Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleichs halbierter Altverluste mit vollen Neugewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften ist verfassungsgemäß

 

Leitsatz (redaktionell)

Es ist verfassungsgemäß, wenn Verluste aus privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften im ersten Jahr der Anwendung der Abgeltungssteuer – soweit für die Veräußerungsgeschäfte aufgrund des Anschaffungszeitpunkts noch die alte Rechtslage des Halbeinkünfteverfahrens gilt – nur zu Hälfte mit den Neugewinnen aus Wertpapierveräußerungen verrechnet werden.

 

Normenkette

EStG § 32d Abs. 1, § 23 Abs. 3 Sätze 1, 9, § 3 Nr. 40 Buchst. j, § 3c Abs. 2, § 20 Abs. 6; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; EStG § 52a Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 2, Abs. 10 S. 1, Abs. 11 S. 4, § 2 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 03.11.2015; Aktenzeichen VIII R 37/13)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Verrechnung von Verlusten aus privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften im Streitjahr 2009, dem ersten Jahr der Anwendung der Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte, soweit für die Veräußerungsgeschäfte aufgrund des Anschaffungszeitpunkts noch die alte Rechtslage gilt, im Hinblick auf das Halbeinkünfteverfahren – HEV –.

I.

Durch Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer –ESt – zum 31. Dezember 2008 vom 8. März 2010 (ESt-A Bd. 1 Bl. 44) wurde für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Klägers der Verlustvortrag auf 63.703 EUR festgestellt. Im Streitjahr 2009 erzielte der Kläger Kapitalerträge i. S. v. § 20 EinkommensteuergesetzEStG – in Höhe von 95.371 EUR (davon Veräußerungsgewinne i. S. v. § 20 Abs. 2 EStG von 87.717 EUR, davon wiederum Aktienveräußerungsgewinne i. S. v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG in Höhe von 59.038 EUR). Bei den sonstigen Einkünften erklärte der Kläger als private Veräußerungsgeschäfte anderer Wirtschaftsgüter als Grundstücke dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende Verluste aus Wertpapiergeschäften in Höhe von 26.244 EUR (ESt-A Bd. 1 Bl. 38R) unter Bezugnahme auf die Aufstellung seiner Bank (ESt-A Bd. 1 Bl. 39). Die Aufstellung umfasst mehrere Verkäufe von Wertpapieren, die 2008 angeschafft und 2009 nach weniger als 12 Monaten veräußert wurden, unter jeweiliger Angabe von Veräußerungspreis, Anschaffungskosten und Transaktionskosten sowie dem jeweils daraus resultierenden Ergebnis je Verkauf. Die Ergebnisse waren sämtlich negativ und als dem Halbeinkünfteverfahren unterliegend gekennzeichnet; ihre Summe ergibt den vom Kläger deklarierten Betrag.

Mit zweimal nur wegen anderer, nicht streitiger Punkte geändertem und weiterhin unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem ESt-Bescheid für die klägerischen, zusammen veranlagten Eheleute zuletzt vom 3. Juni 2011 (ESt-A Bd. 1 Bl. 77 = FG-A Bl. 25) berechnete der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die nach § 32d Abs. 1 EStG (Abgeltungssteuer) zu besteuernden Einkünfte dahingehend, dass es von den Erträgen von insgesamt 95.371 EUR zwei Positionen abzog, nämlich „Verrechnung von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 anzuwenden Fassung” in Höhe von 13.122 EUR (die Hälfte von 26.244 EUR) sowie „Verrechnung von Vorträgen aus privaten Veräußerungsgeschäften” in Höhe von 63.703 EUR, und so zu einer Zwischensumme (vor noch nicht ausgeschöpftem Sparer-Pauschbetrag) in Höhe von 18.546 EUR gelangte.

II.1.

Mit Einspruchsschreiben vom 14. Juni 2011, eingegangen am 15. Juni 2011 (ESt-A Bd. 1 Bl. 75), begehrten die Kläger die Anrechnung der Verluste aus den privaten Veräußerungsgeschäften in voller Höhe (26.244 EUR). Zwar unterlägen die Verluste dem HEV, jedoch sei die Berechnungsmethode des FA fehlerhaft. Zunächst seien die vollen Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanlagen mit den vollen Verlusten zu saldieren und erst die sich daraus ergebende Differenz sei zu halbieren. Aus § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG n. F. ergebe sich keine Einschränkung dahingehend, dass die sog. „Altverluste” nicht in der von der Bank bescheinigten Höhe, sondern nur hälftig anzurechnen seien. Auf § 3 Nr. 40 EStG werde weder in § 20 Abs. 6 noch in § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG Bezug genommen. Auch aus dem BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 betreffend Einzelfragen zur Abgeltungssteuer ergebe sich kein Hinweis auf eine Beschränkung auf die Hälfte. Für Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften, mit denen eine Verrechnung ebenfalls möglich wäre, sei anerkannt, dass zunächst Gewinne und Verluste zu saldieren seien und anschließend das Halbeinkünfteverfahren angewendet werde. Schließlich ergebe sich aus der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – BFH –, dass § 3 Nr. 40 EStG lediglich eine Doppelbegünstigung ausschließen wolle und daher ein Beteiligungsverlust gemäß § 17 EStG in voller Höhe zu berücksichtigen sei, wenn der Steuerpflichtige aus der Beteiligung keine Einnahmen erzielt habe. Auch der Grundsatz der leist...

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