Leitsatz (amtlich)

1. Die Gemeinden sind nicht befugt, Anfechtungsklage gegen Streitentscheidungen der FÄ nach § 212c Abs. 2 AO zu erheben.

2. Eine Anfechtungsklage ist unzulässig, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die von dem Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können.

 

Normenkette

GG i.d.F. des Gesetzes vom 24. Dezember 1956 (BGBl I, 1077) Art. 19 Abs. 4, Art. 28 Abs. 2, Art. 106 Abs. 6 S. 1, Art. 108 Abs. 3; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, §§ 40, 41 Abs. 1; AO §§ 23, 36 Abs. 2-4, § 100 Abs. 3, § 212c Abs. 2

 

Verfahrensgang

BVerfG (Beschluss vom 27.01.1971; Aktenzeichen 2 BvR 82/71)

 

Tatbestand

I. Die im Verfahren als Beigeladene beteiligte Steuerpflichtige, die GmbH, hat bei dem beklagten FA Anträge auf Streitentscheidung nach § 212c Abs. 2 AO mit dem Ziel gestellt, das FA möge die Zweigstellensteuerpflicht hinsichtlich der in den klagenden Gemeinden unterhaltenen Betriebstätten wegen Verfassungswidrigkeit des § 17 GewStG - soweit sich diese Vorschrift auf Wareneinzelhandelsunternehmen bezieht - verneinen. Diese Anträge waren sämtlich vor Ergehen des Urteils des BVerfG 1 BvR 771/59, 234, 246, 367/61 und 17/62 vom 13. Juli 1965 (BVerfGE 19, 101, BStBl III 1967, 355) gestellt worden. Durch dieses Urteil hat das BVerfG entschieden, daß § 17 Abs. 1 GewStG nichtig ist, soweit er zuläßt, daß für Wareneinzelhandelsunternehmen, die in einer Gemeinde eine Betriebstätte unterhalten, ohne in dieser ihre Geschäftsleitung zu haben, der Hebesatz bis zu 3/10 erhöht werden kann. Zeitlich nach Bekanntwerden dieses Urteils hat der Beklagte in allen Fällen entschieden, die in den vorliegenden Verfahren beteiligte Steuerpflichtige unterliege mit ihrer jeweiligen Betriebstätte gemäß diesem Urteil für die Jahre, auf die sich der jeweilige Antrag bezog, nicht der Zweigstellensteuer. Die klagenden Gemeinden wurden von dem Beklagten unter Bezugnahme auf Abschn. 95 GewStR darauf hingewiesen, ihnen stehe ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht zu.

II. Durch Beschluß vom 24. Juni 1970 hat der Senat beschlossen, sämtliche Revisionsverfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

III. Die Klägerinnen beantragen, die angefochtenen Urteile und die diesen zugrunde liegenden Streitentscheidungen aufzuheben; hilfsweise begehren die Klägerinnen zu 1, 2 und 4, die Klagen als Feststellungsklagen zu deuten und unter Aufhebung der angefochtenen Urteile festzustellen, daß die von ihnen angegriffenen Streitentscheidungen nichtig sind. Das beklagte FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen. Die auch im Revisionsverfahren beteiligte Steuerpflichtige hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revisionen sind unbegründet.

I. Der Finanzrechtsweg ist gegeben. § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO eröffnet den Finanzrechtsweg in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Abgabenangelegenheiten im Sinne der FGO sind u. a. alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten (§ 33 Abs. 2 FGO).

Öffentlich-rechtlich ist die Streitigkeit, weil die Klägerinnen die Aufhebung von Verwaltungsakten begehren, die das beklagte FA gegenüber der Beigeladenen erlassen hat. Die Klagen beziehen sich auf eine Abgabenangelegenheit, nämlich auf die Anwendung des § 212c Abs. 2 AO durch das beklagte FA. Für die Zulässigkeit des Rechtsweges kommt es nicht darauf an, ob diese Vorschrift aufgrund des Urteils des BVerfG 1 BvR 771/59 u. a. , a. a. O., insoweit gegenstandslos geworden ist, als sich § 17 GewStG auf Wareneinzelhandelsunternehmen bezog, oder nach dem Beschluß des BVerfG 1 BvR 25/64 u. a. vom 14. Februar 1967 (BVerfGE 21, 160, BStBl III 1967, 355), durch den § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG auch im übrigen für nichtig erklärt wurde, in vollem Umfang gegenstandslos ist. Diese Frage wäre nur im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Klagen erheblich.

