Rz. 1

§ 151 AO eröffnet als Ausnahmevorschrift die Möglichkeit, die nach § 150 Abs. 1 AO grundsätzlich schriftlich oder elektronisch abzugebende Steuererklärung[1] bei der zuständigen Finanzbehörde mündlich zur Niederschrift zu erklären. Vorgängerbestimmung war § 168 RAO.[2] Diese Möglichkeit zur Abgabe der Steuererklärung zur Niederschrift soll insbesondere soziale Härten mindern und geschäftlich unerfahrenen Erklärungspflichtigen helfen.[3] Als Ausnahmeregelung, die auch der Entlastung der Finanzbehörde dient, ist § 151 AO jedoch grundsätzlich eng auszulegen. Die Regelung wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016[4] ergänzt. An der Zielrichtung der Norm hat sich aufgrund der Neuformulierung nichts geändert.

 

Rz. 2

§ 151 AO ersetzt ausschließlich die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform bzw. elektronische Form der Steuererklärung, d. h. das Ausfüllen des Erklärungsvordrucks durch den Erklärungspflichtigen.[5] Durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens wurde dem die elektronische Übermittlung gleichgestellt. Es liegt eine besondere Form der Steuererklärung vor.[6] Von den übrigen mit der Erklärungsabgabe nach § 150 AO verbundenen Verpflichtungen, einschließlich der Wahrheitsversicherung und der Unterschrift, entbindet § 151 AO nicht.[7] Der die Niederschrift aufnehmende Amtsträger der Finanzbehörde hat lediglich die Funktion eines Schreibgehilfen für den Erklärungspflichtigen.[8] Eine inhaltliche Ermittlungs- und Beratungspflicht der Finanzbehörde über die Regelung des § 89 AO hinaus ergibt sich aus der Verpflichtung zur Aufnahme der Steuererklärung an Amtsstelle nicht.[9]

 

Rz. 3

Liegen die Voraussetzungen des § 151 AO vor, so hat der Stpfl. einen Rechtsanspruch auf mündliche Abgabe der Steuererklärung zur Niederschrift.[10] Die Finanzbehörde kann die Aufnahme der Niederschrift nicht unter Hinweis auf den Arbeitsaufwand verweigern.[11] Zumutbarkeitsgesichtspunkte sind aufseiten der Finanzbehörde nicht zu berücksichtigen.[12] Über die Zulässigkeit muss die Finanzbehörde erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt entscheiden. Gegen die Ablehnung der Erklärung zur Niederschrift ist der Einspruch nach § 347 AO sowie anschließend eine Verpflichtungsklage vor dem FG gegeben.[13]

[2] Heuermann, in HHSp, AO/FGO, § 151 AO Rz. 1.
[4] BGBl I 2016, 1679, 1692.
[6] Heuermann, in HHSp, AO/FGO, § 151 AO Rz. 2.
[7] Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 151 Rz. 2; Ortwald, in Zugmaier/Nöcker, AO, 1. Aufl. 2021, § 151 AO Rz. 8.
[8] Heuermann, in HHSp, AO/FGO, § 151 AO Rz. 2; vgl. auch BFH v. 10.9.2015, X B 134/14, BFH/NV 2016, 54.
[9] A. A. wohl BFH v. 16.11.1989, V R 169/84, BFH/NV 1990, 754; einschränkend wohl Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 151 AO Rz. 2f.
[11] Stöcker, in Gosch, AO/FGO, § 151 AO Rz. 6; Heuermann, in HHSp, AO/FGO, § 151 AO Rz. 3.
[12] Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 151 Rz. 3; Heuermann, in HHSp, AO/FGO, § 151 AO Rz. 3; Stöcker, in Gosch, AO/FGO, § 151 AO Rz. 6.
[13] Ortwald, in Zugmaier/Nöcker, AO, 1. Aufl. 2021, § 151 AO Rz. 8.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge