Entscheidungsstichwort (Thema)

Besetzung des Senats bei Entscheidung über Anhörungsrüge

 

Leitsatz (amtlich)

Über eine Anhörungsrüge nach § 133a FGO entscheidet der Senat in seiner regulären Besetzung, auch wenn in dem Verfahren - hier Protokollberichtigung - in dessen Rahmen die Anhörungsrüge erhoben wird, nur der Vorsitzende oder ein anderes Mitglied des Senats entschieden hat.

 

Normenkette

FGO § 133a

 

Tatbestand

I.

Mit Beschluss vom 30.08.2005 ist der Antrag des Klägers auf Berichtigung des Protokolls über die Senatssitzung vom 11.05.2005 abgelehnt worden. Hiergegen richtet sich die Anhörungsrüge des Klägers gem. § 133a FGO, mit der er sinngemäß geltend gemacht hat, das Gericht habe sein rechtliches Gehör verletzt, weil im Protokoll, im Tatbestand des Urteils vom 11.05.2005 sowie in den Beschlüssen vom 30.08. und 02.09.2005 entscheidungserhebliche Tatsachen ausgelassen und unterdrückt worden seien.

 

Entscheidungsgründe

II.

  1. Nach § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und 2. das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen (§ 133a Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO genannten Voraussetzungen darlegen (§ 133a Abs. 2 Satz 5 FGO).

    Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 133a Abs. 1 Satz 1 FGO kann mit dem außerordentlichen Rechtsbehelf der Anhörungsrüge nur vorgebracht werden, das Gericht habe im Rahmen der angegriffenen Entscheidung gegen den verfassungsrechtlichen verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs - Art. 103 Abs. 1 GG - verstoßen (BFH-Beschluss vom 30.09.2005, V S 12,13/05 n.v.).

    Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2005, VII S 17/05, BFH/NV 2005, 1614, und VI S 3/05, BFH/NV 2005, 1458; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 FGO Tz. 111; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 96 FGO Rz. 217, jeweils m.w.N.).

  2. Das Gericht entscheidet in voller Besetzung und nicht in der Besetzung wie in der angegriffenen Entscheidung. § 133a FGO enthält keine § 94 i.V.m. § 164 Abs. 3 ZPO oder § 108 Abs. 2 FGO vergleichbare Bestimmung darüber, wer an der Entscheidung über die Anhörungsrüge mitzuwirken hat. In Ermangelung einer speziellen Regelung hat der Senat daher in regulärer Besetzung zu entscheiden, auch wenn das Verfahren bei Erfolg der Anhörungsrüge in anderer Besetzung - hier durch den das Protokoll unterzeichnenden Vorsitzenden - fortzuführen wäre (ebenso BGH-Beschluss vom 28.07.2005, II ZR 443/04, FamRZ 2005, 1831). Die Anhörungsrüge ist insoweit als eigenständiges Verfahren und nicht nur als ein Annexverfahren anzusehen.
  3. Die statthafte Anhörungsrüge ist bereits unzulässig, weil sie nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist gem. § 133a Abs. 2 FGO erhoben worden ist. Den am 09.09.2005 zur Post gegebenen Beschluss hat der Kläger erst mit bei Gericht am 28.11.2005 eingegangenen Schriftsatz angegriffen. Entgegen der Auffassung des Klägers greift die Jahresfrist gem. § 55 Abs. 2 FGO nicht ein. Bei der Anhörungsrüge handelt es sich nicht um ein ordentliches, sondern ein außerordentliches Rechtsmittel (vgl. BFH-Beschluss vom 20.02.2002, II S 2/02, BFH/NV 2002, 941; Tipke/Kruse, AO/FGO § 105 FGO Rz. 23; § 133a FGO Rz. 1), für das eine Rechtsbehelfsbelehrung entbehrlich ist.

    Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Frist gem. § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO hat der Kläger nicht gestellt, Wiedereinsetzungsgründe i.S.v. § 56 FGO sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.

  4. Darüber hinaus wäre der Antrag auch unbegründet. Der Kläger hat weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ordnungsgemäß entsprechend § 133a Abs. 2 Satz 6 FGO dargelegt, noch ergibt sich eine solche nach dem Inhalt der Akten. Mit seiner Anhörungsrüge beanstandet der Kläger der Sache nach auch nicht Mängel des Verfahrens auf Berichtigung des Protokolls, das allein Gegenstand der Anhörungsrüge sein könnte, sondern vermeintliche inhaltliche Mängel des Protokolls. Diese Beanstandungen sind aber bereits im Verfahren auf Berichtigung des Protokolls überprüft worden.
  5. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Kläger zur Last (§ 135 Abs. 2 FGO).
 

Fundstellen

Haufe-Index 1492780

EFG 2006, 689

NWB direkt 2006, 3

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