II. Das FG hat die nach erfolglosen Vorverfahren erhobenen Klagen offensichtlich als Anfechtungsklagen gewertet. Dies ergibt sich aus der Bemerkung, nach geltendem Recht bestehe keine Möglichkeit für die Gemeinden, auf § 212c Abs. 2 AO beruhende Entscheidungen der FÄ anzufechten. Dementsprechend hat das FG aus § 40 Abs. 3 FGO auch den Schluß gezogen, diese Vorschrift beschränke die Rechtsmittelbefugnis der abgabeberechtigten Körperschaft auf solche Fälle, in denen eine Finanzbehörde des Bundes oder eines Landes eine Abgabe ganz oder teilweise verwaltet, wenn der Bund oder das Land unmittelbar oder mittelbar als Schuldner wenigstens eines Teils dieser Abgabe in Betracht kommen.

Ferner hat das FG unter Berufung auf Rechtsprechung des BFH (Urteile III 279/58 S vom 10. November 1961, BFH 74, 385, BStBl III 1962, 145, und I 129/59 S vom 25. Mai 1962, BFH 75, 632, BStBl III 1962, 497) die Auffassung vertreten, Art. 19 Abs. 4 GG begründe für den Regelfall nicht das Recht einer Gemeinde, gegen eine auf § 212c Abs. 2 AO beruhende Streitentscheidung des FA die Gerichte anzurufen. Ein Ausnahmefall, in dem nach der Rechtsprechung des BFH die Anrufung der Gerichte statthaft sei, weil die angefochtenen Bescheide des FA ohne gesetzliche Grundlage ergangen seien und deshalb als außerhalb der Rechtsordnung stehende Willkürakte anzusehen seien, komme - so meint das FG - in den Streitfällen nicht in Betracht. Das FA sei befugt gewesen, die umstrittenen Entscheidungen, durch die es die Zweigstellensteuerpflicht mit Rücksicht auf das Urteil des BVerfG 1 BvR 771/59, a. a. O., verneint habe, zu erlassen.

Dem FG ist im Ergebnis darin zu folgen, daß die Klagen der Gemeinden als Anfechtungsklagen gegen die Entscheidung des beklagten FA keinen Erfolg haben können.

1. Art. 19 Abs. 4 GG kommt als Grundlage für das Klagerecht nicht in Betracht. Die Rechtsprechung des BFH, durch die die Anrufung der Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit für zulässig erklärt worden ist, wenn die Möglichkeit einer Interessenkollision besteht und die Entscheidung des FA "Handeln außerhalb der Rechtsordnung und somit Willkür ist" (BFH-Urteile III 279/58 S, und I 129/59 S, a. a. O., BFH 74, 395 und BFH 75, 635, BStBl III 1962, 148 und 498), ist durch die Regelung der FGO überholt. Zu ihr ist daher nicht Stellung zu nehmen.

Soweit es sich um die zur Grundsteuer ergangenen Urteile des BFH III 149/56 S vom 7. Juni 1957 (BFH 65, 114, BStBl III 1957, 276) und III 279/58 S (a. a. O.) handelt, ergibt sich dies aus der Rechtswegzuweisung des § 33 Abs. 1 Nr. 1 und der Regelung der Klagebefugnis durch § 40 Abs. 3 FGO. Dies gilt auch für die Gewerbesteuer. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Rechtslage hinsichtlich der Verwaltung der Grundsteuer - wie der III. Senat des BFH angenommen hat (BFH-Urteil III 149/56 S, a. a. O., BFH 65, 118, BStBl III 1957, 278; vgl. aber auch Urteil I 129/59 S, a. a. O., BFH 75, 639 f., BStBl III 1962, 499) - und der Gewerbesteuer verschieden ist.

2. Die Klagen der Gemeinden sind als Anfechtungsklagen statthaft.

Gemäß § 40 Abs. 1 FGO kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Die von den Klägerinnen angegriffenen Entscheidungen des FA, durch die es ausgesprochen hat, die Beteiligte unterliege mit ihren in den Gemeindegebieten der Klägerinnen unterhaltenen Betriebstätten angesichts der Entscheidung des BVerfG nicht der Zweigstellensteuer, sind - dies bedarf als offensichtlich nicht der Begründung - Verwaltungsakte. Weitere Voraussetzungen stellt § 40 Abs. 1 FGO für die auf Aufhebung gerichtete Klage nicht auf. Diese Vorschrift bezieht sich nur auf das Objekt, die Zielrichtung der Klage (vgl. Rupp, Archiv für öffentliches Recht, Bd. 85 S. 301 [303] zu dem fast gleichlautenden § 42 Abs. 1 VwGO).

