Entscheidungsstichwort (Thema)

Pfändung eines Jagdpachtrechts

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Pfändung eines Jagdpachtrechts ist nicht generell möglich.

2. Eine Pfändung eines Jagdpachtrechts setzt eine generelle Erlaubnis des Verpächters voraus, daß der Pächter die Nutzungsrechte aus dem Jagdpachtvertrag auf eine dritte Person übertragen darf.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 319, 321 Abs. 3; ZPO § 851 Abs. 1, § 857 Abs. 1, 3; BGB § 549 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat mit Vertrag vom 3. Dezember 1980 von der Jagdgenossenschaft A die Jagdnutzung auf den zum Jagdbezirk . . . gehörigen Grundstücken für die Dauer von neun Jahren gepachtet. Der jährliche Pachtzins beträgt . . . DM zuzüglich weiterer . . . DM Wildschadensvergütungspauschale. § 6 Abs. 2 des Vertrages lautet: ,,Die Unterverpachtung und Erteilung entgeltlicher Jagderlaubnisscheine ist - ausgeschlossen - nur mit Zustimmung des Verpächters und vorbehaltlich etwaiger Beanstandungen durch die untere Jagdbehörde zulässig."

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -), der gegen den Kläger wegen rückständiger Umsatzsteuer und Nebenforderungen die Zwangsvollstreckung betreibt, pfändete mit Verfügung vom 1. Juni 1982 gemäß § 321 der Abgabenordnung (AO 1977) i. V. m. § 857 der Zivilprozeßordnung (ZPO) alle sich aus dem Jagdpachtvertrag ergebenden Rechte des Klägers. Die Pfändung bezieht sich insbesondere auf das Recht auf Jagdnutzung, das Recht auf Erteilung entgeltlicher Jagderlaubnisscheine gemäß § 6 des Vertrages, das Recht auf Unterverpachtung gemäß § 6 des Vertrages und das Recht des Klägers, die Zustimmung der Verpächterin zur Ausübung dieser Rechte zu beantragen.

Die nach erfolgloser Beschwerde gegen die Pfändungsverfügung erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es führte aus: Die Pfändungsverfügung des FA sei rechtmäßig, weil die aus dem Jagdpachtvertrag resultierenden Rechte gemäß § 321 Abs. 3 AO 1977, § 857 Abs. 3 ZPO pfändbar seien. Die Pfändungsverfügung sei im Streitfall unabhängig davon rechtmäßig, ob allein die abstrakte rechtliche Möglichkeit zur Unterverpachtung bzw. zur Erteilung entgeltlicher Jagderlaubnisscheine ausreiche oder ob die konkrete Erlaubnis zur Unterverpachtung bzw. Erteilung entgeltlicher Jagderlaubnisscheine vor Ergehen der Pfändungsverfügung vorliege; denn nach dem Pachtvertrag zwischen dem Kläger und der Jagdgenossenschaft A sei eine solche Unterverpachtung und die Erteilung von Erlaubnisscheinen nicht ausgeschlossen. Die Klausel in § 6 Abs. 2 des Jagdpachtvertrages sei dahingehend auszulegen, daß die Jagdgenossenschaft grundsätzlich mit der Unterverpachtung und der Erteilung entgeltlicher Jagderlaubnisscheine einverstanden gewesen sei, weil sie dies anderenfalls im Vertrag ausgeschlossen hätte. Die Klausel habe nur eine personengebundene Mitsprache als Widerspruchsrecht der Jagdgenossenschaft gegen unzuverlässige Unterpächter zum Inhalt, so daß ein konkret bestehendes Recht gepfändet worden sei. Hinsichtlich der Pfändung der ,,Zustimmung zur Ausübung der Unterverpachtung" handle es sich um einen Annex ohne selbständige Bedeutung. Das FA habe nur bei der endgültigen Verwertung die Zustimmung der Jagdgenossenschaft A bezüglich der Personen der Unterpächter bzw. der Erlaubnisnehmer einzuholen. Mit der Revision verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter. Er rügt die Verletzung von § 321 Abs. 3 AO 1977, § 857 Abs. 3 ZPO und der allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Das FG habe die Vertragsklausel des § 6 Abs. 2 des Jagdpachtvertrages entgegen §§ 133, 157 BGB ausgelegt und den wirklichen Willen der Vertragsparteien nicht ermittelt. Denn aus dem Umstand, daß in der Klausel keine der beiden Möglichkeiten (ausgeschlossen/nur mit Zustimmung zulässig) gestrichen worden sei, könne keine grundsätzliche Zustimmung zur Unterverpachtung entnommen werden. Das FG habe nicht beachtet, daß ein Pächter ohne klare Vereinbarung keinen Anspruch auf Erlaubnis der Unterverpachtung habe. Auch § 6 Abs. 4 des Jagdpachtvertrages spreche gegen die Auslegung des FG, weil danach der Verpächter bei einem Verstoß des Pächters gegen § 6 Abs. 2 zur sofortigen Kündigung des Vertrages berechtigt sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) und der Pfändungsverfügung des FA. Der Kläger ist durch die Pfändung der Rechte aus dem Jagdpachtvertrag in seinen Rechten verletzt, weil die angefochtene Pfändungsverfügung des FA gegen § 319 AO 1977 i. V. m. §§ 851 Abs. 1, 857 Abs. 1 ZPO verstößt.

