Rz. 92

Die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Angaben bei der Selbstanzeigehandlung erfordert die Richtigstellung (Rz. 118ff.) des Fehlers bzw. der Unterlassung für den jeweiligen Besteuerungszeitraum. Die nicht aufgedeckte, stillschweigende Steuernachentrichtung, sei es durch einfache Nachentrichtung, sei es durch "Nachversteuerung" in einem anderen Besteuerungszeitraum, ist keine wirksame Selbstanzeige der Steuerhinterziehung.[1]

 
Praxis-Beispiel

A erklärt wissentlich im Jahr 2013 einen Teil der Erträge seines Gewerbebetriebs nicht, sondern erst im Jahr 2014. Hierbei wirkt sich die Nachversteuerung infolge höherer Progression als in 2013 sogar noch nachteilig für ihn aus.

Die "Gewinnverlagerung" ändert nichts an der Strafbarkeit der Hinterziehung. Diese bleibt vollen Umfangs erhalten, da eine Selbstanzeige nicht erfolgt ist. Die Schadenswiedergutmachung durch die "Nachversteuerung" wirkt aber strafmildernd und lässt ggf. das Strafverfolgungsinteresse auch gänzlich entfallen.[2]

Von der Pflicht zur zeitgerechten Zuordnung gibt es allerdings zwei Ausnahmen:

 

Rz. 93

  • Eine typische Selbstanzeigehandlung ist die Abgabe einer Jahreserklärung, die von der Summe der entsprechenden Voranmeldungen abweicht.

     

    Beispiel 1:

    A ist in Zahlungsschwierigkeiten und gibt seine USt-Voranmeldungen 2014 monatlich mit um 20 % verminderten Umsätzen ab, um die Zahllast zu mindern. Die USt-Jahreserklärung gibt er rechtzeitig und inhaltlich richtig ab, ohne die Verkürzungen in den einzelnen Monaten gesondert deutlich zu machen.

    Werden im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen unterlassene Angaben in einer Jahreserklärung nachträglich dem FA offenbart, so ist dies i. d. R. als strafbefreiende Selbstanzeige i. S. d. § 371 Abs. 1 AO anzusehen, sofern nicht die Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 AO eingreift.[3] Für diese Ansicht, die teilweise als "gekünstelt" angesehen wird, spricht, dass es sich bei der USt um eine Jahressteuer handelt und die Aufgliederung der Umsätze nach Voranmeldungszeiträumen nach Ablauf des Veranlagungszeitraums nicht mehr erforderlich ist. Eine solche Aufgliederung wäre i. d. R. lediglich für die Festsetzung der Hinterziehungszinsen nötig, wobei sich dieses Erfordernis trotz der Einbeziehung der Hinterziehungszinsen in § 371 Abs. 3 AO nicht aus § 371 Abs. 1 AO herleiten lässt. Vielmehr steht es in Ermangelung entsprechender Informationen im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde, die nachgemeldeten Beträge den einzelnen Voranmeldezeiträumen zuzuordnen. Vom Stpfl. eine Zuordnung der nachgemeldeten Beträge zu einzelnen Voranmeldezeiträumen zu verlangen, erscheint hingegen als übertriebene und unnötige formale Anforderung, die deshalb abzulehnen ist.[4]

     

    Hinweis

    Von der Berichtigung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen durch die Abgabe einer zutreffenden Umsatzsteuerjahreserklärung sollte jedoch ggf. zur Vermeidung des Zuschlags nach § 398a AO abgesehen werden. Erfolgt die Berichtigung nämlich durch eine Jahreserklärung und ist darin eine Selbstanzeige zu sehen, so ist u. U. ein Geldbetrag i. S. d. § 398a AO zu zahlen, wenn die verkürzte Steuer den Betrag von 25.000 EUR übersteigt. Erfolgt die Korrektur hingegen durch die Abgabe einer korrigierten Umsatzsteuervoranmeldung, so ist gem. § 371 Abs. 2 S. 1 AO der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO nicht anwendbar, sodass auch die Festsetzung eines Geldbetrags nach § 398a AO entfällt.

 

Rz. 94

  • Betrifft die Steuerhinterziehung gesondert festgesetzte Vorauszahlungen auf eine Jahressteuer, so wirkt die Jahressteuererklärung als Selbstanzeige der vorausgegangenen Hinterziehung.

     

    Beispiel 2:

    A hat unter Hinweis auf die angeblich gesunkenen Umsätze und damit Gewinnerwartungen für 2014 die Herabsetzung der ESt- und GewSt-Vorauszahlungen erwirkt, um seine Zahlungsschwierigkeiten zu bewältigen. Die ESt- und GewSt-Jahreserklärungen werden inhaltlich richtig und rechtzeitig abgegeben, ohne auf den unrichtigen Herabsetzungsantrag hinzuweisen.

    Auch insoweit ist die Jahressteuererklärung als Selbstanzeige der durch den unrichtigen Herabsetzungsantrag bewirkten Steuerhinterziehung zu werten.[5]

 

Rz. 95

  • Sind LSt-Anmeldungen leichtfertig fehlerhaft erfolgt, so kann die Korrektur gem. § 41c Abs. 1 EStG grundsätzlich im nachfolgenden Anmeldungszeitraum erfolgen. Bei vorsätzlicher falscher Anmeldung gilt dies indes nicht[6], sodass bei einer Selbstanzeige der LSt-Verkürzung die falsche Anmeldung zu korrigieren ist.[7]
[1] BGH v. 25.9.1959, 4 StR 332/59, DStZ/B 1959, 499; BGH v. 18.10.1956, 4 StR 166/55, BStBl I 1957, 122; Beckemper, in HHSp, AO/FGO, 245. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 73; Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 98, 101; vgl. aber auch Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 175, der eine "Verlagerung" in einen anderen Besteuerungszeitraum als zulässig ansieht, wenn die "Verlagerung" für die Finanzbehörde deutlich gemacht wird.

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