Rz. 46

Für die Strafverfolgungsorgane besteht im allgemeinen Strafverfahren[1] grundsätzlich nicht die Pflicht, dem Beschuldigten dessen Anhängigkeit sofort mitzuteilen. Es können die Ermittlungen zunächst geführt werden, ohne dass der Beschuldigte hierzu Kenntnis erlangt.[2] Erst wenn der Beschuldigte im Strafverfahren zur Mitwirkung aufgefordert wird (Rz. 48), spätestens vor Abschluss der Ermittlungen, ist er über seine besondere Rechtsstellung (Rz. 8) zu unterrichten[3], wenn das Verfahren nicht durch eine Einstellung[4] ohne weitere Ermittlungen beendet wird.

Dieser Grundsatz gilt auch im Strafverfahren wegen Steuerstraftaten.[5] § 397 Abs. 3 AO hat insoweit für das Steuerstrafverfahren lediglich deklaratorische Bedeutung.[6] Die hier geregelte Mitteilungspflicht dient dem Schutz des Beschuldigten, damit er sich nicht selbst belastet.[7] Außerdem wird durch die Bekanntgabe des Vorwurfs (Rz. 51) der Beschuldigte in die Lage versetzt, seine Verteidigung vorzubereiten.[8]

 

Rz. 47

Da durch die Einleitungsmaßnahme die steuerrechtlichen Mitwirkungspflichten des steuerpflichtigen Beschuldigten grundsätzlich erhalten bleiben (Rz. 11), wird die strafrechtliche Bekanntgabepflicht nach § 397 Abs. 3 AO ergänzt durch die in § 393 Abs. 1 AO normierte Pflicht zur Bekanntgabe der Einleitung auch bei Ermittlungen im Besteuerungsverfahren. Hierdurch soll ausgeschlossen werden, dass über die in Unkenntnis des Strafverfahrens geleistete Mitwirkung im Besteuerungsverfahren Erkenntnisse für das Strafverfahren gewonnen werden können. Die im Besteuerungsverfahren tätige Finanzbehörde wird gehindert, unter Ausnutzung der steuerlichen Mitwirkungspflicht verdeckt strafrechtliche Ermittlungen zu führen. Die steuerliche Bekanntgabepflicht nach § 393 Abs. 1 AO ist damit die eigentlich wesentliche steuerliche Folge der Einleitung zum Schutz des Beschuldigten.[9]

[2] Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, Einl. Rz. 60.
[5] Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 397 AO Rz. 123ff.
[6] So auch z. B. Quedenfeld, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 397 AO Rz. 52.
[7] Rz. 8; Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 397 AO Rz. 139.
[8] Marx, wistra 1987, 207.

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