1. Nach § 319 AO 1977 gelten bei der Vollstreckung im Verwaltungszwangsverfahren sinngemäß Beschränkungen und Verbote, die nach §§ 850 bis 852 ZPO für die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen bestehen. Ein Vollstreckungshindernis, das zur Unpfändbarkeit führt, ergibt sich im Streitfall aus den §§ 851 Abs. 1, 857 Abs. 1 ZPO; darin ist bestimmt, daß eine Forderung und ein anderes - nicht der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegendes - Vermögensrecht in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen sind, als die Forderung oder das Recht übertragbar sind.

a) Aus diesen Vorschriften folgt zunächst, daß das Jagdrecht als eine aus dem Eigentum am Grundstück fließende Nutzungsbefugnis (§ 3 Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes - BJagdG - i. d. F. vom 29. September 1976, BGBl I, 2849) nicht gepfändet werden kann, da es als solches nicht veräußerlich und damit als akzessorisches Recht nicht übertragbar i. S. des § 851 Abs. 1 ZPO ist (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 7. Aufl., Rdnr. 1645; Münzberg in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 857 Rdnr. 27).

b) Gegenstand der Pfändung waren aber im Streitfall nicht das mit dem Eigentum am Grund und Boden untrennbar verbundene Jagdrecht, sondern die sich aus dem Jagdpachtvertrag ergebenden Rechte des Klägers. Nach § 11 Abs. 1 BJagdG kann die Ausübung des Jagdrechts, d. h. die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende jagdbare Tiere (Wild) zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen (§ 1 Abs. 1 BJagdG), in ihrer Gesamtheit an Dritte verpachtet werden (Jagdpachtvertrag).

Gegenstand des Jagdpachtvertrages ist damit das Jagdausübungsrecht (vgl. Mantel, Forstliche Rechtslehre, 1. Aufl., S. 291). Dagegen gewährt die Jagderlaubnis lediglich das Recht, ständig oder nicht ständig eine unbestimmte oder bestimmte Zahl von Tieren zu erlegen (vgl. z. B. § 10 Abs. 1 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Bundesjagdgesetz i. d. F. vom 24. Mai 1978, Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl - I 1978, 286; Beschluß des Oberlandesgerichts - OLG - Celle vom 29. November 1983 2 Ss (Owi) 203/83, in: Prützel, Jagdrechtliche Entscheidungen, Bd. IV, Abt. III, Nr. 67).

