Rz. 2

§ 199 Abs. 1 AO überschneidet sich mit der Regelung des sachlichen Umfangs in § 194 AO und hat insoweit keinen eigenständigen Regelungsbereich. Nach § 194 Abs. 1 AO sind durch die Außenprüfung die steuerlichen Verhältnisse des Stpfl. zu ermitteln.[1] Diese steuerlichen Verhältnisse können nach § 199 Abs. 1 AO tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse sein. Damit ist klargestellt, dass die Außenprüfung nicht nur tatsächliche Verhältnisse umfasst, sondern auch die rechtlichen Verhältnisse (rechtliche Beziehungen des Stpfl. zu anderen Personen oder zu Gegenständen) in die Prüfung einbezogen werden. Tatsächliche und rechtliche Verhältnisse sind aber nach § 199 Abs. 1 AO nur Prüfungsgegenstand, wenn sie für die Steuerpflicht und die Bemessung der Steuer von Bedeutung sind. Diese Aussage ist selbstverständlich; dass Verhältnisse des Stpfl., die unter keinem möglichen Gesichtspunkt für die Besteuerung von Bedeutung sein können, nicht in die Prüfung einbezogen werden dürfen, unterliegt keinem Zweifel. Andererseits ist die Vorschrift aber nicht so zu verstehen, dass nur Verhältnisse geprüft werden können, deren Bedeutung für die Steuer feststeht. Verhältnisse des Stpfl. können auch mit dem Ziel geprüft werden, festzustellen, ob sie steuerliche Bedeutung haben.

 

Rz. 2a

§ 199 Abs. 1 AO enthält die Definition des Begriffs "Besteuerungsgrundlagen", die den Eindruck einer im Bereich der ganzen AO anwendbaren Legaldefinition erweckt. Das ist aber nicht der Fall. Es handelt sich um eine Definition, die im Rahmen der Außenprüfung, und auch für Zwecke des § 157 Abs. 2 AO, verwendbar ist, nicht aber für andere in der AO geregelten Fälle. Beispielsweise ist die Definition der Besteuerungsgrundlagen nicht im Rahmen des § 162 AO anwendbar. Diese Vorschrift bestimmt, dass "Besteuerungsgrundlagen" geschätzt werden können. Damit können aber nur Zahlenwerte gemeint sein; weder rechtliche noch tatsächliche Verhältnisse, z. B. das Eigentum an einer Sache, können geschätzt werden. Bei Anwendung des § 163 AO ist also ein engerer Begriff der Besteuerungsgrundlagen zugrunde zu legen als nach § 199 AO.[2]

 

Rz. 2b

Besteuerungsgrundlagen nach der Definition des Abs. 1 sind tatsächliche und/oder rechtliche Verhältnisse des Stpfl. (Verhältnisse zu Personen oder Sachen), die für die Steuerpflicht und/oder für die Bemessung der Steuer maßgebend sind. "Maßgebend" bedeutet dabei, dass diese Verhältnisse Einfluss auf Steuerpflicht und Bemessung (Höhe) der Steuer haben. Erfasst wird damit jede tatsächliche oder rechtliche Beziehung, die Bedeutung für das Entstehen und die Höhe der Steuer hat oder haben kann. Nicht zu den Besteuerungsgrundlagen i. d. S. gehören daher lediglich diejenigen Verhältnisse, die ohne jeden Einfluss auf Steuerpflicht und Bemessung der Steuer sind.

Die Definition der Besteuerungsgrundlagen ist in § 199 Abs. 1 AO an der falschen Stelle eingeordnet. Systematisch richtig hätte sie in § 157 Abs. 2 AO untergebracht werden müssen.[3]

 

Rz. 3

§ 199 Abs. 1 AO besagt, dass "rechtliche Verhältnisse" geprüft werden, nicht aber Rechtsfragen. Die Klärung von Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Prüfers; eine Außenprüfung wäre hierfür auch ein ungeeignetes Mittel. Der Außenprüfer stellt nur tatsächliche und rechtliche Verhältnisse fest. Die Entscheidung über die steuerrechtlichen Folgen dieser tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, also die Entscheidung über die Rechtsfragen, ist nicht Aufgabe des Außenprüfers. Allerdings muss der Prüfer Vorstellungen von der rechtlichen Relevanz der von ihm geprüften Besteuerungsgrundlagen haben.[4] Dies ist aber Vorbedingung der Außenprüfung, nicht ihr Gegenstand. Der Prüfer kann z. B. einen Sachverhalt prüfen, wenn aufgrund der unklaren Rechtslage noch nicht feststeht, ob dieser Sachverhalt überhaupt der Steuerpflicht unterliegt, und diese Rechtsfragen dem entscheidungsberechtigten Beamten zur Entscheidung außerhalb des Außenprüfungsverfahrens überlassen. Praktisch ist es eine Frage der Verwaltungsökonomie, aber auch der Zumutbarkeit für den Stpfl., ob zuerst die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden und dann über ihre steuerliche Relevanz (außerhalb des Außenprüfungsverfahrens) entschieden wird, oder ob umgekehrt erst über die Rechtsfrage der steuerlichen Relevanz entschieden und dann die Besteuerungsgrundlagen durch die Außenprüfung ermittelt werden. So kann häufig nicht über die Rechtsfrage entschieden werden, wenn der Sachverhalt nicht feststeht. Andererseits gibt es Fälle, wo es für den Stpfl. unzumutbar und mit den Grundsätzen eines ökonomischen Einsatzes der Verwaltungskapazitäten unvereinbar sein kann, umfangreiche Sachverhaltsermittlungen zu betreiben, wenn aufgrund einer vorherigen rechtlichen Entscheidung die steuerliche Relevanz dieser Sachverhalte ausgeschlossen werden könnte; es handelt sich dann um "unschlüssige Prüfungshandlungen".[5]

 

Rz. 4

Die Besteuerungsgrundlagen sind zugunsten wie zuungunsten des Stpfl. zu prüfen (Objektivität der Prüfung). Damit wird lediglich ausgedrückt, das...

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