Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Angabe der Vorentscheidung in der Revisionsschrift

 

Leitsatz (NV)

Enthält die Revisionsschrift nur die Bezeichnung des vorinstanzlichen Aktenzeichens und -- teilweise -- die der Beteiligten und ihrer verfahrensmäßigen Stellung, so ist damit das angefochtene Urteil jedenfalls dann nicht "angegeben", wenn eine zusätzliche Unsicherheit über den Anfechtungsgegenstand besteht.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 2 S. 1, Abs. 3

 

Tatbestand

Das beklagte und revisionsklagende Hauptzollamt (HZA) setzte gegen die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wegen der in deren Mineralölsteuerlagern für festgestellt erachteten Fehlmengen an Mineralölprodukten Mineralölsteuer fest. Das Finanzgericht (FG) hob die beiden Steuerfestsetzungen für 1989 und 1990 ohne Sachentscheidung auf (§ 100 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und verpflichtete das HZA, weiter zu ermitteln und hinsichtlich der für die Fehlmengenbesteuerung maßgebenden Bestandsaufnahme nicht, wie geschehen, auf die Einzelprodukte, sondern auf die verschiedenen Mineralölarten abzustellen. Die Revision wurde zugelassen.

Für das HZA ist folgende Rechtsmittelschrift seines Vorstehers eingereicht worden (zunächst beim Bundesfinanzhof -- BFH --, später, aufgrund Hinweises der Senatsgeschäftsstelle, noch innerhalb der Revisionsfrist, beim FG):

"In dem Rechtsstreit ... (Bezeichnung der Klägerin) gegen das HZA ... -- Beklagte im Verfahren vor dem FG ... Az. ... -- lege ich als Vertreter gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 08. 07. 1975 (BGBl I S. 1861) Revision ein. Die Revisionsbegründung wird nachgereicht."

Das FG legte dem BFH diese Revisionsschrift mit den Akten nach Ablauf der Revisionsfrist vor. Die spätere Revisionsbegründung des HZA lautet eingangs wie folgt:

"In dem Finanzrechtsstreit ... (Bezeichnung der Klägerin) -- Klägerin und Revisionsbeklagte -- gegen das HZA ... -- Beklagte und Revisionsklägerin -- wegen Mineralölsteuer stelle ich den Revisionsantrag, den Gerichtsbescheid des FG ... vom ... Az. ... aufzuheben und die Klage abzuweisen."

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zu verwerfen, hilfsweise, sie zurückzuweisen.

Sie hält die Revision mangels Angabe des angefochtenen Urteils und wegen Begründungsmängeln, die jedenfalls im Hinblick auf den besonderen Charakter (Entscheidungstyp) der Vorentscheidung vorlägen, für unzulässig, zumindest aber für unbegründet, und tritt insoweit den Ausführungen in der Revisionsbegründung entgegen.

Das HZA hat sich zur Revisionserwiderung nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die an sich statthafte Revision ist unzulässig, weil sie nicht dem Bezeichnungsgebot -- Angabe des angefochtenen Urteils (§ 120 Abs. 2 Satz 1 FGO) -- genügt. Innerhalb der Revisionsfrist ist das Urteil durch Angabe des Gerichts, das es erlassen hat, des Urteilsdatums, des Aktenzeichens und der Sache, in der die Vorentscheidung ergangen ist, ferner mit Angabe der Beteiligten zu bezeichnen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 120 Anm. 5 f.; Senat, Beschlüsse vom 23. August 1988 VII R 112, 113/87, BFH/NV 1989, 241, und vom 17. Januar 1989 VII R 48, 49/86, BFH/NV 1989, 703, je m. w. N.). Fehlende Angaben können allerdings noch innerhalb der Revisionsfrist nachgeholt werden. Geschieht selbst dies nicht, so genügt es nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 30. April 1980 VII R 94/74, BFHE 130, 480, 482, BStBl II 180, 588), daß die fehlenden Angaben bis zum Ablauf der Revisionsfrist beim FG aus den vorinstanzlichen Akten entnommen werden können; dem BFH brauchen sie innerhalb dieser Frist nicht bekannt zu sein (anders die Klägerin).