Die Frage, ob und unter welchen Umständen ein Jagdpachtrecht oder ein Jagdausübungsrecht pfändbar sind, wird im Schrifttum und in der Zivilrechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Als unveräußerliches Recht unterliegt auch das dem Jagdpächter zustehende Jagdpachtrecht nach den § 319 AO 1977, §§ 851 Abs. 1, 857 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht der Pfändung. Für die Pfändung von unveräußerlichen Rechten bestimmt aber § 321 Abs. 3 AO 1977, der mit § 857 Abs. 3 ZPO übereinstimmt, daß sie insoweit pfändbar sind, als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Dies trifft stets dann zu, wenn die Rechtsausübung oder Nutzung nicht notwendig an die Person des Vollstreckungsschuldners gebunden ist (vgl. Dumke in Schwarz, Abgabenordnung, § 321 Rdnr. 6). Nach der Ansicht von Wieczorek/Schütze (Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, 2. Aufl., § 857 B III a 4) soll demgemäß das Jagdpachtrecht grundsätzlich pfändbar sein, weil die Möglichkeit der Unter- oder Weiterverpachtung besteht. Demgegenüber stellt die überwiegende Ansicht im Schrifttum für die Pfändbarkeit des Jagdpachtrechts im Einzelfall gemäß § 857 Abs. 3 ZPO darauf ab, ob der Verpächter dem Pächter tatsächlich die Erlaubnis erteilt hat, das Jagdausübungsrecht auf andere Personen zu übertragen (vgl. Stöber, a. a. O., Rdnr. 1645; Schwarz in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 321 AO 1977 Anm. 62; Münzberg in Stein/Jonas, a. a. O., § 857 Rdnr. 29; Hartmann in Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 45. Aufl., Grundzüge vor § 704 Stichwort: Nutzungsrecht - so jedenfalls für das Gebrauchsrecht des Mieters oder Pächters -; Thomas / Putzo, ZPO, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 15. Aufl., § 851 Anm. 2 a).

Die Rechtsprechung der Zivilgerichte lehnt überwiegend die Pfändbarkeit der Rechte aus dem Jagdpachtvertrag ab und zwar auch dann, wenn der Verpächter einer Unterverpachtung im konkreten Fall zugestimmt hat (vgl. Beschluß des OLG Kassel vom 12. Januar 1909 II ZS, in: Mugdan/Falkmann, Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts, Bd. 19, S. 22, 23; Beschluß des Landgerichts Verden vom 25. Januar 1984 1 T 25/84, in: Prützel, a. a. O., Bd. IV, Abt. I, Nr. 29). Zur Begründung der Auffassung, daß das Recht zum Gebrauch einer gepachteten oder gemieteten Sache grundsätzlich nicht pfändbar ist, verweist die Rechtsprechung auf die Regelung in § 549 Abs. 1 i. V. m. § 581 Abs. 2 BGB, nach der ohne Erlaubnis des Vermieters/Verpächters die Gebrauchsüberlassung im Wege der Untervermietung oder Unterverpachtung an einen Dritten nicht zulässig ist. An der grundsätzlichen Unpfändbarkeit vermag danach auch eine einseitige Zustimmung des Verpächters zur Gebrauchsüberlassung im Einzelfall nichts zu ändern (vgl. Beschluß des Hanseatischen OLG vom 2. Juni 1954 6 W 190/54, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1954, 685; ebenso ohne nähere Begründung das Reichsgericht - RG - zur Unpfändbarkeit des Nutzungsrechts aus dem Pachtvertrag, Urteil vom 26. Oktober 1931 VIII 117/31, RGZ 134, 91, 96, unter Hinweis auf das Urteil vom 26. Januar 1909 VII 146/08, RGZ 70, 226, 229). Dagegen wird die Pfändbarkeit des Jagdpachtrechts - ebenso wie die der Rechte aus sonstigen Miet- und Pachtverträgen - von der Zivilrechtsprechung dann bejaht, wenn aufgrund übereinstimmender Willenserklärungen im Vertrag dem Mieter / Pächter die Befugnis zur freien Übertragbarkeit der Rechte aus dem Miet- bzw. Pachtvertrag eingeräumt worden ist, ohne daß es noch einer weiteren Zustimmung des Vermieters oder Verpächters für die im Einzelfall vorgenommene Untervermietung oder Unterverpachtung bedarf (vgl. Beschluß des Kammergerichts vom 20. Februar 1909 VIII ZS, in: Mugdan / Falkmann, a. a. O., Bd. 19, S. 22; Beschluß des Hanseatischen OLG in MDR 1954, 685; für das Jagdpachtrecht: Beschluß des Landgerichts Mönchengladbach vom 25. August 1983 5 T 290/83, in: Prützel, a. a. O., Bd. V, Abt. I, Nr. 31; Beschluß des Amtsgerichts Gunzenhausen vom 7. November 1952 M 272/52, Bayerisches Justizministerialblatt 1953, 38).

