Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde; Anforderungen an die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wegen (angeblicher) Nichtberücksichtigung eines rechtzeitig eingegangenen Schriftsatzes

 

Leitsatz (NV)

Liegt zwischen dem behaupteten Eingang eines Schriftsatzes beim FG und der Urteilsverkündung eine Zeitspanne von über zwei Jahren und hat der Beschwerdeführer - außerdem - auf diesen Schriftsatz keine Erwiderung des FA erhalten, so muß der Beschwerdeführer zumindest mit in Erwägung ziehen, daß der Schriftsatz beim FG nicht eingegangen ist. Daher muß in einem solchen Fall in der Beschwerdebegründung auch dargelegt werden, aus welchen Umständen zu schließen sei, daß besagter Schriftsatz dem FG vorgelegen habe.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 96 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Gründe

Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist unzulässig.

Die Rügen sind entweder nicht in der durch die Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgeschriebenen Weise begründet worden oder betreffen keinen der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe.

1. Die Divergenzrüge ist nicht in der durch § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise begründet worden.

Die Kläger haben insbesondere keinen abstrakten Rechtssatz genannt, den das Finanzgericht (FG) seiner Entscheidung - im Widerspruch zu den angegebenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) - zugrunde gelegt haben soll (siehe insoweit z.B. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm.63). Angesichts der Besonderheiten des Streitfalles konnten sie dies - jedenfalls im Hinblick auf die Bekanntgabeproblematik - auch gar nicht tun. Das FG ist nämlich - worauf die Kläger selbst hinweisen - von einem anderen Sachverhalt ausgegangen. Es hat jedenfalls den Sachverhalt, der erst eine Vergleichbarkeit mit den genannten BFH-Entscheidungen herstellen könnte, seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt.

2. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist ebenfalls nicht ausreichend begründet worden.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann zwar auch dadurch verletzt sein, daß das Gericht tatsächliches Vorbringen übergeht oder rechtzeitig eingegangene Schriftsätze unbeachtet läßt (siehe hierzu z.B. Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 119 FGO Tz.15, mit Rechtsprechungshinweisen).

Doch erfordert auch die auf einen derartigen Verfahrensfehler gestützte Rüge die substantiierte und schlüssige Darlegung der maßgebenden prozessualen Vorgänge (siehe dazu allgemein Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr.216f.). Die Kläger und deren Prozeßbevollmächtigte haben im Streitfall - ohne jede Begründung - unterstellt, daß dem FG ein Schriftsatz vom 21. März 1989 zugegangen sei und daß es diesen Schriftsatz nicht berücksichtigt habe. Davon konnten sie angesichts der Tatsachen, daß zwischen dem Eingang eines derartigen Schriftsatzes und der Urteilsverkündung eine Zeitspanne von über zwei Jahren gelegen hätte und daß sie auf den Schriftsatz - offensichtlich - keine Erwiderung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) erhalten hatten, jedoch nicht ohne weiteres ausgehen. Sie hätten zumindest mit in Erwägung ziehen müssen, daß der Schriftsatz beim FG nicht eingegangen ist. Infolgedessen hätten sie in der Beschwerdebegründung auch darlegen müssen, aus welchen Umständen zu schließen sei, daß besagter Schriftsatz dem FG vorgelegen habe. Sie hätten wenigstens Ausführungen zur Art und Weise der Abfassung und Versendung dieses Schriftstücks machen müssen. Der Beschwerdebegründung wurde jedoch nicht einmal ein Abdruck des Schriftsatzes aus der Prozeßakte der Bevollmächtigten beigefügt.

Ungeachtet dessen haben die Kläger aber auch nicht ausreichend dargelegt, weshalb das FG bei Beachtung des Vorbringens im Schriftsatz vom 21. März 1989 anders hätte entscheiden können (siehe hierzu Herrmann, a.a.O., Rdnr.230). Voraussetzung für eine mangelhafte Bekanntgabe der Änderungsbescheide wäre in jedem Fall gewesen, daß das FA rechtzeitig von der Erteilung der Zustellungsvollmacht Kenntnis erlangt hätte. Insoweit haben die Kläger aber lediglich behauptet, daß dem FA die Vollmachtserteilung bekannt gewesen sei. Sie haben jedoch nichts dazu vorgetragen, auf welchem Wege das FA diese Kenntnis erlangt haben könnte. Dazu hätte aber allein schon deswegen Veranlassung bestanden, weil die Vollmachtsurkunde beim FG - und lediglich in einfacher Ausfertigung - eingereicht worden war und in dem - in zweifacher Ausfertigung vorgelegten - Begleitschreiben nur von der Vorlage von ,,Prozeßvollmachten" die Rede ist.

3. Die Rüge, im FG-Urteil fehlten wegen der Nichtberücksichtigung des Schriftsatzes vom 21. März 1989 ,,wichtige Urteilsgründe", führt ebenfalls nicht zur Zulässigkeit der Beschwerde.

Mit dieser Rüge machen die Kläger geltend, die Entscheidung des FG sei nicht (ausreichend) mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr.5 FGO). Ein derartiger Mangel könnte jedoch nur im Wege der zulassungsfreien Revision geltend gemacht werden; eine Nichtzulassungsbeschwerde kann darauf nicht gestützt werden (siehe z.B. Ruban, a.a.O., § 116 Anm.5).

4. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr.6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419167

BFH/NV 1993, 678

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge