Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitsbewertung: Höhe eines Abschlags wegen Schadensgefahren aufgrund der Lage eines Geschäftsgrundstücks in einem Überschwemmungsgebiet in den neuen Bundesländern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Schätzung des gemeinen Werts (Einheitswerts) von im Beitrittsgebiet gelegenen Grundstücken auf den 1.1.1935 ist das Sachwertverfahren maßgeblich. Dabei bestehen keine Bedenken, die Gebäudewerte aus den durchschnittlichen Herstellungskosten durch Wertrückrechnung auf den 1.1.1935 abzuleiten.

2. Nach Ziffer 4.2.3 Abs. 1 Sätze 1, 3 des gleichlautenden Ländererlasses vom 21.5.1993 betreffend die Bewertung von Fabrikgrundstücken, Lagerhausgrundstücken, Grundstücken mit Wertstätten und vergleichbaren Grundstücken (Gewerbegrundstücken) im Beitrittsgebiet ab 1.1.1991, BStBl 1993 I S. 467, kann insbesondere unter anderem wegen Schadensgefahren (z. B. Berg-, Wasser- und Erschütterungsschäden) eine Ermäßigung von maximal 60 % des Gebäudenormalherstellungswerts in Betracht kommen.

3. Geht die Hochwassergefahr, der das zu bewertende Gebäude ausgesetzt ist, erheblich über die abstrakte Gefahr im Falle sogenannten Jahrhunderthochwasserereignisse hinaus (im Streitfall: Lage in einem Überschwemmungsgebiet im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 SächsWG, also in einem Gebiet, das nicht erst bei einem Hochwasserereignis, wie es statistisch gesehen nur einmal in 100 Jahren zu erwarten ist, sondern bereits bei häufiger vorkommenden, weniger starken Hochwasserereignissen überschwemmt wird), ist ein diesbezüglicher Abschlag gerechtfertigt, der einerseits die zeitweise nicht mögliche Nutzung des Gebäudes und andererseits die wegen der vorhersehbaren Überflutung ständig nicht mögliche Einbringung wasserempfindlichen Inventars von gewisser Wertigkeit abbildet.

4. Sind bauliche Schutzmaßnahmen, die den störungsfreien Wasserabfluss behindern, nach §§ 72 ff. SächsWG in Verbindung mit §§ 76 ff. WHG im Überschwemmungsgebiet nicht zulässig, erscheint der vom Finanzamt für das Geschäftsgrundstück vorgenommene Abschlag von insgesamt 36 % (25 % wegen Schadensgefahren, zudem letztlich ebenfalls den Hochwasserereignissen geschuldeter Abschlag wegen behebbarer Bauschäden von 11 %) sachgerecht; weitergehende Abschläge sind nur dann nachvollziehbar, wenn sie Umstände abbilden, die das Gebäude nahezu unbenutzbar machen.

 

Normenkette

BewG § 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Alt. 1, § 129 Abs. 1, 2 Nrn. 1-2; BewG (DDR) § 50; BewG (DDR) § 52; RBewDV § 3a Abs. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 33 Abs. 2 S. 1; WHG § 76 Abs. 1; SächsWG § 72 Abs. 2 Nr. 2

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

 

Tatbestand

Streitig ist zuletzt die Höhe eines Abschlags wegen Schadensgefahren aufgrund der Lage des Geschäftsgrundstücks im Überschwemmungsgebiet.

Dem unter seiner Firma klagenden Kläger wurden auf den Nachfeststellungszeitpunkt 01.01.2012 verschiedene 1998, 2001 und 2010 errichtete Gebäude auf dem Grundstück T.-Str.3 in N. bestandskräftig zugerechnet. Als Grundstücksart wurde gleichfalls bestandskräftig „Geschäftsgrundstück auf fremdem Grund und Boden” festgestellt. Gegen die Einheitswertfeststellung vom 30.08.2017 i.H.v. 17.128 Euro legte der Kläger am 21.09.2017 Einspruch ein. Zur Begründung reichte er am 30.11.2017 Feststellungserklärungen ein. Darauf hin änderte der Beklagte die Einheitswertfeststellung nach § 164 Abs. 2 AO auf 8.334 Euro, wobei dem Kläger, dass mit Lageplan-Nr. 4 bezeichnete Gebäude nicht mehr zugerechnet wurde, während ein mit Lageplan-Nr. 6a bezeichneter Dachüberstand neu sowie weiterhin die Außenanlagen in die Bewertung einbezogen wurden. Unter dem 29.12.2017 und dem 19.03.2018 erklärte der Kläger, seinen Einspruch gegen die Wertfestsetzung aufrechtzuerhalten und begründete diesen weiter. Mit Einspruchsentscheidung vom 01.08.2019 setzte der Beklagte den Einheitswert auf 8.027 Euro fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Dabei wurden die Außenanlagen nicht mehr in die Bewertung einbezogen.

Am 29.08.2019 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er zunächst die Herabsetzung des Einheitswerts auf 3.063 Euro beantragt hat.

Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung am 16.01.2020 haben die Beteiligten übereinstimmend auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet. Absprachegemäß hat der erkennende Einzelrichter unter dem 22.01.2020 auf Grundlage der Tatsachenfeststellungen in der mündlichen Verhandlung einen Vorschlag über eine tatsächliche Verständigung gemacht, in deren Ergebnis der Einheitswert auf 5.726 Euro festzustellen wäre. Dem hat der Kläger nicht zugestimmt.

Die streitgegenständlichen Gebäude befänden sich in einem Hochwasserüberschwemmungsgebiet am Oberlauf der S. (Fluß). Durch die Tallage mit beidseitigen Berghängen würden die Gebäude dreifach bei Starkregen überschwemmt. Einmal durch das Hochwasser der S. (Fluß) und zusätzlich jeweils durch das herabfließende Wasser von den beidseitigen Berghängen. Dadurch würden die Fundamente ständig durc...

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