3. Den Klägerinnen steht jedoch eine Klagebefugnis nicht zu. Gemäß § 40 Abs. 2 FGO ist die Anfechtungsklage (grundsätzlich) nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt, gegen den die Klage gerichtet ist, in seinen Rechten verletzt zu sein. Der Kläger muß Tatsachen vortragen, aus denen sich - ihre Richtigkeit unterstellt - ergibt, daß er durch den Verwaltungsakt unter der Voraussetzung in seinen Rechten verletzt sein kann, daß dieser Akt rechtswidrig ist. Nach dieser Vorschrift ist eine Klage unzulässig, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (Urteil des BVerwG V C 219/62 vom 30. Oktober 1963, Deutsches Verwaltungsblatt 1964 S. 191, HFR 1966, 195, zu dem gleichlautenden § 42 Abs. 2 VwGO; vgl. auch Urteil des BVerwG V C 58/63 vom 6. Oktober 1964, BVerwGE 19, 269; Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - 3 RK 26/63 vom 28. April 1967, BSGE 26, 237 mit Nachweisen). Dies ist hier der Fall.

Die Klägerinnnen wenden sich gegen die Entscheidungen des Beklagten, weil sie davon ausgehen, aufgrund der angegriffenen Streitentscheidungen Steuerbescheide ändern und aufgrund der Änderung bereits von der beteiligten Steuerpflichtigen gezahlte Zweigstellensteuer erstatten zu müssen. Sie sind übereinstimmend der Ansicht, das FA sei nicht befugt gewesen, zu entscheiden, daß die Betriebstätten aufgrund der Entscheidung des BVerfG nicht der Zweigstellensteuer unterliegen. Die Revisionskläger zu 1 und 2 haben darüber hinaus vor dem FG noch geltend gemacht, durch die Entscheidung des beklagten FA sei das Recht der Gemeinden auf das ihnen zustehende Steueraufkommen verletzt worden; Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG gewähre den Gemeinden einen Rechtsanspruch auf dasjenige Gewerbesteueraufkommen, das sich aus dem GewStG ergebe.

Damit sind zwar - von dem Hinweis der Revisionsklägerinnen zu 1 und 2 auf Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG abgesehen - die nach Ansicht der Klägerinnen rechtlich schutzwürdigen Interessen, in denen sie sich durch die Verwaltungsakte des Beklagten beeinträchtigt fühlen, nur unbestimmt umschrieben. Für das "Geltendmachen" im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO genügt es jedoch, daß die Behauptung des Klägers, er sei in seinen Rechten verletzt, durch Auslegung des Klageantrages festgestellt werden kann (vgl. Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 4. Aufl., § 42 Rdnr. 86); bei der Auslegung des Klageantrages ist das diesen Antrag rechtfertigende Vorbringen des Klägers zu berücksichtigen. Aus dem erwähnten Vorbringen der Klägerinnen ergibt sich, daß sie in den Verwaltungsakten unzulässige Eingriffe entweder in ihre Stellung als verwaltende oder in die als ertragsberechtigte Körperschaften sehen.

4. Die auf § 212c Abs. 2 AO gestützten Streitentscheidungen verletzen die Rechte der Klägerinnen im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO nicht. Es gibt keinen Rechtssatz, aus dem für die Streitfälle abzuleiten wäre, die Streitentscheidungen hätten rechtlich geschützte Interessen der Klägerinnen beeinträchtigen können. Auf § 40 Abs. 3 FGO kann die Klagebefugnis nicht gestützt werden; die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind offensichtlich für keine der vorliegenden Rechtssachen erfüllt.

