Rz. 107

[Autor/Stand] Ein Unterschied bei der Bewertung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden zum bisherigen Recht ergibt sich dadurch, dass nunmehr eine Aufteilung des Gebäudewerts in Betracht kommt, wenn dem Eigentümer des belasteten Grundstücks bei Beendigung des Nutzungsrechts der Gebäudewert ganz oder teilweise entschädigungslos zufällt. In diesen Fällen ist der Wert des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden um den nicht zu entschädigenden Wertanteil des Gebäudes bei Ablauf des Nutzungsrechts zu mindern. Insoweit ist die Regelung der Bewertung von Erbbaurechten angeglichen worden (vgl. dazu die Kommentierung zu §§ 193 und 194 BewG ab 1.1.2023). Der Gebäudewertanteil entspricht dem Wertvorteil, den der Grundstückseigentümer bei Beendigung des Nutzungsrechts dadurch erlangt, dass er dem Eigentümer des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden keinen oder nur einen Teil des Werts des Gebäudes zu vergüten hat.

 

Rz. 108

[Autor/Stand] Zur Ermittlung des bei Ablauf des Nutzungsrechts nicht zu entschädigenden Wertanteils der Gebäude oder des Gebäudes ist gem. § 195 Abs. 2 Satz 2 BewG i.V.m. Abs. 4 BewG auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Nutzungsrechts die Differenz

  • aus dem Wert des fiktiv unbelasteten Grundstücks nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG und
  • dem Bodenwert für das fiktiv unbelastete Grundstück nach § 179 BewG

zu ermitteln.

 

Rz. 109

[Autor/Stand] Für die vorstehenden Ermittlungen, die auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Nutzungsrechts durchgeführt werden, ist grundsätzlich von den Grundstücksmerkmalen und Bewertungsparametern am Bewertungsstichtag auszugehen. Dies gilt insbesondere bezüglich

  • des Grund und Bodens für die Grundstücks- und Gebäudeflächen sowie Bodenrichtwerte;
  • des Ertragswertverfahrens für die Roherträge, Bewirtschaftungskosten und Liegenschaftszinssätze;
  • des Sachwertverfahrens für die Regelherstellungskosten, Verbraucher- und Baupreisindizes sowie Wertzahlen.
 

Rz. 110

[Autor/Stand] Für die Bestimmung der Restnutzungsdauer zum Ablauf des Nutzungsrechts i.S.d. § 195 Abs. 4 Satz 2 BewG ist von der Restnutzungsdauer auszugehen, die bei der Ermittlung des unbelasteten Grundstücks nach § 195 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BewG zugrunde gelegt wurde. Diese wird sodann um die Restlaufzeit des Nutzungsrechts gemindert.

 

Rz. 111

[Autor/Stand] An dieser Stelle ist zu beachten, dass der Ansatz eines Gebäudewertanteils entfällt, wenn die Restlaufzeit des Nutzungsrechts die Restnutzungsdauer des Gebäudes bzw. der Gebäude zum Bewertungsstichtag übersteigt[6]. Damit ist festzuhalten, dass ausschließlich bei einer über die Restlaufzeit des Nutzungsrechts hinausgehenden Restnutzungsdauer des Gebäudes ein nicht zu entschädigender Gebäudewertanteil nach § 195 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 BewG zu ermitteln ist.

 

Rz. 112

 

Beispiel 1:

Ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden (Verbrauchermarkt; zu eigenen betrieblichen Zwecken genutzt; Baujahr 2020; alle Bauteile Standardstufe 4; keine übliche Miete ermittelbar) ist für Zwecke der Erbschaftsteuer auf den 15.7.2023 zu bewerten. Die auf volle Jahre abgerundete Restlaufzeit des Nutzungsrechts beträgt am Bewertungsstichtag noch 20 Jahre (Ablauf des Nutzungsrechts am 30.9.2043). Das Gebäude geht bei Beendigung des Nutzungsrechts gegen Entschädigung von 50 % des Gebäudewerts auf den Eigentümer des belasteten Grundstücks über.

Der Verbrauchermarkt stellt ein Geschäftsgrundstück dar (Nutzung ausschließlich zu eigenen gewerblichen Zwecken). Für das Geschäftsgrundstück lässt sich keine übliche Miete ermitteln, so dass die Bewertung des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden nach dem Sachwertverfahren erfolgt.

Für die Ermittlung des nicht zu entschädigenden Wertanteils des Gebäudes bei Ablauf des Nutzungsrechts ist der Wert des fiktiv unbelasteten Grundstücks bei Ablauf des Nutzungsrechts zu ermitteln. Dabei ist die vorstehende Regelung wie folgt anzuwenden:

 
Restnutzungsdauer zum Bewertungsstichtag   27 Jahre
Bewertungsstichtag 15.7.2023  
Bezugsfertigkeit des Gebäudes 2020  
Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag 3 Jahre  
Gesamtnutzungsdauer nach Anlage 22 zum BewG 30 Jahre  

Restnutzungsdauer

keine Anwendung der Mindest-Restnutzungsdauer

(30 % von 30 Jahren = 9 Jahre)
27 Jahre  
 
Restlaufzeit des Nutzungsrechts   20 Jahre
Bewertungsstichtag 15.7.2023  
Ablauf des Nutzungsrechts 30.9.2043  

Die Restnutzungsdauer des Gebäudes übersteigt die Restlaufzeit des Nutzungsrechts am Bewertungsstichtag. Somit ist ein nicht zu entschädigender Wertanteil des Gebäudes bei Ablauf des Nutzungsrechts zu grds. berücksichtigen. Vgl. dazu auch das Beispiel unter Rz. 186.

 

Rz. 113

 

Beispiel 2:

Ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden (Verbrauchermarkt; zu eigenen betrieblichen Zwecken genutzt; Baujahr 2010; alle Bauteile Standardstufe 3; keine übliche Miete ermittelbar) ist für Zwecke der Erbschaftsteuer auf den 15.8.2023 zu bewerten. Die auf volle Jahre abgerundete Restlaufzeit des Nutzungsrechts beträgt am Bewertungsstichtag noch 25 Jahre (Ablauf des Nutzungsrechts am 30.11.2048). Das Gebäude geht bei Beendigung des Nutz...

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