Rz. 51

Die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners geschieht durch Haftungsbescheid. Sein Erlass liegt im Ermessen der Finanzbehörde. Der Haftungsbescheid ist nach § 121 Abs. 1 AO zu begründen. Dies erfordert eine Aufgliederung der Steuern nach Steuerart und Zeitraum sowie Angaben über die gegenständliche und wertmäßige Beschränkung der Haftung, damit der in Anspruch genommene Erwerber die Erfüllung der Voraussetzungen der Haftungsvorschrift in seinem Fall überprüfen kann. Voraussetzung der Ermessensentscheidung ist das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen nach § 75 AO. Bei der nach Bejahung dieser Frage anzustellenden Ermessensentscheidung ist zunächst zu prüfen, ob und inwieweit das Unternehmen bzw. der Teilbetrieb überhaupt noch eine Sicherung für die vom Veräußerer geschuldeten Steuern darstellt.[1]

Ist zur Zeit des Erlasses des Haftungsbescheids der Bestand des übernommenen Vermögens völlig verschwunden und gibt es keine Surrogate (s. Rz. 50a), scheidet eine Haftungsinanspruchnahme völlig aus.[2] Die Begründung der Ermessensentscheidung zwingt auch zur Stellungnahme, weswegen von den Gesamtschuldnern[3] der Erwerber und (jetzt) nicht der Veräußerer als Steuerschuldner oder ein anderer Haftender in Anspruch genommen worden ist.[4] Ebenfalls ist bei einem Nebeneinander der Haftung mehrerer Personen nach § 75 AO und § 69 AO (z. B. Geschäftsführer des Veräußerers) zu begründen, warum der Erwerber des Unternehmens oder des Teilbetriebs nach § 75 AO und nicht (bzw. auch nicht zugleich) der nach § 69 Haftende in Anspruch genommen worden ist. Wegen des Fehlens einer Rangordnung der genannten Haftungsvorschriften geht die Haftung nach § 69 AO nämlich nicht vor.[5]

Die gegenständliche Beschränkung der Haftung muss im Haftungsbescheid ausgesprochen werden.[6] Gegen den Haftungsbescheid ist gem. § 347 AO der Einspruch gegeben.

[3] Vgl. § 44 AO.
[4] S. Erl. zu § 191 AO; für den Fall der Nichtinanspruchnahme des Erwerbers trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 75 AO vgl. BFH v. 2.8.1988, VII B 111/87, BFH/NV 1989, 152.
[5] BFH v. 22.9.1992, VII R 73—74/91, BFH/NV 1993, 215; a. A. Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 75 AO Rz. 65.
[6] Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 75 AO Rz. 49; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 75 AO Rz. 66; Jatzke, in Gosch, AO/FGO, § 75 AO Rz. 31; FG Köln v. 9.12.1999, 15 K 1756/91, EFG 2000, 203.

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