Rz. 187

§ 370 AO schützt jeden einzelnen Steueranspruch (s. Rz. 1). Bei der Hinterziehung verschiedener Steuern liegen deshalb i. d. R. mehrere selbstständige Taten vor[1]. Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als eine selbstständige Tat i. S. v. § 53 StGB zu werten. Von Tatmehrheit ist also dann auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Stpfl. betreffen[2].

 

Rz. 188

Von nur einer Steuerhinterziehung ist aber auszugehen, wenn

  • durch eine unrichtige Steuererklärung (s. Rz. 50) mehrere Steuern verkürzt, z. B. durch die unrichtige ESt-Erklärung sowohl die ESt, die – sofern die Hinterziehung strafbar ist – KiSt (s. Rz. 80) als auch die Vorauszahlungen auf die ESt (s. Rz. 81, 278) zu niedrig festgesetzt werden[3].

durch eine unrichtige Erklärung (s. Rz. 51) ein Steuervorteil gewährt wird, der mehrere Steuern berührt, z. B. durch den unrichtigen Stundungsantrag werden mehrere Steuern gestundet (s. Rz. 107; vgl. Henke, DStZ 1959, 337).

  • durch mehrere gleichzeitig abgegebene Steuererklärungen, in denen übereinstimmend unrichtige Angaben gemacht worden sind, mehrere Steuern verkürzt wurden[4]. Entscheidend ist, dass die Abgabe der Steuererklärungen in einem äußeren Vorgang zusammentrifft und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind[5]. Übereinstimmende unrichtige Angaben i. d. S. können z. B. im Verhältnis von KSt- und USt-Hinterziehung oder im Verhältnis von ESt-, GewSt- und USt-Hinterziehung vorliegen, weil hier die unterschiedlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen in den verschiedenen Steuererklärungen letztlich jeweils denselben Lebenssachverhalt betreffen[6].
 

Rz. 189

  • bei der Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 AO; Rz. 54) mehrere Pflichten durch ein und dieselbe Handlung zum gleichen Zeitpunkt zu erfüllen waren[7]. Sind mehrere Steuererklärungen zum gleichen Zeitpunkt abzugeben, so liegt auch dann keine Tateinheit vor, wenn die Unterlassung auf einem einheitlichen Entschluss beruht und in den Erklärungen teilweise die gleichen Angaben zu machen gewesen wären[8].
 

Rz. 190

  • bei einer zunächst fehlgeschlagenen versuchten Steuerhinterziehung (s. Rz. 135, 136) der Versuch hinsichtlich derselben Steuer durch weitere falsche Angaben (s. Rz. 44), z. B. im Einspruchsverfahren oder im Rahmen der Betriebsprüfung, fortgesetzt wird, auch wenn diese nachfolgenden Handlungen auf einem neuen Tatentschluss beruhen[9].
 

Rz. 190a

  • bei der USt-Hinterziehung (s. Rz. 283).
[1] BGH v. 7.12.1978, 4 StR 604/78, DB 1979, 1876; zum Wegfall des sog. Fortsetzungszusammenhangs § 369 AO Rz. 66.
[4] BGH v. 22.3.1979, 4 StR 641/78, BB 1980, 1032 m. w. N.; BGH v. 21.3.1985, 1 StR 538/84, HFR 1985, 428; BGH v. 14.4.1989, 3 StR 30/89, HFR 1990, 329; BGH v. 26.5.1993, 5 StR 134/93, wistra 1993, 222; BGH v. 20.9.1995, 5 StR 197/95, wistra 1996, 62; BGH v. 5.3.1996, 5 StR 73/96, wistra 1996, 231; BGH v. 5.4.2000, 5 StR 226/ 99, BFH/NV Beilage 2001, 70.
[6] BGH v. 24.11.2004, 5 StR 220/04, BFH/NV Beilage 2005, 276: Tateinheit abgelehnt für den gleichzeitigen Einwurf von 456 USt-Voranmeldungen für verschiedene FÄ.
[7] BGH v. 1.8.1979, 3 StR 239/79, HFR 1980, 154; Saarländisches OLG v. 25.2.1999, Ss 89/98-130/98, wistra 1999, 276.
[8] S. Rz. 188; vgl. BGH v. 1.8.1979, 3 StR 239/79, HFR 1980, 154; BGH v. 28.11.1984, 2 StR 309/84, HFR 1985, 248; BayObLG v. 14.7.1992, RReg 4 St 31/91, wistra 1992, 314; BayObLG v. 29.4.1997, 4 St RR 35/97, wistra 1997, 313.
[9] BGH v. 1.2.1989, 3 StR 450/88, HFR 1990, 327; BGH v. 9.8.1989, 3 StR 536/88, wistra 1990, 23 m. w. N.

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