Rz. 43

Der Ort der echten Werklieferung bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG. Eine echte Werklieferung i. d. S. liegt vor, wenn der Werkunternehmer die zur Erstellung des Werks erforderlichen Teile zum Bestimmungsort transportiert, wo er sie zur Herstellung des Auftragsgegenstands verwendet (Rz. 27 u. 44). Der Ort der Werklieferung liegt dort, wo sich der Liefergegenstand im Zeitpunkt seiner Lieferung befindet. Der Lieferzeitpunkt bestimmt sich danach, wann die Verschaffung der Verfügungsmacht erfolgt (i. d. R. durch Abnahme und Übergabe oder durch Innutzung- bzw. Inbetriebnahme des funktionsfähigen Gegenstands, Rz. 14ff.).

 

Rz. 44

Bei einer echten Werklieferung wird das Werk im Rahmen der vereinbarten Leistung durch den Werkunternehmer erstellt. Es ist also bei Auftragsvergabe noch nicht vorhanden. Versendet der Unternehmer die zur Herstellung des Werks benötigten Einzelteile an den Abnehmer, geschieht die Versendung der Teile als innerbetrieblicher Vorgang des Herstellers nicht im Rahmen einer Lieferung, sondern zur Herstellung des Liefergegenstands. Die (umsatzsteuerliche) Lieferung erfolgt erst später, z. B. bei Abnahme des fertigen Werks durch den Auftraggeber. Da dieses nicht mehr befördert oder versendet wird, liegt keine Beförderungs- oder Versendungslieferung i. S. d. § 3 Abs. 6 UStG, sondern eine nicht bewegte Lieferung vor, deren Ort sich nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG bestimmt: Die Lieferung wird dort ausgeführt, wo dem Abnehmer Verfügungsmacht am fertigen Werk verschafft wird.

 

Rz. 45

Werklieferungen, deren Ort sich nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG bestimmt, liegen insbesondere in folgenden Fällen vor:

  • Der Liefergegenstand ist in vollem Umfang vor Ort beim Auftraggeber vollständig erstellt worden,
  • der Liefergegenstand ist vor der Aufstellung zu keinem Zeitpunkt funktionsfähig gewesen,
  • zur Fertigstellung des Werks werden vom Lieferer noch größere Arbeiten ausgeführt (z. B. Fundamentierungen). Dem Ausmaß der Arbeiten und den Kosten dafür ist im Vergleich zum Wert des erstellten Werks keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Bei größeren und wertvolleren Werken sind umfangreiche Montage- oder Installationsarbeiten allerdings immer als erheblich anzusehen.[1]
 
Praxis-Beispiel

Ein in Dänemark ansässiger Unternehmer liefert Maschinen und Zubehörteile an Fabrikationsbetriebe im Inland. Er versendet vorgefertigte Teile ins Inland, wo die Maschinen montiert werden.

Dem Abnehmer wird die Verfügungsmacht am fertigen Werk nach Montage im Inland verschafft. Der Lieferort bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG. Die Werklieferungen sind im Inland steuerbar und steuerpflichtig. Der Abnehmer schuldet die auf diesen Umsatz entfallende Steuer nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 UStG und hat sie bei seinem FA anzumelden. Unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG ist er gleichzeitig zum Vorsteuerabzug berechtigt. Das Verbringen der für die Fertigstellung benötigten Teile stellt keinen steuerbaren Erwerbsvorgang (Verbringen) dar, da sie in die im Inland erbrachte Werklieferung eingehen; insoweit liegt i. S. v. § 1a Abs. 2 S. 1 letzter Hs. UStG ein Verbringen zur nur vorübergehenden Verwendung vor, das nicht besteuert wird.[2]

 

Rz. 46

Eine unter § 3 Abs. 7 S. 1 UStG fallende Werklieferung am Betriebsort des Abnehmers liegt auch dann vor, wenn am Liefergegenstand während oder nach der Beförderung bzw. Versendung noch Be- oder Verarbeitungen vorgenommen werden müssen. Insoweit liegt am Lieferort ein neuer Gegenstand vor, da sich durch die Bearbeitung die Marktgängigkeit der zu Beginn der Beförderung oder Versendung vorhandenen Ware funktionell geändert hat.[3]

 

Rz. 47

Aus deutscher Sicht findet Art. 36 MwStSystRL auch auf Fälle der echten Werklieferung Anwendung (Rz. 27). Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass andere Mitgliedstaaten der EU die Regelung anderweitig interpretieren und auf Fälle der echten Werklieferungen nicht anwenden.[4] Nach Art. 36 Abs. 2 MwStSystRL soll in einem derartigen Fall "der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Installation oder Montage vorgenommen wird, die zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung in diesem Mitgliedstaat erforderlichen Maßnahmen" treffen.

 

Rz. 47a

Die Regelung in Art. 36 MwStSystRL wird man den echten Werklieferungen und damit dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 7 UStG zurechnen müssen, da ihre Ortsbestimmung nicht auf den Beginn der Beförderung/Versendung abstellt. Auch der EuGH[5] hat sich mit der Auslegung der Regelung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie[6] befasst und zunächst festgestellt, dass Lieferung und Verlegen eines Glasfaserkabels auf dem Meeresboden als Lieferung zu beurteilen sind. Im Hinblick darauf, dass das Kabel auf dem Gebiet zweier Mitgliedstaaten sowie auf außerhalb des Hoheitsgebiets der Gemeinschaft liegenden Bereichen verlegt worden ist, hält es der EuGH für mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar, die Besteuerungshoheit an den Ort anzuknüpfen, an dem die Installation oder Montage ausgeführt wird. Die Lieferung des Gegenstands und de...

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