Rz. 38

Liegen die Voraussetzungen der Aufrechnung nicht vor, etwa weil es an der Fälligkeit der Forderung, die zur Aufrechnung gestellt wird, oder an der Gegenseitigkeit fehlt, ist eine Verrechnung durch Verrechnungsvertrag möglich, der durch Angebot und Annahme zustande kommt.[1] Ein Verrechnungsvertrag kann auch trotz bestehender Aufrechnungslage abgeschlossen werden, z. B. wenn die Parteien andere Rechtswirkungen, als durch die Aufrechnung hervorgerufen, erreichen wollen.[2] Ein Verrechnungsvertrag ist als Ausfluss der Vertragsfreiheit auch dann zulässig, wenn er wegen der objektiv bestehenden Aufrechnungslage überflüssig ist.[3]

 

Rz. 39

In dem Verrechnungsvertrag können die Voraussetzungen der einseitigen Aufrechnung abbedungen werden.[4] Ein Verrechnungsvertrag ermöglicht also eine Verrechnung, wenn keine Gegenseitigkeit besteht bzw. die Ansprüche noch nicht fällig bzw. erfüllbar sind. Daher können in einen Verrechnungsvertrag auch künftige Ansprüche einbezogen werden.[5] Besteht keine Gegenseitigkeit, setzt die Wirksamkeit des Verrechnungsvertrags keine Abtretung der Steuer- oder Erstattungsansprüche in der Form des § 46 AO voraus.[6]

 

Rz. 40

Angebot und Annahme müssen ausdrücklich oder konkludent erklärt werden (jeweils empfangsbedürftige Willenserklärungen). In dem bloßen Schweigen der einen Partei auf das Angebot des Abschlusses eines Verrechnungsvertrags der anderen Partei liegt allein noch nicht die Annahme des Vertragsangebots.[7] Daher ist auch eine "Verrechnungsstundung", bei der eine fällige Steuerforderung bis zum Entstehen oder Fälligkeit einer Gegenforderung des Stpfl. gestundet wird, kein Angebot bzw. keine Annahme eines Angebots auf einen Verrechnungsvertrag.[8] Es handelt sich um einen hoheitlichen Verwaltungsakt, nicht um Angebot oder Annahme eines Vertrags.

 

Rz. 41

Da der Verrechnungsvertrag ein Vertrag ist, der der Vertragsfreiheit unterliegt, kann die Finanzbehörde frei entscheiden, ob sie einen solchen Vertrag abschließt oder nicht. Ein Rechtsanspruch des Stpfl. auf Abschluss eines Verrechnungsvertrags besteht grundsätzlich nicht. Da es auch keine Rechtsnorm gibt, die den Abschluss des Verrechnungsvertrags in das Ermessen der Finanzbehörde stellt, hat der Stpfl. auch keinen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung.[9] Grenzen bildet lediglich das aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abzuleitende Willkürverbot.

 

Rz. 42

Der Verrechnungsvertrag kann – je nach seinem Wortlaut – ein verfügender Vertrag sein, der selbst die Forderung durch Verrechnung zum Erlöschen bringt. In diesem Fall ist keine weitere Erklärung, etwa Aufrechnungserklärung, der Beteiligten mehr notwendig.[10] Besteht eine Aufrechnungslage, erlöschen die Ansprüche durch den Verrechnungsvertrag rückwirkend zum Zeitpunkt der erstmals bestehenden Aufrechnungslage. Besteht keine Aufrechnungslage, z. B. weil keine Gegenseitigkeit besteht, erlöschen die Ansprüche mit Wirksamwerden des Verrechnungsvertrags.

 

Rz. 43

Der Verrechnungsvertrag kann auch ein obligatorischer Vertrag sein, der der einen Seite nur eine Verrechnungs-(Aufrechnungs-)befugnis verschafft. Das Erlöschen der Forderungen tritt dann erst ein, wenn der Berechtigte von der vertraglichen Verrechnungsmöglichkeit Gebrauch macht, also insoweit die Aufrechnung erklärt.[11]

 

Rz. 44

Der Verrechnungsvertrag kann im Rahmen der Vertragsfreiheit auch unter aufschiebenden und auflösenden Bedingungen geschlossen werden, während dies bei einer Aufrechnungserklärung nicht möglich ist.[12]

 

Rz. 45

Wie bei der Aufrechnung wirkt der Verrechnungsvertrag nur insoweit, als die Forderungen wirklich bestehen.[13]

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