Rz. 59

Die Regelung des Abs. 5 hat in erster Linie den Fall im Auge, dass nur ein Stpfl. von der gesonderten Feststellung betroffen ist. Die rechtspolitische Rechtfertigung hierfür liegt darin, dass die gesonderte Feststellung kein Selbstzweck ist, sondern die Festsetzung der Steuer ermöglichen und erleichtern soll.[1] Von diesem Grundgedanken ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Festsetzung einer materiell richtigen Steuer, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist, nur deshalb zu unterlassen, weil die Änderung der gesonderten Feststellung wegen Ablaufs der Feststellungsfrist nicht mehr möglich ist.

 

Rz. 60

Systematische und praktische Schwierigkeiten entstehen jedoch, wenn von der gesonderten Feststellung mehrere Personen betroffen sind, also bei der einheitlichen Feststellung. Geben z. B. bei einer bilanzierenden Mitunternehmerschaft alle Mitunternehmer bis auf einen ihre Steuererklärungen zusammen mit der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung ab, der eine Gesellschafter aber nicht, kann der Fall eintreten, dass die Feststellungsfrist und die Festsetzungsfristen für die ESt der anderen Gesellschafter abgelaufen sind, die des einen Gesellschafters aber nicht. Stellt sich nun heraus, dass die einheitliche Gewinnfeststellung unrichtig war, könnte sie nach dem Wortlaut des § 181 Abs. 5 AO noch geändert werden. Wirkungen würde diese Änderung aber nur gegenüber dem einen Gesellschafter entfalten, dessen Festsetzungsfrist für die ESt noch nicht abgelaufen ist, nicht aber gegenüber den anderen. Da eine Änderung des Gewinns in der Gewinnfeststellung ihre Grundlage in bzw. Rückwirkungen auf die Bilanz der Gesellschaft haben muss (z. B. um Folgewirkungen in den späteren Bilanzen darstellen zu können), bedeutet dies, dass für den einen Gesellschafter eine Ergänzungsbilanz aufzustellen wäre, die die ihn betreffenden Änderungen aufzunehmen hätte, und die fortzuführen wäre.

 

Rz. 61

Die systematischen Bedenken, die hiergegen geltend gemacht werden, bestehen darin, dass auf diese Weise der Grundsatz verletzt würde, dass eine gesonderte Feststellung Wirkung für und gegen alle Beteiligten entfalten muss. Praktisch bedenklich ist, dass eine Vielzahl von Ergänzungsbilanzen notwendig werden kann, die sich u. U. erst bei Beendigung der Mitunternehmerschaft auflösen. Aus diesen Gründen ist die Ansicht vertreten worden, dass Abs. 5 bei allen Fällen der einheitlichen Feststellung nur anzuwenden sei, wenn sich die Änderung noch bei allen von der Feststellung Betroffenen auswirken könne,[2] oder dass dies, um Ergänzungsbilanzen zu vermeiden, wenigstens bei der Gewinnfeststellung bilanzierender Mitunternehmerschaften zu gelten habe. Soweit auf die Schwierigkeiten abgestellt wird, dass bei bilanzierenden Mitunternehmerschaften Ergänzungsbilanzen aufgestellt werden müssen, kann nach dieser Ansicht die Feststellung nur einzelnen Beteiligten gegenüber erfolgen, soweit die festzustellenden Faktoren keine Auswirkungen auf die Bilanz haben.[3]

 

Rz. 62

Der IV. Senat des BFH[4] hat seine ursprünglich ablehnende Haltung erheblich gelockert. Abweichend von seiner früheren Rechtsprechung[5] lässt er jetzt auch eine gesonderte Feststellung bei bilanzierenden Mitunternehmerschaften zu, die nach Abs. 5 nicht allen Gesellschaftern gegenüber wirksam werden kann. Als maßgebend sieht er an, dass hierdurch diejenigen Mitunternehmer, denen gegenüber die Steuer bereits verjährt ist, keinen Nachteil erleiden können. Soweit es zu einer Steuererhöhung kommt, kann diese Steuer ihnen gegenüber nicht mehr festgesetzt werden. Eine Ausnahme mit der Folge der Unzulässigkeit der gesonderten Feststellung auch denjenigen Mitunternehmern gegenüber, bei denen noch keine Verjährung eingetreten ist, sieht der BFH[6] nur dann, wenn die anderen Gesellschafter durch die Feststellung betroffen werden könnten, z. B. durch Folgeänderung in den Folgejahren (Änderung der Bilanzierung eines Wirtschaftsguts) oder wenn die Gewinnverteilung geändert wird.

 

Rz. 63

M. E. besteht für eine einschränkende Interpretation des § 181 Abs. 5 AO kein rechtfertigender Grund. Der Ablauf der Feststellungsfrist für die gesonderte Feststellung soll eine an sich mögliche materiell richtige Besteuerung nicht verhindern. Es gibt keinen Grund, diesen Grundsatz bei der einheitlichen Feststellung einzuschränken. Konsequenterweise enthält der Wortlaut des § 181 Abs. 5 AO auch keinen Anhaltspunkt für solch eine einschränkende Interpretation. Die geschilderten systematischen Bedenken zwingen hierzu auch nicht, da kein Grundsatz besteht, dass sich eine für alle Beteiligten bindende einheitliche Feststellung auch bei allen in gleicher Weise steuerlich auswirken müsste. Die Art der steuerlichen Auswirkung hängt vielmehr auch von der bei dem einzelnen Beteiligten bestehenden materiellen (z. B. Steuerbefreiung) und formellen Rechtslage ab. Das praktische Argument der Arbeitserschwerung durch Ergänzungsbilanzen kann einen Verstoß gegen die materielle Richtigkeit der Besteuerun...

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