Im Streitfall genügt die Revisionsschrift, die nur die Angabe des Aktenzeichens und -- unvollständig -- die der Beteiligten und ihrer verfahrensmäßigen Stellung enthält, diesen Anforderungen nicht. Eine fristgerechte Ergänzung durch das HZA ist nicht erfolgt; die Begründungsschrift, die zusätzliche Angaben enthält, kann, da sie erst nach Ablauf der Revisionsfrist (wenn auch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist) eingegangen ist, nicht als zulässige Ergänzung gewertet werden. Auch der Umstand, daß dem FG -- wofür ggf. die allerdings auch erst nach Fristablauf erfolgte Vorlage (§ 120 Abs. 3 FGO) spricht -- die Zuordnung der Revisionsschrift innerhalb der Revisionsfrist etwa möglich gewesen ist, bleibt ohne Bedeutung. Hier mangelt es nicht nur an einzelnen Angaben, die ggf. aufgrund der Akten feststellbar gewesen wären, sondern an der notwendigen Angabe des angefochtenen Urteils überhaupt. Die Prozeßerklärung muß eindeutig sein. Sie muß als Revision mindestens erkennen lassen, daß sie ein bestimmtes Urteil betrifft oder wenigsten ein solches, das trotz ungenauer Ansprache einwandfrei bestimmbar ist und als Anfechtungsgegenstand erkannt wird (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 31/84, BFHE 146, 196 f., BStBl II 1986, 474: falsches Aktenzeichen, fehlendes Datum; Bundesgerichtshof, Beschluß vom 2. März 1978 VII ZB 6/78, Versicherungsrecht 1978, 563 -- Berufung im Zivilprozeß --; vgl. auch für die Revision im sozialgerichtlichen Verfahren Peters/Sautter/Wolf, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., § 164 SGG Rz. 145). Die Angabe allein des Aktenzeichens -- "Verfahren vor dem FG" -- wird nicht für ausreichend erachtet (vgl. für Berufung und Revision im Zivilprozeß Rössler in Wiezcorek, Zivilprozeßordnung, 2. Aufl. 1988, § 518 Anm. B II, § 553 Anm. B). Aus dem Senatsurteil in BFHE 130, 480 f. wird nichts Gegenteiliges zu entnehmen sein. In dem entschiedenen Falle enthielt bereits die Rechtsmittelschrift eine Revisionsbegründung, die sich -- deutlich ausgesprochen -- gegen die Vorentscheidung richtete. Im Streitfall fehlt es dagegen an einer solchen Bezeichnung.

Der Senat kann jedoch letztlich offenlassen, ob die Revision schon aus diesem Grunde unzulässig und -- durch Beschluß (§ 126 Abs. 1, § 124 Abs. 1 FGO) -- zu verwerfen ist. In diesem Sinne ist jedenfalls deshalb zu entscheiden, weil hier eine zusätzliche Unsicherheit hinsichtlich des Anfechtungsgegenstandes besteht. Über den Gegenstand der Revision -- hier das angefochtene Urteil -- darf keinerlei Zweifel bestehen. Zwar ist der Klägerin nicht darin zu folgen, daß bereits die Möglichkeit einer Teilanfechtung (bezüglich eines der beiden Steuerbescheide) Zweifel begründet, da der Revisionsantrag (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO), der insoweit Klarheit schafft, noch in der Revisionsbegründung gestellt werden kann (und er erst mit dieser gewöhnlich gestellt wird). Richtig ist aber, daß Zweifel nicht auszuschließen sind, weil das FG zusammen mit seinem Urteil unter demselben Aktenzeichen eine weitere Entscheidung -- Streitwertbeschluß -- erlassen hat. Es ist immerhin denkbar, daß dieser -- nicht rechtsmittelfähige -- Beschluß mit einem als "Revision" bezeichneten Rechtsmittel angegriffen wird. Die bloße Möglichkeit eines solchen Vorgehens läßt den Gegenstand des Rechtsmittels als nicht absolut eindeutig, das Urteil, dessen Revision jedenfalls nach der später eingereichten Begründung bezweckt ist, als nicht angegeben erscheinen.

Für einen Gerichtsbescheid (§ 121, § 90 a Abs. 1 FGO), wie ihn die Klägerin angeregt hat (als "Zwischenurteil"), ist kein Raum (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 126 Anm. 3). Auf die Frage, ob die Revisionsbegründung eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Vorentscheidung enthält, kommt es nicht an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421638

BFH/NV 1996, 922

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