1 Anwendungsbereich

 

Rz. 1

§ 161 AO gilt unmittelbar nur für die bundesrechtlich geregelten besonderen Verbrauchsteuern.[1] Auf die landesrechtlich geregelten örtlichen Verbrauchsteuern ist § 161 AO nur anwendbar, wenn in den kommunalen Abgabengesetzen auf § 161 AO verwiesen wird.

 

Rz. 2

Die Verbrauchsteuergesetze sind durch das am 1.1.1993 in Kraft getretene Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz[2] fast vollständig geändert worden. Das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz dient der Umsetzung verschiedener EG-Richtlinien, deren Ziel die Steuerharmonisierung in einem gemeinsamen Binnenmarkt ist. Art. 7 Abs. 1 Richtlinie EG v. 16.12.2008 RL 2008/118/EG über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG und damit als Nachfolgerin der Richtlinie Nr. 92/12 des Rates v. 25.2.1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren, ABl EG 1992, Nr. 76, 1 sieht vor, dass die Verbrauchsteuer im Normalfall entsteht, wenn die Ware in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wird. In Umsetzung der Systemrichtlinie regelt das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz die Steuerentstehung, wenn die verbrauchsteuerpflichtige Ware aus dem Steuerlager entfernt wird, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren oder Zollverfahren anschließt, oder bei der Entnahme zum Verbrauch im Steuerlager bzw. bei der Entnahme zur Verwendung im Steuerlager. Neben diesen Grundtatbeständen der Steuerentstehung gibt es weitere Entstehungstatbestände für die Fälle, in denen eine bestimmte Pflicht verletzt wird.

Nach Art. 6 Abs. 1 Alt. 2 der "alten" Systemrichtlinie Nr. 92/12 des Rates v. 25.2.1992 sollte die Steuer auch dann entstehen, wenn eine Fehlmenge gem. Art. 14 Abs. 3 Systemrichtlinie Nr. 92/12 festgestellt wird. Art. 14 Abs. 3 Systemrichtlinie Nr. 92/12 definierte die Fehlmenge als die Menge, die nicht als Verlust oder Fehlmenge nach Abs. 1 bereits steuerbefreit ist. Steuerbefreit nach Abs. 1 waren Verluste, die durch Untergang oder infolge höherer Gewalt entstanden sind, oder Schwund, der während der Herstellung sowie der Lagerung und Beförderung aus Gründen, die sich aus der Eigenart der Waren ergibt, eintritt. Die Systemrichtlinie Nr. 92/12 verpflichtete den nationalen Gesetzgeber, die Zielvorstellungen der Richtlinie in einzelstaatliches Recht umzuwandeln. Eine Umsetzung durch Schaffung entsprechender Entstehungstatbestände in den Verbrauchsteuergesetzen ist nur für Fehlmengen, die während der Beförderung im Steueraussetzungsverfahren entstanden sind, erfolgt. Für die Behandlung von Fehlmengen in einem Herstellungsbetrieb enthält § 161 AO eine der Systemrichtlinie entsprechende Regelung. § 161 AO normiert zwar keinen Entstehungstatbestand, sondern eine Vermutung für das Entstehen der Steuer. In Zweifelsfällen geht die Vermutung zulasten des Steuerschuldners, sodass mit § 161 AO mehr geregelt ist, als die Systemrichtlinie Nr. 92/12 vorgab.

Die Nachfolge Richtlinie Nr. 92/12 des Rates v. 25.2.1992 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG enthält keine Regelung zur Fehlmengenbesteuerung mehr. Art. 7 Abs. 5 überlässt den Mitgliedstaaten die Regelungskompetenz über die Bedingungen, nach denen ein Verlust nach Art. 7 Abs. 4 bestimmt wird. Nach Art. 7 Abs. 4 ist den zuständigen Behörden des Mitgliedstaates, in dem der Verlust entdeckt wurde, dieser "hinreichend nachzuweisen", wenn nicht festgestellt werden kann, wo der Verlust eingetreten ist. Die Regelung des § 161 AO wird von der Regelungskompetenz durch Art. 7 Abs. 5 gedeckt.

[2] BGBl I 1993, 2150.

2 Inhalt und Bedeutung

 

Rz. 3

Nach § 161 AO führt die Feststellung von Fehlmengen verbrauchsteuerpflichtigen Waren zu zwei widerlegbaren Vermutungen. Nach § 161 S. 1 Alt. 1 AO wird für die festgestellte Fehlmenge vermutet, dass die Verbrauchsteuer entstanden ist, sofern der Steuerschuldner nicht glaubhaft macht, dass die Fehlmengen auf Umstände zurückzuführen sind, die eine Steuerschuld nicht begründen. Die Vermutung der Alt. 2, für die festgestellte Fehlmenge werde eine bedingt entstandene Verbrauchsteuer unbedingt, hat nach dem Inkrafttreten des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes keine Bedeutung mehr.[1] Kernstück des neuen Verbrauchsteuerrechts ist das Steueraussetzungsverfahren, das die Konstruktion der "bedingten Steuer" überflüssig werden lässt.[2]

 

Rz. 4

S. 2 enthält die Vermutung, dass die Steuer im Zeitpunkt der Bestandsaufnahme entstanden ist, sofern der Steuerschuldner nicht glaubhaft macht, dass die Steuer in einem anderen Zeitpunkt entstanden ist.

 

Rz. 5

Die Bedeutung der Vorschrift besteht darin, dass sie mithilfe der in ihr enthaltenen gesetzlichen Vermutungen eine vom sonstigen Ermittlungs- und Feststellungsverfahren abweichende Erleichterung zulässt, aufgrund derer eine etwaige Unaufklärbarkeit des Steuertatbestands zulasten des Stpfl. und nicht zu seinen Gunsten geht. Die Steuerbehörden werden damit nicht von ihrer Ermittlungspflicht entbunden, sie wird nur in gewisser Wei...

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