Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung der Ermessenserwägungen im Zusammenhang mit dem Erlass eines Haftungsbescheides

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Rahmen eines Haftungsbescheides sind die Ermessenserwägungen darzulegen, die zu der Annahme einer Tilgungsquote von 100% führen, wenn der Steuerschuldner wenige Monate später seine Geschäftstätigkeit und Zahlungen einstellt und Informationen über seine finanzielle Situation nicht vorliegen.

 

Normenkette

AO § 69 Abs. 3, § 191

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob die Antragstellerin zu Recht für Steuerschulden der "B-Bau GmbH i.L." (künftig: GmbH) in Haftung genommen wurde.

Die am 21.3.1971 geborene Antragstellerin hatte 1992 ein Architekturstudium aufgenommen. Im Jahr 1994 wurde sie von ihrem Vater dazu gedrängt, die Geschäftsanteile der "A Gastronomiebetriebe GmbH" (Stammkapital: 50.000 DM) zu erwerben und sich als Geschäftsführerin zur Verfügung zu stellen. Der entsprechende Kaufvertrag, mit dem die Antragstellerin zunächst 75% der Geschäftsanteile erwarb, von denen sie treuhänderisch 50 % für ihre Mutter hielt, wurde am 14.11.1994 notariell beurkundet. Durch Gesellschafterbeschluss vom gleichen Tage firmiert die GmbH um. Die Geschäftstätigkeit der GmbH, die die Planung und Bauleitung von Bauvorhaben umfasste und vereinbarungsgemäß von dem Vater der Antragstellerin, dem Architekten B, tatsächlich ausgeübt wurde, lag fast ausschließlich in Mecklenburg-Vorpommern. Die an die Geschäftsadresse der GmbH in Hamburg gerichtete Post sah die Antragstellerin durch, sämtliche kaufmännischen Aufgaben und Pflichten sollten im Übrigen aber durch ihren Vater wahrgenommen werden. Das in der Buchführung der GmbH ausgewiesene Geschäftsführer-Gehalt der Antragstellerin (60.000 DM p.a.) wurde tatsächlich nicht ausgezahlt.

Nachdem der Antragstellerin aus der bei ihr eingehenden Post nach und nach immer deutlicher wurde, dass ihr Vater den ihr gegenüber übernommenen Pflichten nur noch schleppend oder gar nicht mehr nachkam, brach sie im Jahr 1999 den Kontakt ab. Am 14.2.1999 wurde der Beschluss der Antragstellerin als inzwischen einziger Gesellschafterin der GmbH, diese aufzulösen, notariell beurkundet. Zugleich wurde die Antragstellerin zur alleinigen Liquidatorin bestellt. Die Geschäftstätigkeit stellte die Antragstellerin zum 31.7.1999 ein. Das Geschäftskonto der GmbH wurde von der E-Bank am 25.11.1999 geschlossen, nachdem Herr B den Schuldsaldo in Höhe von 1.227,73 DM per Scheckzahlung ausgeglichen hatte.

Nachdem bis zum 11.4.2000 zunächst von der GmbH geschuldete Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuern für 1995 bis 1997 (USt auch 1999) nebst Zinsen, Verspätungs- und Säumniszuschlägen in Höhe von 57.779,11 DM nicht bezahlt worden waren, erging gegen die Antragstellerin am 22.6.2000 ein entsprechender Haftungsbescheid gem. §§ 34, 69 AO. Während des daraufhin bei dem Finanzgericht Hamburg anhängigen Klageverfahrens hob der Beklagte den Haftungsbescheid am 27.11.2000 auf, da das Auswahlermessen hinsichtlich einer Haftungsinanspruchnahme des Herrn B als faktischer Geschäftsführer nicht ausgeübt worden war. Bereits mit Schriftsatz vom 23.11.2000 hatte der Beklagte angekündigt, dass er nach erneuter Ermessensausübung einen neuen Haftungsbescheid bekannt geben wolle.

Für die GmbH wurden für die Jahre 1995 bis 1999 folgende Besteuerungsgrundlagen erklärt bzw. geschätzt und folgende Steuern festgesetzt:

1995

1996

1997

1998

1999

Körperschaftsteuer

Gewinn erklärt

5.625

18.106

Eink. geschätzt

--

--

129.243

132.290

66.154

KSt festgesetzt

2.568

8.147

58.159

59.530

26.461

KSt-Bescheid v. Gewerbesteuer

21.5.99

16.6.99

30.3.01

30.3.01

30.3.01

Gewinn erklärt

5.625

18.106

Gewinn geschätzt

--

--

129.200

132.290

66.154

GewSt festgesetzt

1.260

4.794

30.362

31.067

15.533

GewSt-Bescheid v. Umsatzsteuer

21.5.99

16.6.99

30.3.01

30.3.01

30.3.01

USt erklärt

30.362

26.584

13.485

Bereits bezahlt

19.212,26

13.857,10

1.452

Die Schätzung des Gewinns und der Umsätze in den Veranlagungszeiträumen 1997-1998 basiert auf den von der Antragstellerin im Rahmen der Haftungsanhörung vorgelegten Belegen der GmbH (Eingangs- und Ausgangsrechnungen). Da für 1999 keine Belege vorgelegt werden konnten, hat der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen in Höhe von 50% der Beträge aus 1998 geschätzt. Die am 30.3.2001 ergangenen Steuerbescheide sind noch nicht bestandskräftig; insoweit sind weitere Anfechtungsklagen bei dem Finanzgericht Hamburg anhängig. Ebenfalls am 30.3.2001 erließ der Beklagte zwei weitere Haftungsbescheide, mit der die Antragstellerin als frühere Geschäftsführerin der GmbH gem. §§ 34, 69 AO für rückständige Steuern und steuerliche Nebenleistungen in Höhe von 142.750,50 DM bzw. 165.609,18 DM in Anspruch genommen wurde. Die Haftungsbeträge setzen sich nach den den - im übrigen gleichlautenden - Haftungsbescheiden jeweils beigefügten Anlagen wie folgt zusammen:

Haftungsbescheid über 142.750,50 DM

Steuerart

Zeitraum

Fällig

Betrag in DM

Gewerbesteuer

1998

2.5.01

31.067,00

GewerbeSt.-Zinsen

1998

2.5....

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