2. a) Der Senat schließt sich der mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum übereinstimmenden Rechtsprechung der Zivilgerichte an, wonach eine Pfändung des Jagdpachtrechts nur dann möglich ist, wenn der Verpächter dem Pächter über die gesetzliche Regelung des § 549 Abs. 1 BGB hinausgehend die generelle Erlaubnis erteilt hat, die Nutzungsrechte aus dem Jagdpachtvertrag auf eine dritte Person zu übertragen. An einer solchen vom Verpächter als Drittschuldner erteilten generellen Zustimmung zur Unterverpachtung der Rechte aus Jagdpachtvertrag fehlt es im Streitfall. Denn selbst bei der für das FA günstigsten Auslegung des § 6 Abs. 2 des Vertrages ist die Unterverpachtung und Erteilung entgeltlicher Jagderlaubnisscheine nur mit Zustimmung des Verpächters möglich. Diese Vertragsbestimmung gibt damit dem Pächter keine weitergehenden Rechte als die gesetzliche Regelung über die Gebrauchsüberlassung an Dritte bei Miet- und Pachtverhältnissen. Denn sie besagt lediglich, daß die Gebrauchsüberlassung in jedem Einzelfall der Zustimmung des Verpächters bedarf. Aus ihr ist nicht zu entnehmen, daß dem Schuldner schlechthin ein selbständiges Übertragungsrecht eingeräumt worden ist (vgl. auch Beschluß des Landgerichts Mönchengladbach in Prützel, a. a. O., Bd. V, Abt. I, Nr. 31 für einen Fall mit gleichlautender Vertragsklausel).

Die für jeden Einzelfall vorbehaltene Zustimmung des Verpächters zu einer Unterverpachtung durch den Kläger, von der auch das FG bei seiner Vertragsauslegung ausgegangen ist, führt demnach im Streitfall zu einer Unpfändbarkeit der Rechte aus dem Jagdpachtvertrag; denn § 321 Abs. 3 AO 1977 (§ 857 Abs. 3 ZPO) findet damit keine Anwendung. Dies gilt auch hinsichtlich der in § 6 Abs. 2 des Vertrages vorgesehenen Möglichkeit, entgeltliche Jagderlaubnisscheine zu erteilen, da auch diese an die Zustimmung des Verpächters gebunden ist.

b) Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von seiner eigenen Rechtsprechung ab, wonach es für die Rechtmäßigkeit der Pfändung einer Forderung oder eines Rechts regelmäßig nicht darauf ankommt, ob die Forderung oder das Recht besteht bzw. dem Vollstreckungsschuldner zusteht (vgl. Entscheidungen des Senats vom 24. Juli 1984 VII R 135/83, BFHE 141, 482, BStBl II 1984, 740, und vom 4. Februar 1986 VII B 129/85, BFH/NV 1986, 478, 479). Diese Rechtsprechung betrifft - abweichend vom Streitfall - nicht die Problematik von Pfändungsverboten, die von Amts wegen zu beachten ist (vgl. Senatsurteil vom 14. Februar 1979 VII R 54/78, BFHE 127, 304, BStBl II 1979, 427, 429), sondern allein die Frage, ob auch die Existenz von pfändbaren Forderungen zum Zeitpunkt des Ergehens der Pfändungsverfügung feststehen muß.

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 413

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