a) § 212c Abs. 2 AO regelt einen Teilbereich der Verwaltung der Gewerbesteuer. Diese Steuer unterliegt der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes (Art. 105 Abs. 2 Nr. 3 GG a. F., Art. 105 Abs. 2 GG in der Fassung des Einundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des GG - Finanzreformgesetz - vom 12. Mai 1969, BGBl I, 359). Gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 1 GG a. F. (Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG in der Fassung des Finanzreformgesetzes) steht die Verwaltung der Gewerbesteuer den Landesfinanzbehörden zu; die Verwaltung konnte gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 4 GG a. F. (Art. 108 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG in der Fassung des Finanzreformgesetzes) den Gemeinden ganz oder zum Teil übertragen werden. Durch Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen über die Rückübertragung der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital auf die Gemeinden vom 8. Juni 1949 (Gesetzund Verordnungsblatt S. 113 - GVBl 113 -) ist die Verwaltung insoweit übertragen worden, als es sich um die Festsetzung und Einziehung der Gewerbesteuer (§§ 6 Abs. 1, 16 GewStG) handelt; die Klägerinnen sind Gemeinden dieses Landes. Das die Übertragung anordnende Gesetz ist, weil mit Art. 108 Abs. 3 Satz 4 GG a. F. vereinbar, gemäß Art. 123 Abs. 1 GG Landesrecht geworden; es kann dahingestellt bleiben, ob Art. III § 5 des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuerrechts vom 27. Dezember 1951 (BGBl I. 996, BStBl I 1952, 2) durch den die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital - unbeschadet landesrechtlicher Regelungen, nach denen diese Aufgaben zu einem früheren Zeitpunkt übertragen sind - den Gemeinden auferlegt wurde, mit Art. 108 Abs. 3 Satz 4 GG a. F. (heute Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG in der Fassung des Finanzreformgesetzes) vereinbar ist. Im Hinblick auf die Lohnsummensteuer, die schon bisher von den Gemeinden verwaltet wurde, hat § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Erhebung der Gewerbesteuer in vereinfachter Form vom 31. März 1943 (RGBl I. 237) an der Verwaltungszuständigkeit nichts geändert (vgl. § 1 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung zur Vereinfachung der Gewerbesteuererhebung vom 19. März 1943, RGBl I, 150).

Die den Gemeinden durch Landesrecht zugewiesene Verwaltungskompetenz erstreckte sich zu keiner Zeit auf den Streit, ob eine Betriebstätte ganz oder zum Teil der Zweigstellensteuer (Zuschlag gemäß §§ 17, 25 Abs. 5 a. F. GewStG) unterlag. Diese Streitentscheidung ist durch § 212c Abs. 2 AO (eingefügt durch § 28 Nr. 41 des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen vom 1. Dezember 1936, RGBl I, 961) den FÄ als besondere Verwaltungsaufgabe übertragen worden; hieran hat das Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. Juni 1949 nichts geändert. Auch insoweit oblag die Verwaltung der Gewerbesteuer kraft des Bundesrecht gewordenen (Art. 123 Abs. 1 125 GG in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 2 GG a. F.) § 212c Abs. 2 AO den FÄ als örtlichen Landesfinanzbehörden (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 FVG).

b) Kraft der Landesrecht gebliebenen (vgl. oben a) Regelung des Gesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. Juni 1949 und entsprechend dem für die Lohnsummensteuer weitergeltenden Rechtszustand bestand die Verwaltungskompetenz der Klägerinnen für die Festsetzung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital und nach der Lohnsumme; im übrigen (vgl. auch §§ 212 a, 212b Abs. 1, 212c AO, ferner §§ 27, 28 GewStG) ist die Verwaltungskompetenz entsprechend der Grundregel des § 108 Abs. 3 Satz 1 GG a. F. bei den Landesfinanzbehörden verblieben.

Für die Entscheidung kann dahingestellt bleiben, ob die aus dem Bereich der grundsätzlich den Landesfinanzbehörden zustehenden Verwaltungskompetenz zur Vollziehung von Bundesrecht (Art. 105 GG) den Gemeinden übertragenen Verwaltungsaufgaben zu dem Bereich der durch Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Selbstverwaltung gehören. Zugunsten der Klägerinnen kann ohne weiteres unterstellt werden, dies sei der Fall. Denn die kraft Art. 108 Abs. 3 Satz 4 GG a. F. mögliche Verwaltungskompetenz der Gemeinden besteht nur im Umfange der Übertragung durch Landesrecht; im übrigen bleibt die durch Art. 108 Abs. 3 Satz 1 GG a. F. begründete Regelungskompetenz der FÄ als örtliche Landesfinanzbehörden (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 FVG) bestehen. Die nach Verfassungsrecht mögliche Aufspaltung der Verwaltungskompetenz schließt das Bestehen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses zwischen den Trägern der geteilten Kompetenz aus. Insoweit sind die FÄ und die Gemeindefinanzbehörden Organ gleichgeordneter Rechtsträger, die nach Maßgabe des GG einerseits und des Landesrechts andererseits das GewStG im Rahmen des vorgeschriebenen Verfahrens zu vollziehen haben. Die Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf verschiedene Hoheitsträger begründet für sich allein keine Rechte eines dieser Hoheitsträger im Hinblick auf die Erfüllung der Verwaltungsaufgaben - den Gesetzesvollzug - durch den anderen Hoheitsträger. Von §§ 36 Abs. 2 bis 4, 100 Abs. 3 AO abgesehen, die um des gemeindlichen Gewerbesteueraufkommens willen geschaffen worden sind, gibt es weder eine Regel des Bundesrechts, die den Gemeinden Einwirkungsmöglichkeiten auf die Vollziehung des GewStG durch die Landesfinanzbehörden gewährt, noch einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, aus dem eine solche Möglichkeit abgeleitet werden könnte.

