweit eintreten zu lassen, als der Außenprüfer ohne Beanstandungen geprüft hat. Damit entstünde die Schwierigkeit, mit einem der Bedeutung der Bestandskraft Rechnung tragenden ausreichenden Maß an Sicherheit festzustellen, ob der Prüfer einen Sachverhalt (mit oder ohne Beanstandung) geprüft hat. Das würde sich nur durch Einsichtnahme in die Handakten des Prüfers feststellen lassen. Da die Führung der Handakten aber von dem persönlichen Arbeitsstil jedes einzelnen Prüfers abhängt, ließe sich das erforderliche Maß an Sicherheit kaum erreichen.

 

Rz. 257

Diese Auslegung wird daher der Bedeutung der verstärkten Bestandskraft nicht gerecht. Nach Abschluss der Prüfung soll der Stpfl. darauf vertrauen dürfen, dass das FA von seinem Recht, den Sachverhalt zu erforschen, abschließend Gebrauch gemacht hat und eine erneute Überprüfung des Sachverhalt...

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