c) Auch im Hinblick auf die Ertragskompetenz der klagenden Gemeinden sind Rechte im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO, die durch die angefochtenen Streitentscheidungen verletzt sein könnten, nicht ersichtlich.

Gemäß Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG in der im Streitfall anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 1956 (BGBl I, 1077) steht den Gemeinden das Aufkommen der Realsteuern, zu denen die GewSt gehört, zu. Diese Norm regelt einen Teilbereich der bundesstaatlichen Steuerverteilung auf Bund, Länder und Gemeinden, gewährt den letzteren einen verfassungsrechtlichen Anspruch unter anderem auf das Aufkommen der Gewerbesteuer. Diese Zuweisung des Gewerbesteueraufkommens bewirkt, daß die von Landesfinanzbehörden und Gemeindefinanzbehörden verwaltete Gewerbesteuer für die Gemeinden als Ertragsberechtigte erhoben werden muß. Im Verhältnis zu den Landesfinanzbehörden - als Organen der Länder - besteht ein rechtlich geschützter Bereich der ertragsberechtigten Gemeinden im Hinblick auf die sachliche Richtigkeit der im Einzelfall getroffenen Maßnahmen der Landesfinanzbehörden - von dem im Streitfall nicht eingreifenden § 40 Abs. 3 FGO und § 23 AO abgesehen - nicht. Als Ertragsberechtigten steht den Gemeinden grundsätzlich keine Einwirkungsmöglichkeit auf die Feststellung der Steuerpflicht, die Festsetzung der Meßbeträge, die Festsetzung der Steuern und deren Erhebung zu. Alle mit der Erhebung der Steuer zusammenhängenden Maßnahmen obliegen Landesfinanzbehörden und Gemeindefinanzbehörden; die Bestimmung des Hebesatzes kann hier als Rechtsetzungsakt außer Betracht bleiben. Die in §§ 36 Abs. 2 bis 4 und 100 Abs. 3 AO der ertragsberechtigten Gemeinde gegebenen Einwirkungsmöglichkeiten greifen im Streitfall nicht ein. Aus den genannten beiden Vorschriften und § 40 Abs. 3 FGO kann jedoch mangels anderer Regelungen der Schluß gezogen werden, daß der ertragsberechtigten Gemeinde weitere Einwirkungsmöglichkeiten bezüglich der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nicht zustehen. Über die Frage, ob ein Anspruch der ertragsberechtigten Gemeinde aus Amtspflichtverletzung (vgl. hierzu § 23 AO) in Betracht kommt, ist im Finanzrechtsweg nicht zu befinden.

III. Das FG hat nicht geprüft, ob die Klagen der Gemeinden als Feststellungsklagen zulässig und begründet sein könnten. Der Senat muß diese Frage prüfen, weil die Revisionen nur dann zurückgewiesen werden dürfen, wenn feststeht, daß die Klagen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt im Finanzrechtsweg Erfolg haben können.

Gemäß § 41 Abs. 1 FGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Im Streitfall kommt die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Streitentscheidungen des FA in Betracht. Mit Klagen dieser Art können die Klägerinnen keinen Erfolg haben. Das Interesse an baldiger Feststellung ist aus den Gründen zu verneinen, aus denen die erhobenen Klagen als Anfechtungsklagen keinen Erfolg haben können. Beziehungen zwischen dem beklagten FA und den Klägerinnen, die im Verhältnis zwischen diesen ein Feststellungsinteresse begründen könnten, sind nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 170357

BStBl II 1971, 30

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